Total Unter Verdacht
Paris - Frankreichs Behörden haben ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Chef des Energiekonzerns Total eingeleitet. Total zeigte sich am Donnerstag jedoch zuversichtlich, dass dabei kein Fehlverhalten festgestellt werde. Der am Mittwoch festgenommene Christophe de Margerie sei ohne Kautionszahlung freigelassen worden, hieß es aus Justizkreisen.
Total bestätigte die Einleitung des Verfahrens und erklärte, die Geschäfte mit Teheran seien "unter Achtung der Gesetze" geschlossen worden. Der Konzern soll zwischen 1996 und 2003 iranische Verantwortliche mit umgerechnet 60 Millionen Euro bestochen haben. Die Gelder flossen angeblich über zwei Schweizer Konten. 9,5 Millionen Euro wurden in der Schweiz eingefroren. Margerie war damals bei Total für den Mittleren Osten zuständig.
Die Nacht zum Donnerstag hatte Margerie in Polizeigewahrsam verbracht. Gegen den Manager laufen bereits Ermittlungen wegen möglicher Korruption im Zusammenhang mit dem UN-Programm für den Irak "Öl gegen Lebensmittel" im Rahmen des Irak-Embargos 1996 bis 2003.
De Margerie hatte erst im Februar den Chefsessel von Thierry Desmarest übernommen. Er leitete von 1995 bis 1999 Totals Nahost-Aktivitäten und war danach für den Bereich Erkundung und Produktion verantwortlich.
Befragt wurden am Mittwoch auch vier weitere Personen, darunter Finanzchef Robert Castaigne und der für das Gas- und Stromgeschäft verantwortliche Manager, Philippe Boisseau.
Total-Aktien legten gestern trotzdem über 2 Prozent auf 51 Euro zu. Dass der Kurs der Total-Aktie auf die Gewahrsamnahme des Total-Chefs nicht reagierte, führten Analysten darauf zurück, dass Desmarest vom Führungsgremium auf seinen alten Chef-Posten zurückkehren könnte, sollte de Margerie stärker unter Druck geraten. Total ist mit einem Börsenwert von 120 Milliarden Euro der größte Konzern Frankreichs.
Parallelen zu Leuna?
Parallelen zu Leuna?
Die jüngsten Korruptionsvorwürfe erinnern an die deutsch-französischen "Leuna"-Affäre, bei der der damalige Staatskonzern Elf Aquitaine Anfang der 90er Jahre mehr als 40 Millionen Euro an Kommissionsgeldern zahlte. Dafür sicherte sich Elf Aquitaine die ostdeutsche Raffinerie und das "Minol"-Tankstellennetz. Elf fusionierte im Jahr 2000 mit "Total".
Im Zuge der Leuna-Affäre wurden 2003 auch die beiden deutschen Elf-Lobbyisten Dieter Holzer und sein Geschäftspartner Pierre Lethier zu Haftstrafen verurteilt. Beide hatten in der Nachwendezeit insgesamt 39 Millionen Euro von dem damals staatlichen Ölkonzern Elf kassiert - nach Überzeugung der französischen Justiz ein Scheinhonorar. Holzer hatte im April vor Gericht erklärt, 1992 für sein Honorar in Deutschland für Elf wichtige Lobbyarbeit geleistet und Subventionen herausgeschlagen zu haben.
Die Leuna-Affäre war aber nur ein Randaspekt in dem Mammutprozess um die schwarzen Kassen von Elf. Im Frühjahr 2003 verurteilte die 11. Pariser Strafkammer den früheren Konzernchef Loik Le Floch-Prigent, unter dem 1989 bis 1993 300 Millionen Euro Firmengelder abgezweigt wurden, und seine rechte Hand Alfred Sirven zu je fünf Jahren Haft und hohen Geldstrafen. Der ehemalige Elf-Afrika-Beauftragte Alfred Tarallo musste für vier Jahre ins Gefängnis.
Für die deutsche Justiz sind die Akten im Fall Leuna seit 2001 geschlossen. Die Bundesanwaltschaft fand keine Hinweise auf Bestechung bei der Milliardenprivatisierung der Raffinerie in Sachsen-Anhalt.
Die Total-Raffinerie Mitteldeutschland ist seit 1997 in Betrieb und gilt als modernste in Europa. Rund 650 Menschen arbeiten in der Raffinerie, die nach Umsatz gerechnet mit 4,6 Milliarden Euro in 2005 das zweitgrößte Unternehmen in Ostdeutschland ist.
manager-magazin.de mit Material von reuters und dpa