Mit der spektakulären Übernahme des Rivalen Compaq schrieb HP-Chefin Carleton "Carly" Fiorina Wirtschaftsgeschichte. Doch wegen fehlender Synergien und ihres starken Kontrollzwangs bekamen die Kritiker immer mehr Oberwasser. Nun musste Fiorina weichen - die Abfindung soll 21 Millionen Dollar betragen.
Hamburg - Es war nur ein kleines Indiz dafür, dass Carly Fiorinas Stern im Sinken begriffen ist. Vergangenen Oktober erreichte sie im Ranking der "Most Powerful Businesswomen" des US-Magazins "Fortune" nur den zweiten Platz, hinter Ebay-Chefin Meg Whitman. Zuvor stand Fiorina sieben Jahre - seit Bestehen der Liste - hintereinander auf Platz eins.
Zufall oder nicht? Gerade in den vergangenen Monaten spekulierten US-Medien zunehmend über Streitigkeiten zwischen ihr und dem Aufsichtsratsgremium. Nun ist die HP-Chefin mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Einem Rauswurf ist sie damit offenbar kurz zuvorgekommen. Nach einer Meldung des US-Nachrichtensenders CNN, die sich auf einen HP-Sprecher bezieht, geht Fiorina mit einer Abfindung von 21 Millionen Dollar.
Die Börse feierte den Rücktritt: Aktien von Hewlett-Packard (HP) haben am Mittwoch im vorbörslichen New Yorker Handel um 11,47 Prozent auf 22,45 Dollar zugelegt.
Als offiziellen Grund des Rückzugs nannte Fiorina Differenzen über die Strategie des Unternehmens. Ihr Interimsnachfolger wird Robert P. Wayman. Wayman ist seit sage und schreibe 36 Jahren im Computerkonzern und derzeit Finanzvorstand bei HP. Das Unternehmen suche ab sofort nach einem Vorstandsvorsitzenden, teilte HP mit.
In den vergangenen Wochen war spekuliert worden, dass HP-Chefin Fiorina Kompetenzen abgeben sollte. Bei einem Treffen der Unternehmensspitze in San Francisco sollen die Direktoren entschieden haben, die Macht stärker auf das gesamte Führungsteam zu verteilen. Fiorinas Verantwortung sollte dadurch begrenzt werden. Zur Begründung wurde ein Unternehmensinsider im "Wall Street Journal" zitiert: "Frau Fiorina hat ungeheure Fähigkeiten. Allerdings sollte sie nicht jeden Tag für alles Verantwortung haben. Sie will überall mitreden, aber das verlangsamt die Dinge."
Ende vergangenen Jahres wurde überdies bekannt, dass der Verwaltungsrat von HP bei drei verschiedenen Gelegenheiten über eine Aufspaltung des Unternehmens diskutiert hatte. Das Gremium sei jedoch jedes Mal einstimmig zu dem Entschluss gekommen, die Konzernstruktur beizubehalten, hieß es von Unternehmensseite. HP hatte bisher die Strategie gefahren, eine breite Produktpalette unter einem Dach anzubieten. Ganz im Gegensatz zum Konkurrenten IBM, der mit dem Verkauf seiner Personalcomputer-Sparte sein Portfolio konsolidiert hatte.
Als das "Superweib" (DER SPIEGEL) 1999 von Telekommunikationsausrüster Lucent zu HP abgeworben wurde, erwirtschaftete HP 47 Milliarden Dollar Umsatz. Heute liegt der Umsatz bei 80 Milliarden Dollar. Ein Großteil des Umsatzsprunges ist allerdings dem spektakulären Kauf des Konkurrenten Compaq geschuldet, den Fiorina im Mai 2002 gegen Widerstände von Mitgliedern der HP-Gründerfamilien durchpaukte. Damit ging sie als Architektin einer der größten Fusionen in der Geschichte der Informationstechnologie ein.
Doch die Compaq-Übernahme, die 24 Milliarden Dollar gekostet hatte, machte sich nach Meinung von Analysten nicht bezahlt. Investoren warten vergeblich auf Synergieeffekte, mit denen Fiorina die Fusion begründet hatte. Nach der Fusion lieferte die HP-Frontfrau im Wechsel schwächere und bessere Geschäftszahlen ab, mit denen das Anlegervertrauen nicht zurückgewonnen werden konnte.