Hans-Peter Wild Herr Capri-Sonne
Hamburg - Es gibt nicht besonders viele Begebenheiten aus der Kindheit, an die sich die meisten Erwachsenen gleichermaßen erinnern. Der Gedanke an das eine oder andere Geburtstagsfest gehört sicherlich dazu oder der weihnachtliche Duft in der guten Stube der Großeltern.
Der Geruch von Sonnenmilch dagegen spült Bilder sommerlicher Strände und proppevoller Freibäder an die Oberfläche. Deren Aufenthalte waren üblicherweise von sauren Weingummis und Capri-Sonne gekrönt. Auch wenn sich die kulinarischen Neigungen im Laufe der Jahre geändert haben mögen - der Geschmack von Capri-Sonne, Tri-Top und Campino-Bonbons hat sich den meisten Menschen tief ins Gedächtnis gebrannt.
Die Objekte der kindlichen Begierde sind vielfach ebenso verschwunden wie die dazugehörigen Kioske. Hinter deren abgewetzten Resopaltresen stopften freundliche Rheinländer bunte Süßigkeiten aus Kugelgläsern in Spitztüten aus Papier, die dann gegen abgezählte, feuchtwarme Groschen in den Besitz glücklicher Kinder übergingen. Statt Frisko gibt es heute Sprite. Hubba-Bubba, Bonanza-Räder und Dolomiti haben ausgedient. Als eines der wenigen Relikte der siebziger Jahre strahlt allein die Capri-Sonne heller denn je zuvor.
Bis in den letzten Winkel der Welt
Verantwortlich für den Erfolg des Erfrischungsgetränkes aus dem unverwechselbaren Trinktüte ist Hans Peter Wild. In hundert Ländern weltweit wird das bekannteste Produkt aus dem Hause Wild mit Sitz in Eppelheim bei Heidelberg inzwischen in Lizenz hergestellt und vertrieben.
Aktuell gibt es Capri-Sonne in zehn verschiedenen Geschmacksrichtungen und nach Informationen des "Handelsblattes" bestätigen Marktforscher, dass das Erfrischungsgetränk bei Kindern bis zu einem Alter von zwölf Jahren den größten Bekanntheitsgrad bei fruchtigen Getränken genießt.
Von der Erfindung der Capri-Sonne bis zu ihrem internationalen Siegeszug war es allerdings ein weiter und steiniger Weg. Schon 1952 ließen sich die SiSi-Werke bei Heidelberg den Namen "Capri-Sonne" als Warenzeichen eintragen. Doch erst knapp zwei Jahrzehnte später tauchte das dazugehörige Produkt auch in den Regalen der Einzelhändler auf. Das Problem: Geschmacksstabilität und Keimfreiheit konnten erst durch den Einsatz moderner Maschinen gewährleistet werden. Deren Entwicklung war den Ingenieuren von Wild senior Ende der sechziger Jahre schließlich geglückt.
Der Markenmacher
Der Markenmacher
Bis dahin hatte sich die Unternehmensgruppe vor allem mit der Herstellung von natürlichen Aromen und Fruchtzubereitungen beschäftigt. Noch immer macht dieser Geschäftsbereich rund 80 Prozent des Umsatzes von knapp einer Milliarde Euro aus.
Das 1932 gegründete Unternehmen ist nach eigenen Angaben weltweit führend bei Grundstoffen für die Getränke- und Lebensmittelindustrie. Die Liste der Kunden liest sich wie das Who-is-Who des Lebensmittelhandels: Ob Nestlé oder Unilever, Haribo oder Dr. Oetker - Hans-Peter Wild liefert die Basis für die Erfolgsgeschichten der großen Marken.
In die Wiege gelegt wurde ihm der Erfolg allerdings nicht. 1941 in Heidelberg geboren, studierte Wild zunächst in München und Tübingen Jura. Nach dem Zweitstudium der Betriebswirtschaftslehre promovierte er und rundete seine Ausbildung mit Auslandssemestern in Cambridge und an der Sorbonne ab. Seinen ersten Job nimmt Wild junior 1969 als Assistent der Geschäftsleitung bei der Unternehmensgruppe Diersch und Schröder in Bremen an. Schon nach einem Jahr wird er Geschäftsführer für den Bereich "Mineralöl, Chemie und Reederei". 1974 steigt Wild bei der Firma seines Vaters ein und baut das internationale Geschäft der Gruppe aus.
Die Söhne zögern noch
Als sein Vater im September 1995 im Alter von 91 Jahren stirbt, wird die Neuordnung der Gruppe vollzogen. Sein Bruder Rainer will nicht in die väterliche Firma eintreten und erhält 24,5 Prozent der Anteile als stiller Teilhaber. 25 Prozent verbleiben bei Leoni Wild, der Grande Dame des Hauses. Noch heute schätzt der Chef der Unternehmensgruppe den Rat seiner hochbetagten Mutter, die während des Zweiten Weltkrieges selbst die Leitung des Familienbetriebs übernommen hatte.
Seit Anfang des Jahres ist Wild in einen weiteren Geschäftsbereich vorgestoßen: mit einer neuen Produktlinie will er versuchen, Soja-Getränke im Fitness- und Wellness-Bereich zu etablieren. "Wir wollen Soja aus der Nische Reformhaus herausholen", sagt Wild. Produziert wird der Fitness-Trunk in Schwerin, der Vertrieb läuft parallel zum Capri-Sonne-Verkauf in Eppelheim. "Capri-Sonne ist der Türöffner für den Vertrieb", betont Wild. Geplant sei, die Soja-Linie in ganz Europa in die Kühlregale zu bekommen. Die Gewinnschwelle mit der neuen Marke soll in drei Jahren erreicht werden.
Während Wild fleißig an neuen Projekten tüftelt, bleibt die Nachfolgefrage im eigenen Unternehmen bislang ungeklärt. Die beiden Söhne des 62-Jährigen sind zwar auch Unternehmer, aber in einer anderen Branche. Bisher hat der Nachwuchs kein Interesse am väterlichen Unternehmen bekundet. Und "mit vorgehaltener Waffe", sagte Wild zuletzt gegenüber dem "Handelsblatt" resigniert, "kann ich erwachsene Männer nicht zum Eintritt in die väterliche Firma zwingen."