Verhandeln in China Lächelnde Drachen

Die Chinesen lieben das Detail. Selbst wenn alles minutiös abgemacht scheint, kann es sich immer noch herausstellen, dass man den falschen Gesprächspartner hatte. manager-magazin.de verrät die gefährlichsten Fallstricke - und warum Amerikaner in China nur mäßig erfolgreich sind.
Von Sergey Frank

Hamburg - Hohe wirtschaftliche Zuwächse, stetig wachsende Absatzmärkte, eine positive demografische Entwicklung sowie eine zunehmende Liberalisierung des Landes - zurzeit spricht vieles für die Volksrepublik China. Nicht nur Global Player wie Coca-Cola, Bayer, BASF, Procter & Gamble, Henkel oder Volkswagen sind deshalb dort. Auch der deutsche Mittelstand engagiert sich mittlerweile sehr stark.

Ist jedoch dieses Riesenreich tatsächlich der Markt der Zukunft? Ein genauer Blick darauf lohnt sich. In zwei Artikeln geht manager-magazin.de der Frage nach: Was ist für das Geschäftemachen in China relevant? Und warum sind manche westliche Unternehmen dort erfolgreich, andere nicht?

China ist nicht China. Die Volksrepublik ist eine Welt für sich mit über 4000 Jahre alter Geschichte, verschiedenen Sprachen und Dialekten sowie stark unterschiedlichen sozialen Rahmenbedingungen und Verhaltensweisen. In der Volksrepublik China sprechen zahlreiche Manager Englisch. Man sollte sich aber nicht darauf verlassen, Verhandlungen tatsächlich auf Englisch zu führen. So beherrschen zwar viele junge Chinesen die Sprache, allerdings sind die älteren Geschäftspartner, die vielfach die Entscheidungen treffen, ihrer nur selten mächtig.

Bei wichtigen Verhandlungen empfiehlt es sich daher, einen eigenen Dolmetscher, den man bereits kennt oder der einem von Dritten empfohlen wurde, hinzuzuziehen. Referenzen zu den Fähigkeiten des Dolmetschers sind dabei unerlässlich.

Doch auch der Sprechende, dessen Rede übersetzt werden soll, muss sich konzentrieren und zurücknehmen, um Übersetzungsfehlern vorzubeugen. Er sollte klar und knapp formulieren, komplizierte Formulierungen sowie umgangssprachliche Wendungen vermeiden. Eine kurze und knappe Rhetorik unter Zuhilfenahme von Strukturen, die man etwa an einer Tafel visualisiert, erleichtert die Kommunikation.

Sinnvoll ist es in jedem Fall, den Verhandlungsgegenstand so transparent wie möglich zu machen. Hier sind einfache Visualisierungshilfen wie Flipchart, Tafeln oder auch nur ein Blatt Papier, wo Konzepte als Strukturen dargestellt werden können, gute Instrumente. Darüber hinaus sollte man die wesentlichen Strukturen des Geschäfts gemeinsam mit der anderen Seite im Vorfeld definieren. Das hilft Missverständnisse auszuschließen.

Nie ohne den Segen der Behörde

Nie ohne den Segen der Behörde

Wichtig ist dabei, die Fachbehörde, die dem Geschäft von vornherein zustimmen muss, hinzuzuziehen. Immer beachten: Im Laufe der Verhandlungen ist ein höheres Maß an Improvisation notwendig als im Westen. Hier ist der beschlagene Dolmetscher mit betriebswirtschaftlichem Spezialwissen unverzichtbar - daher die Referenzen.

Chinesen kommunizieren auf indirekte Art, wie es vielen Europäern oder Amerikanern eher fremd ist. Eine strikte Verneinung wird in China vermieden. Ihr Geschäftspartner wird Ihnen nicht unbedingt eine direkte Absage erteilen. Er wird sein "nein" umschreiben, um den Partner nicht bloßzustellen und sich selbst nicht endgültig festlegen zu müssen. Hinzu kommt der politische Hintergrund. Ein chinesischer Manager wird es während der Verhandlungen vermeiden, bei gewissen, politisch sensiblen Themen allzu direkt zu werden und bestimmte Themen nur ungern ansprechen. In einem persönlichen Gespräch hingegen wird er eher offen seine Meinung sagen.

Feilschen macht Spaß

Beide Verhaltensweisen entsprechen dem wichtigsten Kommunikationsprinzip der chinesischen Kultur. Wichtig ist es, das Gesicht zu wahren und dem Gegenüber Respekt zu zollen. Dieses Prinzip ist auch in Verhandlungen relevant. Konkret: Bieten Sie Kompromisse an, die nicht als eine Niederlage empfunden werden. Rhetorik und Kommunikation sollten dabei höflich und harmonisch bleiben ohne zu viel Druck und übermäßige Lautstärke.

"Zunächst ging alles sehr korrekt und förmlich vonstatten. Je länger sich die Verhandlungen hinzogen und je tiefer es in die Einzelheiten ging, desto mehr kam man sich vor wie auf einem Basar. Da wurde buchstäblich stundenlang um Details gefeilscht." So das Resümee des Verhandlungsführers eines deutschen Automobilzulieferers. In der Tat verfügen chinesische Verhandlungspartner über eine immense Ausdauer, um für sie wichtige Detailfragen zu klären. Sie erwarten das Gleiche von ihrem Verhandlungspartner. Die Verhandlungsphasen, in denen Konzessionen gewährt werden, dauern lange. Bleiben Sie genauso zäh wie Ihr Gegenpart, pflegen Sie aber gleichzeitig die positive Atmosphäre. Verbinden Sie dabei eine Forderung der Gegenseite mit einer Forderung ihrerseits.

US-Methoden ohne Erfolg

Amerikanische Akquise führt nicht zum Erfolg

"Akquisition à la USA taugt in China wenig", berichtet der Projektmanager eines österreichischen Maschinenbauunternehmens, der hier ein großes Produktionswerk ansiedeln wollte. Chinesische Manager sind es nicht gewohnt, dass ein Geschäftspartner voreilig handelt. Vielmehr ist Geduld gefragt und ein langsames und geschicktes "Werben" um den Partner.

Eine erste Geschäftsanbahnung kann über den Vertreter der Botschaft im Lande selbst, durch eine internationale Bank, eine Handelsmesse, ein Anwalts- oder Wirtschaftsprüferbüro oder eine offizielle Handelsdelegation erfolgen. Mittelsmänner spielen bei dieser Art der Geschäftsanbahnung eine wichtige Rolle. Sie sollten Personen sein, die beiden Seiten gut bekannt sind und Vertrauen genießen, um das Eis langsam zu brechen.

Auch in der Verhandlung selbst ist Geschwindigkeit nicht gefragt. Die Liebe zum Vertragsdetail und das Ziel kurzfristiger geschäftlicher Bindungen sind ein Grund für das Scheitern zum Beispiel vieler amerikanischer Investoren. Das Motto "Time is of the essence", wie in vielen angloamerikanischen Verträgen in der Präambel aufgeführt und der starre Blick auf rasche Ergebnisse und Renditen führen in China eher zum Scheitern.

Vom Partner zum Freund

Wie in allen asiatischen Ländern gilt es, zunächst eine positive persönliche Beziehung zum potenziellen Geschäftspartner aufzubauen. Je besser diese Beziehung ist, desto einfacher und schneller laufen später die Verhandlungen. Ist eine auf Vertrauen basierende Beziehung erst einmal aufgebaut, wird für chinesische Geschäftsleute der Business-Partner zum "Freund".

Darüber hinaus haben die Chinesen ein spezielles Wort für die geschäftliche Kontaktpflege - Guanxi. Es umschreibt die intensive Pflege des persönlichen Beziehungssystems. Der Umgang mit dieser Form der Geschäftsauffassung ist nicht immer einfach. Auf der einen Seite steht ein vertrauensvoller und enger Umgang miteinander. Andererseits erwarten die chinesischen Partner von einem Freund naturgemäß größere Rücksichtnahme und Konzessionen. Es gilt das Sprichwort, dass kleine Gefälligkeiten die Freundschaft erhalten.

In diesem Spannungsfeld zwischen langsamer Geschäftsanbahnung, engem und vertrauensvollen Umgang sowie dem Streben nach einer "Win-to-win"-Situation bewegt sich der ausländische Manager. Hier gilt es für ihn ebenso taktvoll zwischen Geschäftssinn und Sympathie wie zwischen Rendite und Vertrauen abzuwägen - ein schwieriger Balanceakt.

Lehrlinge der Marktwirtschaft?

Immer noch Lehrlinge der Marktwirtschaft?

Als positive Eigenschaften gelten bei chinesischen Managern Erfahrung, Höflichkeit und Geduld, Gastfreundschaft sowie die Fähigkeit, langfristige Geschäftsverbindungen aufzubauen. Auf der anderen Seite sind chinesische Manager aus nahe liegenden Gründen in der Welt der globalisierten Wirtschaft Newcomer. Hieraus resultiert ein gewisses Maß an Unsicherheit. Dem gegenüber steht ein großes Sicherheitsbedürfnis.

Der Aufstieg auf der Karriereleiter im Unternehmen wird oftmals verglichen mit dem Weg nach oben auf politischer Ebene. Der weitere Weg in einem Unternehmen kann vom Erfolg einer einzelnen wichtigen Verhandlung abhängen. Auch wenn sich die politischen Rahmenbedingungen langsam wandeln und die Wirtschaft Chinas rapide wächst, sind gewachsene Verhaltens- und Denkmuster in den Köpfen präsent. Deshalb: Es ist nur erlaubt, was bereits irgendwo geregelt ist. Pragmatische Lösungsansätze können verworfen werden, wenn wichtige juristische Voraussetzungen noch nicht geregelt sind.

Technisch sind chinesische Manager zumeist gut beschlagen, da viele ihre Karriere aus technischen Funktionen heraus starten. Daher auch die in der Regel erfolgreichen und vergleichsweise unkomplizierten Kooperationen auf technischem Gebiet. "Was die technischen Details angeht, kamen wir sehr schnell auf einen Nenner. Die Chinesen waren gut vorbereitet und mit ihrem technischen Fachwissen absolut 'state-of-the-art'", schildert der Vertreter eines Schweizer Werkzeugherstellers seine Erfahrungen in China.

"Junge Garde" im Anmarsch

Anders sieht es in den klassischen Segmenten Vertrieb, Controlling und Marketing aus. Hier haben die Manager aus dem Reich der Mitte noch Nachholbedarf. Konsequenz: Die Marketingbudgets, die Auswahl von Vertriebswegen, aber auch juristische Detailfragen, die auf internationalem Handelsrecht basieren, werden eher peripher behandelt. Doch dieses Gefälle zwischen den Bereichen nimmt ab. Je jünger der Verhandlungspartner, desto besser ist er auch in Betriebswirtschaft ausgebildet. In China wächst eine starke "junge Garde" von Geschäftsleuten heran.

Es wäre aber völlig falsch, China per se als rückschrittlich zu betrachten. Es gibt bereits MBA-Programme für westliche und chinesische Studenten. Dort kann man einen MBA erwerben, wobei vor allem auf die im Reich der Mitte notwendigen Belange, wie mehrere asiatische Sprachen, großer Wert gelegt wird. In vielen Provinzen ist das Land noch sehr rückständig, in Metropolen wie Shanghai oder Peking dagegen entspricht das Niveau den westlichen Standards.

Praktische Tipps im Überblick

Praktische Tipps

  • Vermeiden Sie es, arrogant, respektlos und hektisch aufzutreten. In China ist der Manager aus dem Westen, der alles an westlichen Maßstäben misst, nicht gern gesehen.
  • Unterschätzen Sie nie das notwendige Managementpersonal. Schicken sie einen Manager nach China, der der Landessprache nicht mächtig ist, dann ist das Unterfangen mit Schwierigkeiten verbunden. Der lokale Partner wird immer versuchen, seine Vorteile zu optimieren. Achten Sie dabei darauf, dass alle Schlüsselpositionen (Produktion und vor allem Finanzen) von Ihnen übernommen werden.
  • Unterschätzen Sie niemals Ihre Kosten. So sind die Lohnkosten auf den ersten Blick sehr niedrig. Allerdings kommen noch Zahlungen in diverse Fonds hinzu (Alterssicherung, Krankenversorgung, Urlaub), so dass die tatsächlichen Lohnkosten wesentlich höher liegen. Auch ist die Produktion sehr viel langsamer als im Westen, das Qualitätsbewusstsein bessert sich, ist jedoch noch nicht vergleichbar mit westlichen Maßstäben. Reformen werden nur langsam akzeptiert, wenn überhaupt.
  • Machen Sie keine Verträge mit den falschen Partnern. Wird ein Vertrag mit einer lokalen Behörde geschlossen, kann es sein, dass die Zentrale in Peking den Vertrag für unwirksam erklärt. Erkundigen Sie sich vorher, am besten über Ihren Rechtsanwalt oder Steuerberater, ob die lokale Behörde letztendlich entscheidungsbefugt ist.

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