Um Abiturienten aus einkommensschwachen Familien ein Studium zu ermöglichen, führt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum kommenden Wintersemester ein Studiendarlehen ein. Bis zu 650 Euro monatlich können sich die Studenten leihen. Zum Studienende sitzen sie dann allerdings auf mehr als 30.000 Euro Schulden plus Zinsen.
Berlin - Mit Hilfe eines flächendeckenden, zinsgünstigen und elternunabhängigen Darlehenssystems der KfW sollen Studenten ab dem kommenden Wintersemester ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Wie KfW-Vorstandssprecher Hans Reiche berichtete, soll das Darlehen für das Erststudium das staatliche Bafög ergänzen. Das Modell werde marktwirtschaftlich durchgerechnet sein und auf staatliche Zuschüsse oder Bürgschaften verzichten.
Der Darlehenshöchstbetrag soll laut Reiche bei 650 Euro im Monat für maximal zehn Semester liegen, die Laufzeit maximal 25 Jahre betragen. Die Belastungen in der Rückzahlungsphase sollten vertretbar, einkommensabhängig, eigenverantwortlich und unbürokratisch sein. Die Studierenden sollten je nach ihrer finanziellen Situation den Kredit ohne zusätzliche Kosten frühzeitig tilgen können.
Durch den geplanten Bildungskredit werden Studenten nach Berechnungen der staatlichen KfW-Förderbank bis zu 31.200 Euro Schulden anhäufen. Diese Zahl ergebe sich, wenn ein Student die volle Summe von 650 Euro pro Monat acht Semester lang ausschöpfe, berichtete die KfW am Donnerstag in Berlin. Hinzu kommen Zinsen bei einem Satz von rund fünf Prozent.
Zur Höhe betonte Reich: "Wir wollen nicht einen Lebensstandard finanzieren, der nicht unbedingt angemessen ist." Über das Kreditvolumen insgesamt habe die KfW noch "überhaupt gar keine Vorstellung". Mit dem Modell werde die Bank jedoch "ohne Bürgschaft und Inanspruchnahme der öffentlichen Hand starten".
Auch die Vergabe soll nach den Worten Reiches effizient und unbürokratisch verlaufen. Noch nicht geklärt sei, wer der Vertriebspartner werden solle. Denkbar seien Banken, Sparkassen, Studentenwerke oder die Hochschulen.
Reiche betonte, dass das Thema Studiengebühren bei den Überlegungen der KfW keine Rolle gespielt habe. Hauptzielgruppe des Darlehenssystems seien Studenten aus Familien mit einem Einkommen knapp über den Bafög-Höchstgrenzen. Da das Einkommen dieser Familien eine Studienfinanzierung nicht erlaube, fehle diese Gruppe an den Hochschulen weitgehend. Deutschland könne es sich aber nicht leisten, so viele Begabungen brach liegen zu lassen.
"Massive Verschuldung"
"Modell führt zu massiver Verschuldung"
Der KfW-Vorstandssprecher wies auch darauf hin, dass zwei von drei Studenten neben ihrem Studium jobben müssen. Bei vielen führe das zu einer Verlängerung der Studienzeit, bei manchen gar zum Abbruch des Studiums. Ein Darlehen für die Lebenshaltungskosten wie Miete, Lebensmittel und Bücher ermögliche es auch Studierenden aus einkommensschwächeren Familien, ohne Belastung ihrer Eltern ein Studium ihrer Wahl aufzunehmen und es zügig durchzuziehen. Der Zeitvorteil lasse sich auch unmittelbar in einen Geldvorteil umrechnen: Jedes gesparte Studienjahr bedeute für einen Akademiker 30.000 bis 40.000 Euro mehr Lebenseinkommen.
Lob vom Stifterverband
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft begrüßte das KfW-Modell. Es gebe erstmals eine Antwort darauf, wie Studiengebühren durch ein bundesweites Darlehensmodell so zu flankieren seien, dass keiner vom Studium abgehalten werde, erklärte Verbandspräsident Arend Oetker.
Demgegenüber reagierte das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren mit heftiger Ablehnung. Geschäftsführer Sascha Vogt forderte die Bundesregierung auf, das "unsoziale Programm" im KfW-Vorstand abzulehnen, da es den Weg für Studiengebühren ebne. Das Modell führe zu einer massiven Verschuldung.
Die Grünen kritisierten das Modell als bildungspolitisch "verheerend". Die bildungspolitische Fraktionssprecherin, Grietje Bettin, und Hochschulexpertin Monika Lazar befürchteten, Studenten würden sich "im Zweifel gegen ein Studium entscheiden". Die soziale Flankierung von Studiengebühren dürfe zudem nicht über Bundesmittel geleistet werden, da das Bundesverfassungsgericht den Ländern die alleinige Kompetenz dafür zugesprochen habe. Auch Bettins SPD-Kollege Jörg Tauss erklärte: "Für die Absicherung solcher Modelle durch Ausfallbürgschaften und Zinssubventionen stehen wir nicht zur Verfügung."