Worldcom-Prozess "Lügen über Lügen"
Der Prozess um den größten Bilanzbetrug der US-Geschichte hat begonnen. Staatsanwälte und Verteidiger zeichnen ein höchst unterschiedliches Bild des Hauptangeklagten Bernard Ebbers.
New York - Im Prozess um den größten Bilanzbetrug in der amerikanischen Geschichte sind in New York die Eröffnungssalven gefeuert worden. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete den ehemaligen Worldcom-Chef Bernard Ebbers (63) vor Gericht als Lügner, der Mitarbeiter zum Betrug anstiftete und Investoren betrog. Der Verteidiger zeichnete dagegen das Bild eines unschuldigen Finanzlaien, der von seinem engsten Mitarbeiter hintergangen wurde.
Ebbers, Ex-Chef des einst zweitgrößten US-Telekomkonzerns, ist wegen Betrugs, Verschwörung und Falschaussage angeklagt. Ihm drohen 85 Jahre Haft. Der Prozess soll sechs bis acht Wochen dauern. Ebbers ließ bei den Eröffnungsplädoyers nach US-Medienberichten wenig Gefühlsregungen erkennen.
Der Telekomkonzern Worldcom war im Sommer 2002 nach beispiellosen Bilanzbetrügereien im Umfang von elf Milliarden Dollar zusammengebrochen. Das Unternehmen hatte Kosten verschwiegen und Erträge aufgebläht. Die Aktionäre verloren 180 Milliarden Dollar. Die Firma ist inzwischen saniert und als MCI Inc. wieder am Markt. Worldcom ist nur eines einer ganzen Reihe von US-Unternehmen, bei denen vor gut zwei Jahren Bilanzbetrügereien aufflogen. Der Kongress hat die Unternehmensaufsicht inzwischen drastisch verschärft.
Staatsanwalt David Anders warf Ebbers ab Oktober 2000 "Lügen über Lügen" über die Finanzlage des Unternehmens vor. "Ebbers wusste, dass WorldComs Bücher frisiert waren. Er wusste es, weil er das angeordnet hatte", sagte Anders nach Medienberichten. Ebbers habe den Aktienpreis stützen und seinen eigenen Reichtum schützen wollen.
Verteidiger Reid Weingarten sagte dagegen, Ebbers könne nicht für etwas verantwortlich gemacht werden, von dem er nichts gewusst habe. Sein Mandant sei ein Mann aus einfachen Verhältnissen, der von seinem Finanzchef Scott Sullivan hintergangen worden sei.
Sullivan ist der Kronzeuge der Anklage. Er hat den Betrug zugegeben und will gegen Ebbers aussagen. Wann er in den Zeugenstand tritt, war am Dienstag noch nicht abzusehen. Die Staatsanwaltschaft will auch den ehemaligen Finanzkontrolleur des Unternehmens, David Myers, aufrufen. Er hatte nach einem Bericht der Agentur Bloomberg bei Vernehmungen angegeben, das "oberste Management" habe ihn regelmäßig aufgefordert, die Bücher zu frisieren.