Martine Dornier-Tiefenthaler Wie Daimler-Benz vorgeführt wurde
Hamburg - Pionierleistungen haben Tradition im Hause Dornier. 1929 ging der deutsche Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier mit dem größten Flugboot der Welt in die Luftfahrtgeschichte ein, mit der Do X. Jahrzehnte später machte Martine Dornier-Tiefenthaler Furore, indem sie gestandene Daimler-Manager grandios über den Tisch zog.
Rückblende: Als es zehn Jahre nach Kriegsende in der Bundesrepublik Deutschland wieder gestattet ist, Flugzeuge zu bauen, tritt Claudius Dornier, ältester Sohn des Patriarchen und ebenfalls ambitionierter Flugzeugbauer, in die Geschäftsführung der Dornier Gesellschaften ein. Gemeinsam wirken er und sein Vater am Wiederaufbau der zivilen Luftfahrtindustrie des Landes mit und führen Dornier zu neuer Größe.
Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1969 - Dornier junior trägt schon seit geraumer Zeit die Verantwortung für das Unternehmen - beginnt das Gezanke in der Familie, die der Senior stets mit eiserner Hand zusammengehalten hatte. Anfangs gelingt es auch Claudius Dornier, der das "kalkulierte Risiko" schätzt und bewusst auf die "ganz großen Dinger" verzichtet, die Ruhe in der Firma zu wahren. Unerwartet erfolgreich ist seine Strategie der Diversifikation.
So fügt Dornier dem Produktionsprogramm des Luft- und Raumfahrtunternehmens in den 70er Jahren sukzessive die Sparten Elektronik und Logistik, Wartung und Betreuung sowie Textil- und Sondermaschinen hinzu - der Grund für die wirtschaftlichen Luftlöcher, die das Unternehmen in den 90er Jahren durchfliegen soll. Doch zu diesem Zeitpunkt wird Dornier der Familie nicht mehr gehören.
Als Claudius zu Beginn der 80er durch gesellschaftsrechtliche Umschichtungen in die Stimmenminderheit gerät, sind seine Tage im Management gezählt. Mehr noch, der Geschasste signalisiert erstmals Bereitschaft, sich von seinen Anteilen zu trennen.
Geblendet von Reuters Visionen
Geblendet von Reuters Visionen
1984/85 steuern die Querelen in der Familie, deren Dornier-Gruppe inzwischen annähernd 9000 Beschäftigte zählt und rund 1,5 Milliarden Mark erlöst, ihrem Höhepunkt entgegen.
In der Branche hoch angesehene Vorstände wie etwa Bernhard Schmidt und Manfred Fischer werden von der zerstrittenen Sippe kurzerhand gefeuert. Man trifft sich vor Gericht wieder. Der Ruf der Firma droht ernsthaft beschädigt zu werden und auch im Betrieb werden Stimmen lauter, die nach einer dauerhaften Bereinigung der Führungskrise verlangen.
Einer wird besonders hellhörig: Daimler-Benz-Vorstand Edzard Reuter, in jenen Tagen von der Vision umgetrieben, aus der Stuttgarter Automobilfirma einen integrierten Technologiekonzern zu formen.
Reuter tritt mit den Dorniers in Verhandlungen und erwirbt 1985 für stolze 440 Millionen Mark die Mehrheit am traditionsreichen Familienunternehmen. Doch als die Konzernstrategen drei Jahre später darangehen, ihre Neuerwerbung umzustrukturieren, stellen sie fest, mitnichten Herr im Hause Dornier zu sein.
570 Millionen - steuerfrei
Es beginnt eine Pokerpartie, in der Martine Dornier-Tiefenthaler die Daimler-Vorstände grandios abzocken wird. Der Cleverness dieser jungen und blitzgescheiten Wirtschaftsanwältin sind die Herren Konzernlenker schlicht nicht gewachsen. So gelingt es der Unterhändlerin der Erben, sich die gewünschte "industrielle Führung der Dornier GmbH" fürstlich entlohnen zu lassen.
Für den Verzicht auf ihre Widerspruchsmöglichkeiten kassiert die Familie insgesamt noch einmal 570 Millionen Mark - steuerfrei. Denn Dornier-Tiefenthaler hatte unter anderem festschreiben lassen, dass "für die Erben der Gesamtbetrag ohne jedwede Steuerbelastung bleibt." Etwaige Forderungen des Fiskus würden zu Lasten von Daimler-Benz gehen. Und zudem garantieren die Stuttgarter den Nachfahren Claude Dorniers für deren verbliebene Anteile eine Mindestdividende von 15 Prozent - ganz gleich, ob die Firma Gewinne oder Verluste schreibt.
Die Krönung waren die Anwaltskosten
Die Krönung waren die Anwaltskosten
Später war Dornier-Tiefenthaler nicht immer so viel Fortune vergönnt. In jahrelangen Schiedsverfahren unterlag sie meist dem aktuellen Eigner von Dornier, dem EADS-Konzern. Das hindert sie nicht daran, die jüngst beschlossene Neuordnung der EADS-Rüstungssparte anzufechten. Gegen den Plan, das komplette Dornier-Rüstungsgeschäft auf die Zwischengesellschaft EADS Deutschland zu übertragen, kündigte sie massiven Widerstand an.
Wie weit auch immer sie damit kommen wird - niemand kann ihr streitig machen, mit ihrem wohl einmaligen Coup einen Weltkonzern öffentlich vorgeführt und zum Goldesel ihrer Sippe gemacht zu haben.
Auch die Krönung dieses Kabinettstücks soll nicht unerwähnt bleiben: Frau Rechtsanwältin ließ sich damals schließlich zusichern, dass alle Kosten der juristischen Beratung, die den von ihr höchstpersönlich vertretenen Dorniers entstanden, von Daimler-Benz getragen wurden. So erlaubte sie sich, dem Konzern abschließend rund zehn Millionen Mark Honorar in Rechnung zu stellen - irgendwie auch eine echte Pionierleistung.
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