Karriere-Netzwerke Früh übt sich

Die meisten Jobs vergeben Unternehmen, ohne eine Stellenanzeige zu schalten. Deshalb sind gute Beziehungen für die Karriere unersetzlich. Nachteil für Neueinsteiger: Den meisten fehlen gute Kontakte. Mit der richtigen Strategie indes lässt sich dieses Manko schnell beseitigen.

Lediglich 35 Prozent aller freien Stellen melden die Unternehmen an die Arbeitsämter, ermittelte das der Bundesanstalt für Arbeit angegliederte Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) im vergangenen Jahr.

Bei Positionen, die ein Studium voraussetzen, sei der Anteil der auf diesem Weg ausgeschriebenen Stellen sogar noch geringer, weiß der Arbeitsmarktforscher Emil Magvas. Bei Fach- und Führungskräften bevorzugen viele Firmen den Weg über Zeitungsanzeigen und Internet statt übers Arbeitsamt - sofern die Stellen überhaupt veröffentlicht werden.

Denn wenn viele Bewerber eine Stelle suchen, sinkt die Zahl der ausgeschriebenen Jobs. Was indes kein Indiz für einen Mangel an freien Positionen sei, korrigiert Personalberater Heiko Mell aus Bergisch Gladbach den nahe liegenden Schnell-Schluss: Grund sind vielmehr die Inserats-Kosten - und an denen sparen derzeit Unternehmen aller Größen.

Hier liest der Chef selbst

Wozu 8000 Euro für eine repräsentative "FAZ"-Anzeige ausgeben, wenn sich auch auf inoffiziellem Weg genügend geeignete Kandidaten finden lassen? Töchter und Söhne von Sportsfreunden, ehemalige Praktikanten und auch Initiativbewerber - ein oder zwei qualifizierte Interessenten sind fast immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Andere Betriebe treibt die Angst vor der Unterlagenflut in die Defensive. "Diese Firmen publizieren dann nur noch im Stellenmarkt auf der eigenen Webseite", so Mell.

Dahinter steckt die Überzeugung: Wer sich wirklich für ein Unternehmen interessiert, sucht gezielt in der firmeneigenen Jobbörse - und passt oft auch vom Profil her besser. Die Zahl der Bewerbungen sinkt, die Qualität steigt.

Indes war schon zu Zeiten des Arbeitskräftemangels der "verdeckte Stellenmarkt" - so der Fachjargon für freie Positionen, die nicht per Inserat publik gemacht werden - deutlich größer als der offene. Unternehmen stellen eben lieber jemanden ein, der ihnen empfohlen wird.

Vergleichbar ist dies mit dem Prinzip des Network-Marketings: Wer ein Produkt aus eigener Erfahrung empfiehlt, verleiht diesem gleich einen viel höheren Wert. Und sorgt damit von Anfang an für ein besseres Ansehen. Zumal die Unterlagen anonymer Bewerber zuerst von der Personalabteilung gesichtet werden - die Bewerbung alter Bekannter hingegen überfliegt der Chef noch selbst, das Gutachten der Personalabteilung wird dann zur Formsache.

Adressen-Sammeln reicht nicht

Die Segnungen des Praktikums

"Damit verlieren auch schlechte Noten an Bedeutung", sagt Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München. Ohnehin ist die Psychologin überzeugt, dass Bewerbungsunterlagen bloß einen formalen Zweck erfüllten. Statt an der x-ten Optimierung von Lebenslauf und Anschreiben zu feilen, empfiehlt Leitner Bewerbern, sich um den Auf- und Ausbau persönlicher Kontakte zu kümmern.

Für eine Gruppe ist das naturgemäß schwierig: "Absolventen haben normalerweise noch kein dichtmaschiges Kontaktnetzwerk", so Heiko Mell. Glücklich, wer da während des Studiums bereits vorgebaut hat. Aus einem Praktikum etwa lässt sich mehr ziehen als nur berufliche und branchenspezifische Erfahrung - nämlich Kontakte.

Gezieltes Networking ist eine Kunst für sich, bei der auch Online-Gemeinschaften wie CAPup! helfen können. Je höher die Hierarchieebene, auf der Student dabei anbandeln, desto besser. Absolventen, die statt mit den Kollegen mit dem Abteilungsleiter in der Kantine essen gehen, legen damit auch eine Basis für beruflichen Erfolg - umso mehr, wenn es ihnen gelingt, gleichzeitig auch von Kollegen geschätzt zu werden.

Ebenso lassen sich Fürsprecher und Mentoren bei einer Diplomarbeit gewinnen, die ein Unternehmen betreut. Von solchen Referenzen profitieren vorausschauende Studenten ein ganzes Leben.

Blindes Adressen-Sammeln reicht nicht

Doch der gute Wille zum Kontakten allein reicht ebenso wenig wie blindes Adressen-Sammeln. "Erfolgreiches Netzwerken beruht auf dem Prinzip des Geben und Nehmens", so Kommunikationstrainerin Gudrun Fey, Autorin des Buches "Kontakte knüpfen und beruflich nutzen" (Walhalla-Verlag). Im ersten Schritt gelte es, etwas für andere zu tun - was sich anfangs durchaus darin erschöpfen kann, dem Boss einen freien Donnerstagabend zu bescheren.

Nicht jeder Student ist sich vom ersten Semester an der Bedeutung des "Vitamin B" bewusst. Dann müssen andere Ersatzstoffe dies kompensieren. Der beste heißt Leistung. So empfiehlt Madeleine Leitner Absolventen, potentiellen Arbeitgebern Projekte anzubieten, zur Not auch einmal ohne Bezahlung auf Probe zu arbeiten, um das eigene Können unter Beweis zu stellen.

Denn ohne fachliches Know-how helfen auch die dicksten Vitamin-Spritzen nur bis in die Probezeit. Die effektivste Kombination liegt in einer Kombination aus guter Leistung und guten Kontakten. Und auch das Verkaufen eigener Erfolge gehört zum Karriererezept: Wer beachtet und gesehen wird, ist auch derjenige, an den sich ein Arbeitgeber zur rechten Zeit erinnern wird - nämlich dann, wenn auf dem verdeckten Stellenmarkt wieder ein Job frei wird.

Den Stellenmarkt erobern

Was Studenten und Absolventen tun können, um frühzeitig ein Kontaktnetz zu knüpfen

  • Vom ersten Semester an alle Kontakte sammeln, etwa in Form von Visitenkarten oder in einer Excel-Tabelle oder Datenbank. Dazu gehören Notizen: Name und Adresse, Position, wie erreichbar, Art des Kontakts.


  • Kontakte nutzen: Alle Referenzen in die Jobsuche einbeziehen.


  • Fürsprecher gewinnen, beispielsweise Professoren oder Vereinsvorsitzende.


  • Sich "sichtbar" machen: durch Referenten-Tätigkeiten, Ehrenämter, Praktika, Projektarbeiten.


  • Gezielt Unternehmen aussuchen und deren Webseite, schwarze Bretter und Mitarbeiterzeitungen beobachten - oder von Bekannten beobachten lassen.


  • Messen, Kongresse, Fachveranstaltungen als Kontaktbörse nutzen.


  • Ins Gespräch kommen: Mit Fachverantwortlichen reden - auch erst einmal unverbindlich.


  • Ungewöhnliche Wege gehen, etwa konkrete Projekte anbieten.

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