US-Topmanagerinnen Da waren's nur noch sieben
New York - Die amerikanische Geschäftswelt ist berüchtigt für ihre juristischen Tretminen. Nirgendwo werden Unternehmen so häufig verklagt - und so erfolgreich.
Allein im vorigen Jahr verhängten die Gerichte hier in den 100 Top-Verfahren Schadensersatzurteile in Höhe von insgesamt 11,1 Milliarden Dollar. US-Präsident George W. Bush, der immer ein Herz für die Wall Street hat, spricht von einer "Klagekultur" und zeichnete jetzt ein Gesetz ab, das solche Prozesse eindämmen soll.
Viele dieser Verfahren deuten jedoch, ihrer juristischen Berechtigung von Fall zu Fall mal ganz unbenommen, zumindest auf Mängel im System hin. Zum Beispiel die 59 Seiten starke Klageschrift, die hier gerade unter dem Aktenzeichen 04 Civ. 09194 am New Yorker Bezirksgericht Süd eingegangen ist.
Grau ist alle Theorie, nicht lila
Darin beschuldigen zwölf Frauen die US-Dependance des Schweizer Pharmagiganten Novartis der systematischen sexuellen Diskriminierung. "Novartis schließt Frauen von besseren und besser bezahlten Positionen aus, die traditionell von männlichen Angestellten besetzt sind", heißt es in der Zivilklage. Die Betroffenen fordern Schadensersatz, und das könnte Novartis teuer zu stehen kommen.
Novartis ist ein eidgenössischer Konzern, doch seine Nordamerika-Tochter, ansässig in New York, ist an der US-Börse notiert, operiert nach US-Regeln und unterliegt der US-Gerichtsbarkeit. Namentlich den strengen Anti-Diskriminierungsgesetzen, die jede Benachteiligung wegen Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Alter, sexueller Orientierung, Herkunft oder Behinderung verbieten.
Ob der Pharma-Riese - den das Fachmagazin "Working Mother" immerhin als eine der "100 besten Firmen für Frauen" lobt - in den fraglichen Fällen dagegen verstoßen hat, können, so die Klage zugelassen wird, am Ende nur die Geschworenen klären. Fest steht aber, dass Gleichberechtigung für viele Frauen im amerikanischen Business und an der Wall Street bis heute nicht mehr ist als eine hübsche Theorie.
Das zeigte jetzt allein der schlagzeilenträchtige Rausschmiss der Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina. Fiorina selbst scheiterte zwar nicht an einer Macho-Kultur, sondern an eigenen Fehlern, an denen wohl auch ein Carl Fiorina gescheitert wäre. Doch ihr Abgang offenbarte eine triste Statistik: Unter den "Fortune 500", den mächtigsten Konzernen der USA, finden sich nun nunmehr noch sieben CEO-Frauen: Debra Cafaro (Ventas), Ann Fudge (Young & Rubicam), Andrea Jung (Avon), Anne Mulcahy (Xerox), Michelle Peluso (Travelocity), Patricia Russo (Lucent) und Margaret Whitman (Ebay).
Keine Schlüssel für die Chef-Tür
Keine Schlüssel für die Chef-Tür
"Der Verlust von Carly ist dramatisch", sagt die Marktforscherin Kara Helander, "weil wir an einem Tag 12,5 Prozent der Frauen in den 'Fortune 500' verloren haben." Anders gesagt: Die weibliche Präsenz in den US-Chefetagen schrumpfte auf 1,4 Prozent. "Wo sind all die Frauen?", fragt das Tech-Magazin "Wired".
Diese Frage beschränkt sich nicht nur auf die höheren Dienstgefilde. Frauen in der US-Wirtschaft sind nach Angaben des Institutes for Women's Policy Research (IWPR) zwar "besser und auf höherer Ebene beschäftigt als je zuvor". Doch werde es noch mindestens 50 Jahre dauern, bis sie zum Beispiel genau so viel verdienten wie Männer. Amerikanerinnen verdienen derzeit im Schnitt 76 Prozent dessen, was ihre männlichen Kollegen bekommen, und wenn sie überdies einer Minderheit angehören, sinkt die Zahl sogar auf 66 (Schwarze) beziehungsweise 55 Prozent (Latinas).
"Vor allem die neue Hightech-Branche lässt Frauen zurück", klagt Mary Ellen Smyth, eine Bildungsexpertin der American Association of University Women (AAUW). "Das Problem ist nicht, dass Frauen an die 'gläserne Decke' stoßen. Das Problem ist, dass sie erst gar keine Schlüssel haben, um die Tür zu öffnen."
In die Sackgasse statt ins Eckbüro
Kein Wunder, dass keine einzige der sieben nach Fiorina verbliebenen Top-Frauen in den "Fortune 500" einem Silicon-Valley-Zukunftsunternehmen vorsteht. "Der Pool der Frauen mit Jobs, die an die Spitze führen können, ist viel zu klein", sagt Betty Spence, Präsidentin der National Association for Female Executives. Stattdessen seien die meisten Frauen weiterhin in sogenannte Pink-Collar-Ghettos verbannt, schreibt die IWPR in ihrem jüngsten Bericht: Personalwesen, Kommunikation, Marketing. Solche Job führten nicht "ins Eckbüro", sondern in die Sackgasse.
Dabei ist das schlechte Unternehmenspolitik. Eine Studie der Marktforschungsgruppe Catalyst ergab jetzt, dass die Konzerne mit den meisten Frauen im Spitzenmanagement 35 Prozent mehr Gewinn machten als die mit den wenigsten Frauen. Außerdem wollen die Frauen längst nicht mehr stillhalten. Die Klage gegen Novartis ist beileibe nicht die erste ihrer Art: Auch die Brokerhäuser Merrill Lynch, Smith Barney (Citigroup) und Morgan Stanley sind seit Jahren in ähnliche Prozesse und peinliche Schlagzeilen verstrickt. Und Morgan Stanley erklärte sich im vorigen Sommer bereit, den Klägerinnen 54 Millionen Dollar zu zahlen.
Immerhin: Das ist mehr als doppelt so viel, wie Carly Fiorina, das "Poster-Girl" der Frauen-Power, als reguläre Abfindung bekommt.