In exklusiven Zirkeln lassen sich beste Beziehungen knüpfen. Doch die etablierten Managernetzwerke bekommen Konkurrenz durch virtuelle Businessclubs. manager-magazin.de sagt, was Plattformen wie Open BC und Performers Circle wirklich leisten.
Hamburg - Die Zeiten, in denen Menschen ihr ganzes Leben in einer Firma beschäftigt bleiben, sind vorbei. Spätestens seit der Wirtschaftsflaute in Deutschland und dem steigenden Konkurrenzdruck am Arbeitsmarkt sind Jobwechsel alle sechs Monate keine Seltenheit mehr.
Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und sich ein gut funktionierendes Netzwerk aufzubauen. Dazu gehört inzwischen weit mehr, als Geschäftskontakte am Stammtisch zu pflegen oder seine Visitenkarte auf so genannten Visitenkartenpartys an den Mann oder die Frau zu bringen.
Parallel zu Freizeit- und Flirtbörsen etabliert sich eine neue Klasse virtueller Gemeinschaften. Im Unterschied zu den klassischen Kontaktforen kümmern sich Plattformen wie Linkedin, Performers Circle oder Open Business Club (Open BC) ausschließlich um Geschäftsleute und machen diese miteinander bekannt.
Brauchten traditionelle Netzwerker ein gutes Gedächtnis für Namen und Gesichter sowie eine dicke Kartei, ist die Technik der Kontaktpflege im Onlinezeitalter einfacher. In kurzer Zeit kann jeder Internetnutzer mit wenigen Klicks ein Netzwerk mit hunderten Ansprechpartnern aufbauen.
Der Grundgedanke der virtuellen Businessgemeinschaften beruht auf einer These des New Yorker Sozialpsychologen Stanley Milgram, dem Small-World-Phänomen. Sein Motto: Jeder kennt jeden - über eine Verbindungslinie, die aus höchstens sechs Personen besteht.
Darüber hinaus fand ein Soziologe von der Universität Stanford heraus, dass Arbeitsplätze in der Regel nicht durch direkte Freunde, sondern meist durch Freunde von Freunden vermittelt werden. Als Folge dieser theoretischen Erkenntnisse sind in der Praxis zwei unterschiedliche Angebote entstanden: die geschlossenen und die offenen Plattformen.
Bei den geschlossenen Systemen wird jeder Erstkontakt zunächst von den jeweiligen Verbindungspersonen abgesegnet. Diese Zwischenstation soll gewährleisten, dass keine unerwünschten Informationen beim Empfänger landen.
Zugang nur auf Empfehlung
Zugang nur auf Empfehlung
Die US-amerikanische Plattform Linkedin vertraut auf ein derartiges System. Teilnehmen darf nur, wer von Mitgliedern empfohlen wird. Jeder soll nur Leute einladen, die er selber kennt, mit denen er gearbeitet oder Geschäfte abgewickelt hat. Wer also einen Einladungslink zu Linkedin bekommen hat und anklickt, kann Schritt für Schritt sein Profil anlegen. Auf Porträtfotos legt Linkedin allerdings keinen Wert.
Kommuniziert wird ausschließlich auf Englisch. Demzufolge tummeln sich vorwiegend Nutzer aus dem englischsprachigen Ausland auf der Plattform, die darüber hinaus eine Jobbörse betreibt. Trotzdem finden auch hiesige Nutzer Gleichgesinnte - rund 30.000 Mitglieder kommen aus Deutschland. Mit insgesamt zwei Millionen Nutzern zählt die Plattform zu einem der größten internationalen Business-Netzwerke.
Das deutsche Pendant zu Linkedin ist das Führungskräftenetzwerk Capup das neben dem rein virtuellen Angebot auch Abendveranstaltungen organisiert und sich damit der nach wie vor wichtigsten Komponente - dem visuellen Kontakt - widmet.
Ebenfalls ein geschlossenes System ist der exklusivste unter den Online-Businessclubs, der kostenpflichtigen Performers Circle des Recruiting-Spezialisten Access. Im Juni dieses Jahres an den Start gegangen, gehören dem erlauchten Kreis mittlerweile 4000 Mitglieder an. Der Jahresbeitrag beläuft sich auf 50 Euro.
Allerdings gilt es dort ein paar Hürden zu nehmen. In den Kreis der Auserwählten wird lediglich aufgenommen, wer mehrjährige Berufserfahrung in leitender Position vorweisen kann, ein wirtschaftsrelevantes Studium absolviert hat und zu den besten 20 Prozent seines Jahrgangs gehörte. Wie diese engen Voraussetzungen im Einzelfall nachgeprüft werden und ob sie tatsächlich immer eingehalten werden, konnte der Projektleiter von Performers Circle, Stefan Renzewitz, im Gespräch mit manager-magazin.de nicht endgültig aufklären.
Bei Performers Circle verfügen alle Profile über einen detaillierten Lebenslauf mit Foto. Damit setzt der "Edel-Club" auf Klasse statt Masse und sieht sich nicht als Tummelplatz für Ich-AGs, Studenten und Otto-Normal-Jobsucher. "Der Fokus der Plattform liegt auf dem Austausch mit Geschäftspartnern aus ähnlichen Bereichen und nicht auf der klassischen Jobsuche", sagt Renzewitz.
Europas größter Netzwerker
Europas größter Netzwerker
Dagegen steht die größte europäische Plattform, Open BC, allen Nutzern offen. Dabei handelt es sich nicht um einen elitären Business-Zirkel, zu dem nur geladene Gäste Zutritt haben. Oberstes Ziel des Onlineclubs ist es, eine ungehinderte Kommunikation unter allen Clubmitgliedern zu gewährleisten.
Gegründet hat die Plattform Ende 2003 der heute 28-jährige Lars Hinrichs, der einst Schiffbruch in der New-Economy-Zeit erlitt. Mit 23 Jahren hatte Hinrichs gemeinsam mit einem Kompagnon eine PR-Beratung gegründet und Onlinesoftware entwickelt. Noch bevor das Projekt vermarktet werden konnte, brach der Neue Markt zusammen, und die Firma war insolvent.
Aller Anfang ist schwer: Diese Weisheit galt indes nicht für Open BC, Hinrichs' neues Projekt. Im ersten Jahr schrieb die Gesellschaft bereits schwarze Zahlen. Heute sitzt Open BC mit 13 Mitarbeitern in Hamburg. Die Website gibt es in 16 Sprachen und wird von rund 650.000 Mitgliedern aus mehr als 200 Ländern genutzt - Tendenz steigend. Damit zählt sie zur größten europäischen Networking-Plattform für professionelles Kontaktmanagement im Internet.
Um bei Open BC Kontakte zu Geschäftspartnern aus aller Welt zu finden, muss der Nutzer lediglich seinen Lebenslauf mit Foto, beruflichem Status und Aufgabengebiet sowie private Interessen ins Netz stellen.
Wenn diese Hürde genommen ist, kann jeder eingeloggte Teilnehmer auf sein Profil klicken. Klickt man auf den Kontakt eines Freundes und auf dessen Kontakte, werden wieder neue Verbindungen geknüpft. Hat der Nutzer mehr als 20 Personen als Kontakt hinzugefügt, erreicht er dadurch bis zu 1000 Kontakte zweiten Grades.
Grundsätzlich ist Open BC kostenlos. Wer den vollen Funktionsumfang der Plattform nutzen will, ist gezwungen zur kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft zu wechseln. Diese kostet 5,95 Euro im Monat.
Aber auch bei den offenen Netzwerken besteht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche persönlichen Daten der Nutzer letztendlich freigeben will. Denn die individuellen Daten wie E-Mail-Adresse und Telefonnummer oder die Liste der persönlichen Kontakte lassen sich verbergen.
"Positive Jobmarkteffekte"
"Onlineclubs beflügeln den Arbeitsmarkt
Nach Meinung von Personalberater Jan Bohlken ist das Image dieser virtuellen Kontaktpflege gut. "Der Businessclub im Netz hat positive Auswirkungen auf die Arbeitsmarktlage - er beflügelt den Markt", so der Organisator des Lunchclub Deutschland, ein weiteres Forum der etwas anderen Kontaktpflege, gegenüber manager-magazin.de. Bohlken hat in seiner Funktion als selbstständiger Personalberater schon des Öfteren über dieses Medium Menschen zusammengebracht, die darüber zu einer Festanstellung kamen.
In allen Onlineclubs gilt es, einige Regeln zu beachten. Spam-Mails und unseriöse Anfragen führen schnell dazu, dass sich andere Mitglieder beschweren, woraufhin nicht selten der Logout seitens der Betreiber droht.
Trotz aller positiven Seiten dieser Onlineclubs, reicht vielen Mitgliedern der virtuelle Austausch allein nicht. So haben sich bereits mehrere hundert Mitglieder von Open BC in Eigeninitiative zusammengefunden, um sich persönlich kennen zu lernen.
Die Bedeutung des persönlichen Kontaktes für die eigene Karriere kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dieser Ansicht ist auch Michael Hartmann, Professor für Soziologie an der Technischen Universität in Darmstadt. "Auf Grund des fehlenden persönlichen Kontaktes, ist die ganze Sache sehr unverbindlich, und den Plattformen mangelt es an Vertrauen" sagt Hartmann gegenüber manager-magazin.de. "Es handelt sich bei diesen Online-Businessclubs lediglich um Informationsnetzwerke, die den Nutzern schnell Tipps zu allen möglichen Dingen geben können", kritisiert Hartmann.
Der Soziologe glaubt nicht, dass die virtuellen Clubs die klassische Bewerbung einmal ersetzen könnten. "Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass es ein Revival der klassischen Bewerbung geben wird und auch schon gibt." Hartmann sieht die Clubs nur als Beiwerk, die nicht mehr als eine effektive Datensammlung bieten könnten. Die menschliche Kommunikation und den visuellen Kontakt könnten sie nicht ersetzen.
Die virtuellen Managerclubs sind darüber hinaus auch keine Konkurrenz für Topheadhunter. Diese verfügen über spezielle Kontakte und müssen sich daher diesem Medium nicht bedienen. "Dagegen profitieren Personalvermittler für Berufsgruppen aus dem Mittelstand von den Online-Businessclubs", äußert sich der Professor für Soziologie positiv über die virtuellen Kommunikationswege. Er kann sich gut vorstellen, dass Personalvermittler aus diesen Quellen manchen Kandidaten bereits rekrutiert hätten.
"Variante der Gelben Seiten"
"Variante zu den Gelben Seiten"
Es zeigt sich allerdings auch, dass nur derjenige, der im realen Leben erfolgreich Kontakte knüpft, im virtuellen Businessclub erfolgreich auf Kontaktfang gehen kann. Denn die professionelle virtuelle Kontaktpflege kann auch nicht mehr ausrichten, als der Nutzer im alltäglichen realen Leben leistet.
Auch Yvonne Laage, Open-BC-Nutzerin und Organisatorin von Visitenkartenpartys, sieht die Onlineclubs als sinnvolle Ergänzung zu herkömmlichen Kommunikationswegen. Laage hat selbst 1500 Kontakte bei Open BC, von denen sie 300 User schon persönlich getroffen habe. "Persönlicher Kontakt ist eben alles." Die Plattformen böten zwar einen guten Einstieg für den Erstkontakt, da die Hemmschwelle sehr niedrig sei, aber ein Treffen vis-à-vis könnten sie nicht ersetzen.
Außerdem kritisiert sie im Gespräch mit manager-magazin.de: "Es gibt zu viele Kontaktjäger, die das Knüpfen von möglichst vielen Kontakten als eine Art Sport sehen." Je mehr Kontakte desto unseriöser sei der Teilnehmer. Die Jungunternehmerin, die sich mit der Organisation von Visitenkartenpartys selbständig gemacht hat, bezeichnet die Plattformen, insbesondere Open BC, als die neue "Variante zu den Gelben Seiten". Damit die virtuellen Businessclubs auf Dauer Aussicht auf Erfolg hätten, müsste aber qualitativer ausgewählt und die Clubs branchenspezifischer strukturiert werden.
In letzter Konsequenz bieten die virtuellen Businessclubs gute Möglichkeiten, Informationen auszutauschen, sich inspirieren zu lassen, längst verschollen geglaubte Personen wieder zu finden und Allianzen zu schmieden.
Aber eines können die Managerclubs der Neuzeit gewiss nicht. Den visuellen Kontakt von Mensch zu Mensch ersetzen. Der persönliche Kontakt bleibt das Wichtigste, um sich einen Eindruck von seinem Gegenüber machen zu können. Deshalb werden Open BC & Co. weder klassische Bewerbungen ablösen noch Headhunter arbeitslos machen.