WestLB "Bitte keine Details"
Düsseldorf - Es muss im Jahr 2001 gewesen sein, oder auch 2002, wer weiß das schon so genau, als die Sache aus dem Ruder lief. Als der WestLB ein Milliardenkredit wegzubröckeln drohte. Drüben, auf der Insel, in England.
Die Düsseldorfer hatten dort zwei Firmen 1,35 Milliarden Euro in die Hand gedrückt, damit die beiden anschließend gemeinsam Fernseher im Vereinigten Königreich verleihen. Doch die Flimmerkisten wollten weniger Briten als gedacht dauerhaft in ihren Wohnzimmern stehen haben, und deshalb wurde das Kreditgeschäft aus dem Dezember 1999 für die WestLB zur Lotterie.
Mit jedem Tag, mit jedem neuen Spiel, wurde es für die Rheinländer unsicherer, den eigenen Einsatz im geplanten Zeitraum zurückzubekommen. Doch von dieser Lawine, die da auf die kleine Landesbank zurollte, hatte der Vorstand der nordrhein-westfälischen Landesbank nichts bemerkt - zweieinhalb Jahre lang, so dass man wohl wirklich nicht genau sagen kann, wann der Milliardenkredit an das Unternehmen Boxclever aus dem Ruder gelaufen ist. "Erst im März 2003 sind wir informiert worden. Wir waren sehr schockiert. Wir dachten bis dahin, der Kredit sei sogar übersichert", sagte der heute pensionierte Bank-Vorstand Adolf Franke Ende Januar vor dem Düsseldorfer Landgericht den sichtlich verdutzten Richtern.
Wie ein "übersicherter" Kredit platzte
Im April 2003 war der britische Flimmerkisten-Dealer Boxclever Pleite, der scheinbar "übersicherte" Kredit der WestLB platzte in Teilen und die Bank blieb auf 427 Millionen Euro Miesen sitzen. "Mittlerweile ist es nicht mehr so klar, was damals eigentlich der größere Skandal war", kommentiert ein ehemaliger WestLB-Angestellter die Erinnerung des Ex-WestLB-Vorstands Franke. "Die womöglich schlampige Gewährung dieses Riesenkredits oder das Interesse des Vorstandes, was aus den verliehenen Milliarden unserer Bank eigentlich geworden ist."
Es ist ein düsteres Bild, das der ehemalige WestLB-Vorstand gegen ihren damaligen Kollegen und späteren Bank-Chef Jürgen Sengera von seiner eigenen Arbeit zeichnet. Mit jeder Zeugenvernehmung wird deutlicher, wie wenig Kontrolle die ehemaligen Vorstände selbst bei einem Milliardenkredit ausübten, vor dem eigene Kreditexperten im Hause gewarnt hatten. Von dem die Banker wussten, dass er einem Unternehmen mit einem stagnierenden, vielleicht sogar bereits schrumpfenden Geschäft zugute kam. Und bei dem allen Vorständen noch aus einem anderen Grund klar sein konnte, dass dieses Geschäft ungewöhnlich war.
"Dieser Kredit an Boxclever war schon alleine deshalb ungewöhnlich, weil er für uns als Bank eine Herausforderung war, etwas Neuartiges. Man kann durchaus sagen, dass diese Art von Kreditgeschäft damals State of the Art war", sagte der ehemalige führende Sachbearbeiter der Bank, Alexander Hasselberg, vor Gericht. Modernste Bankerskunst also. Der WestLB-Vorstand aber erledigte das Boxclever-Geschäft wie am Fließband, ohne Warnsignale überhaupt frühzeitig bemerken zu können.
"Kreditvorlagen waren ein ziemlicher Stress"
"Diese Kreditvorlagen waren ein ziemlicher Stress"
"Wie konnte das passieren", fragte die Staatsanwaltschaft den ehemaligen WestLB-Vorstand Franke und den Verbriefungsexperten Hasselberg während des Prozesses. Die Antworten der Zeugen auf die Fragen der Richter werfen ein Schlaglicht auf die Unbekümmertheit, mit der der riskante Deal in Düsseldorf teilweise betrachtet wurde.
"Das Boxclever-Geschäft ist von externen Prüfern begutachtet worden. Haben Sie deren Ergebnisse denn nicht gelesen?" Franke: "Dafür hatten wir unsere Leute, das war nicht Aufgabe des Gesamtvorstandes."
"Nach Bewilligung des Kredits mussten nochmals 50 Millionen Pfund hinterher geschoben werden, weil die Summe nicht für den Betrieb des Unternehmens ausreichte. Hat Sie das nicht beunruhigt?" Hasselberg: "Darüber war ich alles andere als glücklich, aber bei solchen Projektfinanzierungen werden die Betriebskredite schon gerne einmal vergessen."
"Ihre eigenen Kreditexperten warnten Sie aber doch vor dem Geschäft. Haben Sie die denn nicht wenigstens noch mal konsultiert, als die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer vorlagen?" Franke: "Warum sollten wir abermals ein Gremium unserer Bank befragen, dessen ablehnende Haltung für uns absehbar war?"
"Diesen Vorwurf weise ich vollumfänglich zurück"
"Ihr Ex-Vorstandskollege Sengera hat laut Protokoll dem Kreditausschuss des Aufsichtsrates falsch berichtet, der WestLB-Vorstand habe den Bedenken Ihrer Experten zumindest zum Teil Rechnung getragen und 200 Millionen Pfund zurückbehalten. Obwohl das gar nicht stimmte. Warum sind Sie nicht eingeschritten? Franke: "Diese Kreditvorlagen waren ein ziemlicher Stress für alle Vorstände. Da konzentrierte man sich auf seinen eigenen Vortrag. Den Ausführungen der anderen Vorstände konnte man bewusst gar nicht folgen."
Entschieden haben die ehemaligen Vorstände der Düsseldorfer Landesbank aber dennoch, und genau das wirft die Staatsanwaltschaft dann auch dem ehemals zuständigen Bereichsvorstand und späteren WerstLB-Chef Sengera vor - auch, wenn man von keinem Vorstand verlangen kann, jedes Einzelgeschäft komplett zu begleiten und zu überwachen. Weil die Risikoprüfung bei dem Milliardenkredit an den britischen Fernseherverleiher aber insgesamt aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht klappte, habe sich Sengera der schweren Untreue schuldig gemacht, so die Ankläger. Darauf stehen im schlimmsten Fall zehn Jahre Gefängnis.
"Diesen Vorwurf weise ich vollumfänglich zurück", sagt Sengera entrüstet. Dass er sich tatsächlich nicht strafbar gemacht hat, wollen seine beiden Star-Verteidigung Eberhard Kempf und Christian Richter am Ende des Prozesses bewiesen haben.