Berthold Leibinger Licht ist Trumpf
Hamburg - Apologeten der These, viel Arbeit mache alt, treffen mit Berthold Leibinger auf den lebenden Gegenbeweis ihrer Theorie: Aus seinem glatten Gesicht funkeln lebhafte blaue Augen, Freunden wie Feinden wirft er ein strahlendes Lächeln entgegen, und kaum ein Thema gibt es, das nicht seines pointierten Kommentars harren würde. Den Begriff "Müdigkeit" scheint der schlanke Mann nicht zu kennen, der auch mit 72 Jahren noch lange nicht daran denkt, die Geschäftsführung seines Unternehmens aufzugeben.
Denn die Trumpf-Gruppe ist nicht nur Lebenswerk von Leibinger, sondern vor allem eines: Lebensinhalt. Der Chef selbst ist nicht nur erfolgreicher Unternehmer, sondern Ikone des Mittelstandes, die Verkörperung des German Way of Life. Ohne ihn wäre Trumpf wahrscheinlich nie das geworden, was es heute ist - eines der florierendsten inhabergeführten Unternehmen der Republik.
1930 in Stuttgart als Sohn eines Kunsthändlers für Ostasiatika geboren, war die spätere steile Karriere Leibinger noch lange nicht in den Schoß gelegt. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er im Korntal bei Ditzingen, nachweislich einer der Orte Baden-Württembergs, in denen der schwäbische Pietismus leidenschaftlich gepflegt wurde. Doch nicht nur Gottesfürchtigkeit, Fleiß und Genügsamkeit prägten die frühe Kindheit Leibingers, sondern auch Verantwortungsgefühl und soziale Kompetenz.
Tüftlergeist, Fleiß und Sparsamkeit
Im Übrigen warnte Leibinger selbst davor, eine direkte Linie von der protestantischen Ethik zum Erfolg des Musterländles zu ziehen. Denn es waren nicht die frömmelnden Tagelöhner, die Unternehmer wurden, sondern ihre Kinder, die deren Tugenden zwar mit der Muttermilch aufgesogen hatten, aber lieber in der Werkstatt als in der "Stunde" waren. Tüftlergeist, Fleiß und Sparsamkeit - erst diese Mischung machte aus dem Handwerker einen aufstrebenden Fabrikanten.
Obwohl Deutsch, Geschichte und Philosophie seine Lieblingsfächer waren, absolvierte Leibinger vor seinem Studium des Maschinenbaus an der TH Stuttgart eine Mechanikerlehre bei der kleinen Maschinenbaufirma Trumpf. Bei der Entscheidung mag die schwäbische Maxime "Schaffa, net schwätze" durchgeschlagen sein, die die Künste als schönes Beiwerk, nicht aber als Mittelpunkt des Lebens ausmacht. Zu Trumpf kehrte Leibinger 1961 nach einem Intermezzo bei der Cincinnati Milling Inc. in den USA auch wieder zurück.
Schon bald erwies sich die Einstellung Leibingers als Glücksgriff für das mittelständische Unternehmen. Die Produkte, die Leibinger innerhalb kürzester Zeit plante und zum Patent anmeldete, verhalfen der Firma zu einem unerwarteten Schub. Vor allem neuartige Werkzeugmaschinen zum Stanzen und Konturieren von Blechen verhalfen Trumpf zu einem erstaunlichen Wachstum.
Vom Lehrling zum Eigentümer
Seine Leistungen als Ingenieur und Konstrukteur führten darüber hinaus binnen weniger Jahre dazu, dass es - wie es BASF-Chef Jürgen Strube anlässlich der Laudatio zur Aufnahme Leibingers in die "Hall of Fame" des manager magazins nannte - billiger war, ihn am Unternehmen zu beteiligen, als weiter Lizenzen zu bezahlen. So wurde Trumpf im Laufe der Jahre vollends zu seiner Firma. Vom Lehrling zum Eigentümer - eine Traumkarriere sondergleichen.
Mitnichten aber endeten Leibingers unternehmerische Ambitionen mit der Übernahme des Unternehmens. Zu den mechanischen Neuerungen, die er unermüdlich vorantrieb, kamen Mitte der achtziger Jahre die auf dem Feld der Physik. Unzufrieden mit den amerikanischen Lasern, die in die Trumpf-Maschinen kamen, entschloss sich der Maschinenbauer kühn, einen eigenen Laser zu entwickeln. Heute sind die Trumpf-Laser eine der vier Säulen des Konzerns.
Die anderen drei sind Werkzeugmaschinen, Elektronik und Medizintechnik. Beschäftigt werden unterdessen knapp 5800 Mitarbeiter, die im letzten Geschäftsjahr gut 1,19 Milliarden Euro erwirtschafteten. Nach Jahren des zweistelligen Umsatzwachstums gab es zum ersten Mal ein Minus von vier Prozent. Doch das ficht Leibinger nicht an. Denn beim Maschinenbau handelt es sich um eine zyklische Branche, Umsatzschwankungen gehören zum Geschäft.
"Es gibt Grenzen des Wachstums"
Dem unkontrollierten Wildwuchs dagegen misstraut Leibinger generell, auch dies ein Grund, warum er Trumpf nicht an die Börse bringen will. "Es gibt Grenzen des Wachstums" sagte Leibinger in einem Interview mit dem "Handelsblatt". Die sind erreicht, wenn sich neue Projekte nicht mehr über Eigenmittel finanzieren lassen.
Nur durch die kontinuierliche Reinvestition eigener Gewinne, die streng reglementierte Mittelentnahme durch die Gesellschafter und die Freiheit der eigenen Entscheidung ist die Bewahrung der Unternehmenskultur möglich. Diese Haltung kommt auch den Angestellten zugute. Schon Mitte der neunziger Jahre etablierte Trumpf ein Bündnis für Arbeit, das umfangreiche Arbeitsplatzgarantien beinhaltet.
Auch wenn sich der Senior mit Haut und Haaren seinem Unternehmen verschrieben hat - die Weichen für die Zeit nach Leibinger sind schon gestellt. In der Geschäftsführung sitzen neben ihm auch sein Sohn Peter und sein Schwiegersohn Mathias Kammüller. Die Vorarbeiten für die Ablösung an der Spitze sind auch strukturell erfolgt. Vor zwei Jahren wurde eine Management-Holding als Lenkungsgremium für die vier Geschäftsbereiche geschaffen.
Zurzeit aber denkt Leibinger nicht daran, die Führung des Unternehmens abzugeben. Denn solange es Leibinger gibt, wird es Trumpf geben, und er wird für sein Unternehmen kämpfen - gegen die Paragraphenreiter des Behördendschungels und die Technikfeindlichkeit in Deutschland. Sorgen um sein Unternehmen macht sich Leibinger nicht, denn an die Zukunft des Lasers glaubt er mehr denn je. "Wir haben mehr Ideen als wir umsetzen können", sagte er kürzlich. Die Schwierigkeit bestehe vor allem darin, Dinge nicht zu tun - man würde sich sonst verzetteln.
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