Maria-Elisabeth Schaeffler Die listige Witwe
Hamburg - Herzogenaurach gleicht eigentlich einem typischen Frankenstädtchen. Am Ortsrand finden sich die gleichen austauschbaren Verbrauchermärkte und kleinere Gewerbebetriebe. Der alte Stadtkern glänzt herausgeputzt. Straßen, Gassen und Plätze sind gepflastert und umgeben von alten Fachwerkhäusern. Herzogenaurach beheimatet ein barockes Schloss, zwei sehenswerte Kirchen, zwei alte Wehrtürme und kleine Museen.
Im Gegensatz zu anderen Mittelfrankenorten besticht Herzogenaurach aber gleich mit drei Konzernen, von denen zwei den Glamour der großen weiten Welt in die Kleinstadt fächeln: Puma und Adidas. Die Sportsgiganten ziehen Olympiasieger und Weltmeister an, Prominenz aus Sport, Politik und Showbusiness puttet bei einem von Adidas jährlich ausgerichteten Golfturnier ein.
Adidas und Puma, die durch gläserne Unternehmenszentralen auffallen, sind die Kür. Die INA Schaeffler KG hingegen ist die Pflicht. Allein 7.500 Menschen arbeiten in der mittelfränkischen Idylle für den Wälzlagerhersteller, der sich mit Produktionshallen in der Stadt breit gemacht hat. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Herzogenaurachs von dem Weltkonzern könnte nicht größer sein. Wie sagte Bürgermeister Hans Lang einst? - "Wenn Schaeffler Schnupfen hat, leidet die Stadt an Lungenentzündung".
Dass große Unternehmen nicht notwendigerweise einen hohen Bekanntheitsgrad haben müssen, zeigt sich im Vergleich von Puma, Adidas und der INA Schaeffler KG. Während Puma (Umsatz in 2003: 1,7 Milliarden Euro) und Adidas (Umsatz in 2003: 6,2 Milliarden Euro) mit ihren hippen Konsumartikeln nicht nur bei sportsbegeisterten Teenager das Maß aller Dinge sind, bewegt sich INAs Berühmtheitsgrad in deutlich tieferen Ebenen.
Kein Wunder eigentlich. Die INA Schaeffler KG, immerhin mit mehr als 54.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa sieben Milliarden Euro eines der 50 größten Unternehmen Deutschlands, stellt Dinge her, die den Charme eines Autoauspuffes versprühen. Wie zum Beispiel Nadelkränze, Vierpunktlager, Zylinderträger, Spannhülsen und nicht zu vergessen Axial-Radial-Rollenlager. Die Reihe ließe sich weit fortsetzen - 40.000 Artikel umfasst der Katalog, der dick wie zwei Telefonbücher ist. Vieles davon findet sich später einmal in Autos wieder und erfreut den Fahrer, wenn zum Beispiel der Schaltknüppel weich einrastet.
Familienfirma schluckt MDax-Konzern
Die Firmeninhaberin weiß um die Glanzlosigkeit von dem, was ihre Angestellten täglich produzieren. "Ein Wälzlager schenkt nun mal keiner seiner Frau zu Weihnachten", begründete Maria-Elisabeth Schaeffler in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" den Unbekanntheitsgrad des Konzerns. Zusammen mit ihrem Sohn Georg Schaeffler führt sie Deutschlands unsichtbarstes Großunternehmen. Den Olymp der Macht bestiegen beide 1996. Zu diesem Zeitpunkt allerdings völlig unerwartet.
Einige Jahre nach der Inthronisierung von Maria-Elisabeth stand der Weltkonzern dann plötzlich doch im Lichte der Öffentlichkeit. Nicht ohne das Zutun der Firmenmutter selbst. Denn im September 2001 gab sie den Startschuss zur feindlichen Übernahme des börsennotierten Konkurrenzunternehmens FAG Kugelfischer durch ihren Familienkonzern INA ab. Ein Novum in der deutschen Industriegeschichte.
Fünf Wochen tobte der Übernahmekampf. Das FAG-Management strampelte und sträubte sich wie es nur konnte und lehnte die Offerte brüsk ab. Bald darauf buhlten die Beteiligten mit wochenlangen Anzeigenkampagnen um die Gunst der Aktionäre. Der Sieger hieß Schaefflers Familienunternehmen INA. Den Ausschlag gab der formidable Preis, den INA den FAG-Aktionären bot. Um ganz sicher zu gehen, griff Maria-Elisabeth Schaeffler in ihre Privatschatulle und kaufte damals mindestens sieben Prozent der FAG-Aktien.
Der Ruf der "guten Mutter" wird gepflegt
Das gestreute Gerücht, Schaefflers Familienunternehmen wolle den MDax-Konzern FAG Kugelfischer ausschlachten, wischte die blonde, elegante Geschäftsfrau gleich vom Tisch. FAG-Arbeitnehmervertreter konnten sich alsbald überzeugten, dass INA kein amerikanischer Raider ist, sondern ein traditionsreiches Familienunternehmen mit Pensionärstreffen, Betriebssport und der lebenslustigen Frau Schaeffler als "guter Mutter" der INA-Familie.
Den Ruf der "guten Mutter" pflegt die heimatverbundene Schaeffler tatkräftig. Sie setzt sich gern für soziale Anliegen ein, unter anderem finanzierte sie die Suche nach einem Knochenmarkspender für einen an Leukämie erkrankten Mitarbeiter. Sie ergreift auf Betriebsversammlungen gerne das Mikrofon und sucht zu vielen Mitarbeitern den persönlichen Kontakt.
Auch außerhalb der Unternehmensgrenzen legt sie eine rege Arbeitstätigkeit an den Tag. Sie ist Mitglied im Roten Kreuz, dem Hochschulrat der Universität von Nürnberg-Erlangen und der Gesellschaft der Opernfreunde. Anders als ihre Vorfahren betreibt sie auch Lobbyarbeit für die Branche - seit vier Jahren amtiert sie als Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer Nürnberg. Vielleicht rückt im Oktober sogar an die Spitze des VDMA, den Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.
"Mit einem Schmusekurs nicht weiter"
"Mit einem Schmusekurs kommt man nicht weiter"
Ihre Reputation als umsorgende Firmenmutter zeigte sich konkret gleich nach der FAG-Übernahme. Den besorgten FAG-Arbeitnehmern gab sie damals die befristete Arbeitsplatzgarantie schriftlich: Bis 2004 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Diesen August wird wieder für die kommenden Jahre verhandelt.
Schaeffler hat indes bewiesen, dass sie Konflikte durchsteht. Denn völlig spurlos ging die Übernahmeschlacht auch an der als sehr durchsetzungsfähig beschriebene Geschäftsfrau nicht vorbei. Die Familienerbin ließ in einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag" ihren Gefühlen freien Lauf. "Mir standen die Haare zu Berge", gestand sie in Bezug auf die Vorwürfe, INA würde FAG ausschlachten. Praktisch im gleichen Atemzug kehrte sie ihre andere Seite heraus: "Mit einem Schmusekurs kommt man in dieser Welt nicht weiter."
Für ihre Durchsetzungsfähigkeit ist die gebürtige Wienerin, Jahrgang 1941, mittlerweile über die mittelfränkischen Grenzen hinaus bekannt geworden. Ihr Einstieg in den 1946 gegründeten Weltkonzern - sie heiratete in den frühen sechziger Jahren mit Georg Schaeffler einen der Firmengründer - verlief eher vorsichtig.
Wälzlager? - "Da muss ich passen"
Vorrang hatte die Erziehung ihres Sohnes Georg hört. Beruflich setzte sie mit einem Medizin-Studium zunächst andere Schwerpunkte. Als ihr Sohn flügge wurde, wuchs der Wunsch, sich doch im Unternehmen zu engagieren. Eine Art Ausbildung absolvierte sie schließlich bei ihrem Ehemann und lernte unter anderem, dass ohne die hergestellten Wälzlager kein Motor und kein Rad der Welt rollt.
Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1996 übernahm sie das Zepter. Filius Georg zog es vor, als Rechtsanwalt in einer der größten Sozietäten im Südwesten der USA zu arbeiten und sich aus dem Tagesgeschäft bei der INA Schaeffler-Gruppe herauszuhalten. Gelegentlich erscheint er zu Betriebsversammlungen. Die Entscheidung des Sohnes war für Mutter Schaeffler kein Problem. "Er soll das tun, wofür er eine große Begabung hat. Ich habe ihm diese Freiheit gewährt."
An ihrem Ansinnen, das Erbe ihres Mannes fortzuführen, besteht kein Zweifel. Unternehmensangehörige sprechen sogar davon, dass sie dabei wie "besessen" arbeitet, und die Fortführung des Erbes sogar zu ihrem Lebenswerk gemacht hat. Ihr Motto: Man muss 200 Prozent besessen sein, um annähernd 100 Prozent zu erreichen. Dabei gibt sie unumwunden zu, dass ihr technisches Interesse eher auf kleiner Flamme köchelt. Ob sie was von Walzlägern verstehe? - "Da muss ich passen", sagt sie noch heute. Viel wichtiger sei es, dass die Zahlen stimmen.
Und so lange die stimmen, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Maria-Elisabeth Schaeffler hinter den Kulissen eines weithin unbekannten Weltkonzerns erfolgreich die Strippen zieht.
Deutschlands Unternehmer: Alle Porträts