Schlecker Beglücker der Ex-Sozialisten
Stuttgart - Mit harter Hand hat Europas Drogerie-König Anton Schlecker ein milliardenschweres Imperium aufgebaut. Nun greift der 59-Jährige in die prall gefüllte Kasse, um den Norden und Osten des Kontinents zu erobern.
Lange Zeit wurde in der Branche gerätselt, wohin die Expansionsreise gehen würde. Jetzt stellte der scheue Handelsriese Stellenanzeigen ins Internet, die eine weit reichende Expansion ankündigen.
"Zum Ausbau unserer Marktführerschaft wollen wir in den nächsten Jahren weitere Märkte erschließen", hieß es kürzlich auf der Homepage des Konzerns. Aufgeführt werden Dänemark, Polen, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Tschechien. Besonders fortgeschritten sollen die Pläne für Dänemark sein. Hier würden innerhalb eines Jahres bis zu 50 Filialen entstehen, glauben Insider.
Die weißen Flecken auf der Landkarte werden getilgt
Eigentlich könnte sich Firmenchef Anton Schlecker schon längst auf die faule Haut legen. Vor knapp 40 Jahren machte der Metzgerssohn in der schwäbischen Provinz seinen ersten SB-Laden auf - heute gibt es europaweit 12.500 Filialen und einen riesigen Online-Shop. Die Mischung aus Puder, Parfüm und Pinzetten bringt es auf einen Jahresumsatz von 6,2 Milliarden Euro.
Skandinavien und der Osten waren bislang weiße Flecken auf Schleckers Europa-Karte. Das dürfte den Machtmenschen Schlecker, der gerne in Begleitung seiner Gattin zu unangemeldeten Kontrollen in Filialen erscheint, gewurmt haben. Denn im deutschsprachigen Raum, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien, Spanien und auf der britischen Insel läuft es seit Jahren prächtig für Schlecker.
Wer bei Schlecker arbeitet, muss hart im Nehmen sein
Das Geschäftsprinzip ist simpel: Wenn Einzelhändler in scheinbar unattraktiven Lagen schließen, übernehmen die Ehinger das Ruder. Schlecker mietet spottbillig, kalkuliert kleine Umsätze ein und schreibt dennoch dank minimaler Fixkosten schwarze Zahlen.
So rechnet es sich sogar, dass manchmal drei Filialen in einer Straße aufmachen. Von der Konsumflaute zeigt sich das Unternehmen unbeeindruckt und sucht ständig neue Standorte.
Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert, dass trotz hervorragender Unternehmensergebnisse die Besetzung der Filialen kontinuierlich abgebaut werde. Verkäuferinnen seien meist allein im Laden und überfordert.
Wer bei Schlecker arbeitet, muss hart im Nehmen sein: Vor fünf Jahren hielt die Stuttgarter Justiz dem Milliardärspaar vor, hunderte Mitarbeiter jahrelang unter Tariflohn bezahlt zu haben. Die Lohnausfälle summierten sich auf etwa 920.000 Euro.
"Sie betreten rechtsfreien Raum"
Anton und Christa Schlecker akzeptierten einen Strafbefehl von jeweils einer halben Million Euro und zehn Monaten Haft auf Bewährung wegen Betrugs. 2001 ließ der Konzern dann aufhorchen. Schlecker unterzeichnete erstmals einen Anerkennungsvertrag mit der Gewerkschaft ver.di. Aber noch immer arbeiten zwei Drittel der 37.000 deutschen Beschäftigten ohne Betriebsrat.
Die wenigen Interessenvertreter berichten zudem von ständigen Schikanen. Betriebsräte müssten für ihre Telefonanschlüsse bis zum Bundesarbeitsgericht klagen, bekämen Abmahnungen und würden als Ladendiebe diffamiert, um zur Kündigung bewegt zu werden. Ein Betriebsrat kommentierte dies sarkastisch: "Eigentlich müsste in jeder Filiale ein Schild hängen: Sie betreten rechtsfreien Raum."
Tim Braune, dpa