Haribo-Chef Hans Riegel König der Gummibärchen
Nicht alle Gummibärchen schaffen den Weg in die Tüte. Nicht an Thomas Gottschalk scheitern sie, der ihnen einen Bären aufbindet, sondern an Hans Riegel, dem Herrscher über Milliarden Weingummis und 6000 Mitarbeiter bei Haribo.
Der steht am Ende eines Fließbands und greift immer wieder zu. Fast mechanisch langt seine Hand aufs Band und stopft sich einige Gummitiere in den Mund. Vier Bärchen, eine Lakritzschnecke - das ist die ideale Kombination, so Riegel.
Riegel (80) kann nicht genug davon bekommen: nicht von den Goldbären, Weingummis und Cola-Fläschchen. Nicht von den Lakritzschnecken, Salinos und Maoam. Und erst recht nicht von der Firma, die er seit 57 Jahren führt. Das Unternehmen, 1920 von seinem Vater Hans Riegel in Bonn (daher: Ha-Ri-Bo) gegründet, ist bei Lakritzen und Fruchtgummis die Nummer eins in Deutschland (Marktanteil: rund 60 Prozent) und Europa. Fast eineinhalb Milliarden Euro Umsatz, schätzt die Branche, kommen so jedes Jahr zusammen.
Grau ist alle Managementtheorie
Die Gummigruppe vom Rhein ist ein großes Geheimnis. Hans Riegel und sein Bruder Paul, die jeweils eine Firmenhälfte besitzen, halten die Geschäftszahlen so verborgen wie das vom Vater hinterlassene Rezept der Bärchen. Nur soviel ist sicher: Haribo macht die Brüder froh. Zwar geht es ihrer Branche seit langem schlecht; auch 2003 sind die Umsätze nur geringfügig gestiegen. Doch bei den Bonnern läuft es prächtig. Der Umsatz legte 2003, wie in den Vorjahren, zweistellig zu.
Ein Phänomen, denn eigentlich dürfte es ein Unternehmen wie Haribo gar nicht mehr geben. Managementtheoretiker müssten an den Hausbräuchen der Goldbären verzweifeln, Unternehmensberater entnervt das Weite suchen, ließe Hans Riegel - was nicht wahrscheinlich ist - solche Leute je das Haus betreten.
Fast wie ein Monarch regiert er sein Imperium. Jeden Tag treten seine Abteilungsleiter im Chefbüro zum Einzelgespräch an. Riegel händigt ihnen dann persönlich ihre Post aus und diskutiert anhand der Briefe die Probleme und Aufgaben der jeweiligen Abteilung. "So bin ich immer im Bilde, was läuft", rechtfertigt Riegel seinen eigenwilligen Führungsstil.
Tradition à la Gottschalk
Tradition à la Gottschalk
So alt wie die Holzvertäfelung seines Büros wirken auch andere Methoden des Chefs. Eine Marketingabteilung zum Beispiel gibt es in dem Konzern, der über 200 Produkte im Sortiment hält, nicht.
Der Patriarch macht das alles selbst, und er macht es nicht schlecht: Am Slogan "Haribo macht Kinder froh", in den 30ern entstanden, hält Riegel stur bis heute fest; nur eine geschäftstüchtige Ergänzung ("und Erwachsene ebenso") kam in den 60er Jahren dazu. Die Urform der Werbebotschaft erwarb Riegel senior schon in den 30er Jahren für zehn Reichsmark von einem fliegenden Händler.
Thomas Gottschalk dagegen hat Riegel seit zwölf Jahren als Werbeträger unter Vertrag; dessen Spots zählen zu den bekanntesten im deutschen Fernsehen. Für seine Verdienste, berichten Insider, erhält Gottschalk eine Million Euro.
Ich will Spaß, ich geb' Gas
"Die Arbeit ist mir das Wichtigste", sagte Riegel vor Jahren gegenüber dem SPIEGEL, doch gleich danach kommt der Spaß; viele der Mitarbeiter von Haribo haben daran teil. Noch heute steuert der 80-Jährige seinen Hubschrauber - Kennzeichen: D-HARI - selbst und fliegt mit Angestellten zu einem der 16 Werke in Europa. Der Pool, den er für seine Mitarbeiter baggern ließ, dient heute allerdings als Löschwasserteich. Die Stadt Bonn wollte Riegel zur Einstellung eines Bademeisters vergattern. Das war dem Haribo-Chef dann doch zuviel.
Unternehmer wie ihn gibt es heute kaum noch: Der Patriarch sorgt für seine Leute, richtet ihre Feste aus, und besser als die Branche zahlt er auch. Was braucht er da einen Arbeitgeberverband, Tarifverträge und Gewerkschaft? Als die 1998 erstmals einen eigenen Mann im Betriebsrat durchbrachte, war Riegel verstimmt - die erste Betriebsversammlung der Firmengeschichte fand freitags nach Schichtende statt, in der Tiefgarage.
"Ohne Haribo hat mein Leben keinen Sinn"
"Ohne Haribo hat mein Leben keinen Sinn"
Auch ein Controlling gab es jahrzehntelang nicht; Riegel zog seine Postbesprechungen vor und setzte ansonsten auf Vertrauen und Sympathie.
So ist erst vor wenigen Jahren aufgeflogen, dass sein damaliger Personalchef, Mitglied im Saunaclub, rund 14 Millionen Mark veruntreut hatte.
"Die Firma ist eben sehr groß geworden", sagt ihr Chef fast bedauernd, weil seine Ideen nicht mehr so schnell umgesetzt werden, seine Spontaneität gebremst wird. Riegel resigniert: "Heute geht das nicht mehr anders."
Externe Manager dürften später einmal, so mutmaßte Riegel noch vor wenigen Jahren, das Kommando übernehmen. Unterdessen nennt er immer häufiger seinen Neffen Hans-Jürgen Riegel als potenziellen Kronprinzen - er ist derjenige der drei Söhne von Paul Riegel, der den strengen Anforderungen des Haribo-Patriarchen genügt. Um den Namen der Firma nicht zu gefährden, taufte Paul alle seine Stammhalter auf den Namen "Hans".
"So lange mich der liebe Gott lässt, mach' ich weiter"
Das letzte Wort in der Unternehmensnachfolge ist jedoch noch nicht gesprochen. Bisher leitet Riegel junior die Werke in Frankreich - erfolgreich, wie ihm sein Onkel bescheinigt. "Ich denke, Hans-Jürgen ist der Einzige, der in der Lage ist, Haribo weiterzuführen", wiegelte Riegel kürzlich in einem Interview ab. Vorläufig aber ist kein Ende der Ära Hans Riegel in Sicht. "So lange mich der liebe Gott lässt, mach' ich weiter. Ich liebe meine Arbeit."
Weil das Unternehmen mich braucht, würde jeder sagen, der nicht loslassen kann. "Weil mein Leben dann keinen Sinn mehr hätte", räumt Riegel ein. "Ohne die Firma", sagt der Patriarch, "würde ich krank."
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