Karriere "Ratschläge sind oft Schläge"

Wenn ein Kollege einen "guten Rat" gibt, muss der Empfänger diesen nicht automatisch als angenehm empfinden. Häufig nerven auch gut gemeinte Tipps. Arbeitspsychologen wissen, wie man sich in diesen misslichen Lagen verhält.

Berlin - Ob im Büro oder zu Hause: Ungebetene Ratschläge sorgen schnell für Missstimmung. Nicht umsonst sagt der Volksmund "Ratschläge sind auch Schläge". Meist gut gemeint, verursachen sie beim Empfänger oft Magengrummeln, und nur zähneknirschend bedankt er sich beim Spender für den "tollen Tipp". Das Problem mit Ratschlägen ist, dass sie manchmal einen weiteren Hintergrund haben. "Oft steckt in einem Ratschlag ein Vorwurf oder eine Verhaltenskritik", weiß Gerd Reimann, Psychologe aus Potsdam. "Das kann vom Ratgeber beabsichtigt sein, muss es aber nicht."

Ratschläge werden vor allem als unangenehm empfunden, wenn sie dem Empfänger einen Mangel unterstellen. Dieser Effekt verstärke sich, wenn der Ratschlag ungebeten kommt. Ebenfalls negativ registriert würden Tipps, die dem Empfänger Angst machen oder ihn unter Druck setzen, sagt der Experte.

"Statt einfach Ratschläge zu verteilen, ist es besser, durch offene Fragen herauszufinden, wie der andere eine Situation beurteilt", rät der Diplompsychologe. Erzählt dieser dann tatsächlich von Problemen, könne man gegebenenfalls an einzelnen Punkten nachhaken oder einen Rat anbieten.

"Ungebetene Ratschläge kann man abwehren, indem man dem klugen Spender den Ball zurückspielt", so Reimann. Denkbar wäre zum Beispiel die Gegenfrage "Glaubst Du nicht, dass ich darüber noch nicht nachgedacht habe?" Oder man bedankt sich für den Rat und lobt den Ratgeber - fügt dann aber hinzu, dass man daran auch schon gedacht habe. Mit dieser Deeskalationstechnik bremst man ihn, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen.

Besonders in Beziehungen kann eine echte Krise entstehen, wenn einer der Partner immer wieder Ratschläge gibt. Franz Thurmaier, Leiter des Instituts für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie e.V., berichtet, dass sich "mit der Zeit die Rollen einschleifen, ohne dass es dem Paar bewusst wird". Doch irgendwann wird es zu viel, und während der aktive Partner sich ausgenutzt fühlt, kommt sich der passive schwach vor.

Wie gibt man richtig Ratschläge?

Niccolò Machiavelli und die ungefragten Tipps

Wenn der Partner zum Beispiel von Problemen im Beruf erzählt, sollte man sichergehen, dass er tatsächlich einen Ratschlag will, rät Thurmaier. Denn oft genug möchte er sich nur aussprechen. "Um das zu klären, sollte man ihn einfach fragen und auch die eigene Unsicherheit erwähnen", empfiehlt er.

Aber auch ein ungefragter Ratschlag lässt sich vermitteln, ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen. Denn wer kann schon zuschauen, wenn ein Kollege, Freund oder Verwandter sich unnötig abmüht oder kurz davor ist, einen Fehler zu machen.

Wenn man einen Ratschlag gibt, ist der "Ich-Bezug" wichtig, erklärt Thurmaier. "Denn solange ich bei mir selbst bin und von meinen eigenen Gefühlen spreche, kann ich den anderen nicht verletzen", weiß der Psychologe. Gleichzeitig sollte man sehr genau darlegen, was man wahrnimmt. Hier ist es ratsam, eine Verhaltensbeschreibung zu wählen und keine Eigenschaftszuweisung, betont er. Also besser "Ich habe das Gefühl, du hörst mir nicht richtig zu, wenn ich beim Abendessen über die Arbeit erzähle" statt "Du bist abends immer so unaufmerksam." Das sei für den Partner weniger verletzend. Schließlich kann der Partner sein Verhalten leichter ändern als eine negative Eigenschaft.

Das Problem mit den ungefragten Tipps ist nicht neu. "Nimm niemals einen Rat entgegen, wenn Du nicht gefragt hast", lautet einer der Ratschläge, die der verbannte italienische Politiker Niccolò Machiavelli (1469 - 1527) dem Fürsten seiner Heimatstadt Florenz gab - ungefragt. Und natürlich nutzte Machiavelli dieser Ratschlag gar nichts, er durfte trotz seiner klugen Hinweise nicht nach Hause zurückkehren.

Von ddp-Korrespondent Christoph D. Frieß

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