Walt Disney Die letzte Schlacht um Entenhausen
Los Angeles - Wenn's ums Geschäft geht, kennt Michael Eisner keine Gnade. Selbst engste Freunde lässt der Disney-Chef fallen, so er das für nötig hält.
Zum Beispiel seinen alten Kumpel Michael Ovitz, den er 1996 als Präsident des Konzerns persönlich feuerte. Der Bruch zwischen Eisner und Ovitz ist längst Hollywood-Legende, die jedoch in diesen Tagen, da Eisner selbst um sein Amt kämpft, neue Brisanz erhält: Erst jetzt nämlich kamen die Details jenes Zwists an die Öffentlichkeit.
"Ich will, dass dies so schnell wie möglich zu Ende geht", schrieb Eisner im November 1996 in seinem Kündigungsbrief an Ovitz kühl. "Ich will, dass du deine Energie fortan darauf verwendest, wie du abtrittst, und nicht mehr darauf, wie du die Dinge verbessern kannst."
Dass dieses acht Jahre lang geheim gehaltene Schreiben - in dem Eisner den Freund züchtigt, "zu den meisten Terminen zu spät gekommen" zu sein - ausgerechnet jetzt bekannt wurde, ist kein Zufall. Lanciert hat es eine Aktionärsvereinigung, die Eisner bei der Disney-Hauptversammlung am Mittwoch dieser Woche stürzen will. Sie sind nicht die einzigen: Über ein halbes Dutzend Anlegergruppen und staatliche Pensionfonds haben inzwischen angekündigt, dem CEO die Wiederwahl zu verweigern. Experten schätzen, dass Eisner mit über 30 Prozent Nein-Stimmen rechnen kann. Das wäre der Todesstoß für den Konzernboss, der sich zwei Jahrzehnte lang gegen alle hausinterne Revolten hat wehren können.
Immer mehr Aktionäre werden abtrünnig
So vollendet sich für Eisner ein Schicksalskreis: Der Medien-Titan, dem sie hier nachsagen, er gehe eiskalt über Leichen, droht nun selbst ein Opfer jenes brutalen Milliarden-Geschäfts zu werden, das sich Entertainment nennt.
Selten zuvor war eine Hauptversammlung für Disney entscheidender. Denn am Schicksal Eisners hängt auch die Zukunft des gesamten Konzerns. Kabelgigant Comcast begründet seinen Übernahmeversuch ja mit dem selben Argument wie die Aufständischen ihren Kampf gegen Eisner - mit der seit Jahren trüben Lage des Konzerns. Ein Sieg der Rebellen würde es Hollywood erschweren, die Comcast-Attacke abzuwehren, erst recht mit einer geschwächten Disney-Führung. Comcast, so ist zu hören, warte deshalb geduldig den Mittwoch ab.
Eisners Gegner - angeführt von Ex-Board-Mitglied Roy Disney, dem letzten lebenden Neffen Walt Disneys und einem ewigen Rivalen Eisners - haben jedenfalls mehr Aussicht auf Erfolg denn je. In den letzten Tagen sind immer mehr Disney-Shareholder abtrünnig geworden. "Wir haben völlig das Vertrauen in Mr. Eisners strategische Vision und Führungskraft verloren", erklärte etwa Sean Harrigan, der Präsident des kalifornische Pensionsfonds Calpers, eines der größten Disney-Anteilseigner. Auch der Lehrerpensionsfond, noch so ein Mega-Wählerblock aus Kalifornien, entzog Eisner das Votum. Die beiden Fonds verfügen über insgesamt 17,9 Millionen Disney-Anteile.
Palastrevolte ohne Thronfolger
Misstrauensvotum von 30 Prozent?
Damit folgten die kalifornischen Fonds ihren Kollegen aus North Carolina, New York, New Jersey, Connecticut, Massachusetts und Virginia. Auch das Bankhaus T. Rowe Price hat öffentlich angekündigt, die Stimmkraft seiner 19,3 Millionen Disney-Aktien gegen Eisner zu verwenden - eine ungewöhnliche Mitteilung, da institutionelle Shareholder sonst selten über ihr Stimmverhalten vorab Auskunft geben.
Ob das reicht, um Eisner formell abzuwählen, ist fraglich, zumal am Mittwoch offiziell kein Gegenkandidat gegen ihn antritt. "Dies ist eindeutig ein Ausdruck von Frustration über die Vorfälle der letzten zehn Jahre", sagt Medienanalyst Tom Wolzien. "Ob das aber einen praktischen Effekt hat, bleibt unklar."
Börsenexperten gehen davon aus, dass ein Misstrauensvotum von 30 Prozent genügen würde, um Eisner zum Rücktritt zu zwingen. Eine andere Option: Das Board könnte seine Ämter aufteilen, denn bisher ist Eisner Chairman und CEO in Personalunion. Doch vorher haben die Revoluzzer noch ein anderes Problem: Sie haben nämlich keinen Nachfolger für die Disney-Spitze parat.
Die logische Wahl wäre Disney-Präsident Bob Iger, Nummer zwei im Konzern. Doch schon haben die Shareholder auch hier Vorbehalte angedeutet. "Es gibt wahrscheinlich berechtigte Kritik an Iger", orakelt Gregory Taxin, Präsident der Aktionärsvereinigung Glass Lewis & Co., die Eisner wegen der Entlassung Ovitz' und dessen 100-Millionen-Dollar-Abfindung verklagt hat. (Es war im Rahmen dieses Verfahrens, dass besagter Brief heraus kam.) Glass Lewis & Co. betreut über 15 Prozent der Disney-Shareholder - auch die allesamt jetzt gegen Eisner.
Zweifel am farblosen Nachfolge-Kandidaten
Roy Disney und sein Geschäftspartner Stanley Gold - ein weiteres ehemaliges Board-Mitglied, das Eisner in den Ruhestand schicken will - haben ebenfalls Zweifel an dem farblosen Iger. Man sehe ihn eher als Übergangschef, heißt es im Umkreis der einflussreichen Rebelllen.
Igers Problem ist ein altes: Vor seiner Ernennung zum Disney-Präsidenten vor vier Jahren führte er das TV-Network ABC, das 1996 von Disney geschluckt worden war. Unter seiner Ägide rutschte ABC in der Konkurrenz mit den anderen Senders dramatisch nach hinten. Auch hatte Iger unter Eisner wenig Gelegenheit, ein eigenes Profil zu entwickeln.
Die Börsianer an der Wall Street freuen sich indes über die kalifornischen Turbulenzen. Der Disney-Kurs stieg nach Bekanntwerden der jüngsten Shareholder-Proteste im freitäglichen Nachhandel um 1,02 Prozent auf 26,80 Dollar.