Malik-Kolumne Abkehr vom US-Paradigma
Im Februar schrieb ich in dieser Kolumne, dass ein Alternativszenario zur Mainstream-Meinung nötig sei, das von fallenden Aktienkursen, Immobilien und Edelmetallen ausgehe, von steigenden Zinsen und einer generellen Verschärfung der Rezession, also vom Gegenteil der zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden und im Wesentlichen noch immer vertretenen Auffassung USA, Klotz am Bein.
Die bisherigen Hochs waren im Dow Jones Industrials am 19. Februar beziehungsweise 6. April 2004, im S&P 500 am 5. März und im Nasdaq Composite am 5. April 2004. Gold sinkt seit dem 10. April und Silber seit dem 2. April dieses Jahres. Die Treasury Bonds sind seit dem 17. März beziehungsweise 24. März 2004 deutlich gefallen, die Zinsen also gestiegen. Auch die amerikanischen Immobilien haben gedreht, womit die Gefahr gestiegen ist, dass sowohl die Bond-Blase als auch die Real Estate-Bubble zu Ende sind und eine möglicherweise jahrelange Asset-Deflation bevorsteht.
Damit scheint mir die Richtung für die nächste Zeit vorgegeben zu sein. Es hat, wie ich mehrfach darlegte, etwas Geduld gebraucht, bis die Trendwenden in den verschiedenen Märkten vollzogen waren.
Die schlechten Nachrichten werden sich häufen
Am Grundszenario, dass ein lange dauernder Bärenmarkt begonnen hat, hatte ich in den vergangenen zwölf Monaten keine Zweifel. Die Kursanstiege der Aktien seit März 2003 waren Korrekturbewegungen zum Bärenmarkt und nicht der Wiederbeginn des Bullenmarktes der 90er Jahre. Das wird meines Erachtens auch der Charakter weiterer Erholungsphasen sein, die in einem Bärenmarkt heftiger sein können, als die Korrekturen eines Bullenmarktes.
Der Unfug von der "asset-based wealth-driven economy", der von den Mainstream-Ökonomen in den USA vertreten wird, wird in den nächsten zwölf bis 36 Monaten sichtbar werden. Die Strukturschwächen der US-Wirtschaft werden voll aufbrechen. Die schlechten Nachrichten werden sich häufen, und selbst gute Nachrichten werden - für Unkundige überraschend - keine positive Wirkung auf die Märkte mehr haben.
Eine ausführliche Analyse der US-Wirtschaft habe ich andernorts vorgelegt (siehe Management Zentrum St. Gallen, Wirtschaftslage 2004: "Amerika ist keine Wirtschaftslokomotive") sowie Management Zentrum St. Gallen, Wirtschaftslage 2004: "Amerika ist keine Wirtschaftslokomotive, Teil 2") .
MBA - "Mediocre But Arrogant"
MBA - "Mediocre But Arrogant"
Eine Folge der Korrekturen wird sein, dass damit höchstwahrscheinlich auch das Ende des amerikanischen Managementparadigmas begonnen hat. Der Schwanengesang wird seine Zeit dauern, aber der Anfang ist gemacht.
Eine ganze Generation jüngerer Manager hat nichts anderes gelernt, als die Klischees der MBA-Programme. "Mediocre But Arrogant", hat selbst der berühmteste amerikanische Manager dazu einmal gesagt.
Sie werden nun lernen müssen, dass die Führung eines Unternehmens nicht aus dem Lösen von Fallstudien besteht, sondern aus dessen Gegenteil, nämlich zu erkennen, wo sich welcher Fall zusammenbrauen könnte. Wenn alles schön sauber in einer Fallstudie niedergelegt werden kann, ist ein Problem kein Problem mehr, sondern nur noch der Vollzug von Arbeit.
Die ultimativen Wahrheiten sind Desorientierungsgrößen
Wenn man einen Business Plan à la Business School machen kann, haben andere das Geschäft längst gemacht. Business Administration ist, was der Name sagt, Verwaltung, aber nicht antizipierendes unternehmerisches, gar strategisches Handeln.
- Kommentar:Deutschland kann nicht so schnell wachsen wie Amerika
- Kolumnist:Alle Malik-Kolumnen bei mm.de
Diese Generation wird die Erfahrung machen, dass die als ultimative Wahrheiten rund um die Welt propagierten Orientierungsgrößen - Shareholder, Stakeholder, Wertsteigerung - tatsächlich Desorientierungsgrößen sind. Daher sind Orientierungs- und Ratlosigkeit schon jetzt in den Führungsetagen zu sehen - immer weniger gut kaschierbar, wenn auch noch immer mit Imponiergehabe übertüncht.
Die Jüngeren haben noch Zeit umzulernen. Es wird hart für sie sein, aber immerhin möglich. Die bereits Älteren, die durch dieselbe Schule gegangen sind, sich indoktrinieren ließen oder einfach anpassen mussten, werden wenig Zeit zum Umlernen haben. Das Wichtigste für alle wird sein, rasch die kollektiven Verirrungen zu erkennen und sich mit den Alternativen zu befassen.