In Amerika gehören die Fords zum industriellen Hochadel. Als Henry Ford den Autokonzern anno 1903 gründete, ahnte er nicht, dass seine Autos zum festen Bestandteil des American Way of Life werden könnten. Heute kämpft sein Enkel Bill mit 100 Jahren Vergangenheit.
Hamburg - Henry Ford genießt in den USA fast den Status eines Heiligen. Er ist immer noch eine der größten Persönlichkeiten der Wirtschaftsgeschichte, eingereiht zwischen Unternehmern wie Rockefeller, Trump oder Bill Gates.
Wäre er nicht 1878 mit 15 Jahren ohne überlieferte Gründe von der Schule geflogen, wer weiß, wie Amerika heute aussähe. Mit dem T-Modell begann die grenzenlose Mobilität der Amerikaner, durch die Lohnpolitik des bekennenden Pazifisten, der gleichzeitig keine Gewerkschaften mochte, konnten sich auf einmal auch Arbeiter ein Automobil leisten. Mit dem neuen Boom florierte die Ölbranche. Und im Handumdrehen war Amerika die potenteste Wirtschaftsnation der Welt.
Dabei sah es am Anfang gar nicht so aus, als ob es mit der Karriere des Gründers überhaupt etwas werden wollte. Henry, 1863 dort geboren, wo immer noch der Stammsitz des Unternehmens ist, in Dearborn bei Detroit, galt in seiner Jugend als verschrobener, misstrauischer Einzelgänger. Seine ersten unternehmerischen Gehversuche scheiterten kläglich. Erst bastelte er an Dampfmaschinen, dann gründete er ein Sägewerk und schließlich versuchte er sich in der Massenfertigung von Uhren.
Risikokapital vom Kurzwarenhändler
Die Erfindungen von Gottlieb Daimler und Carl Benz faszinierten ihn; also wurde er Rennfahrer. Als am 16. Juni 1903 die Ford Motor Company gegründet wurde, war Henry Ford bereits 40 Jahre alt. Seine Kompagnons waren so wie er bescheidene Kaufmänner. Unter den elf Kapitalgebern, die schließlich die 28.000 Dollar Stammkapital zusammenbrachten, befanden sich unter anderem ein Kohlenhändler, ein Kurzwarenhändler und ein Tischler.
1904: Modell A mit Henry Ford
1912: Ford Modell T
1928: Ford Modell A
1939: Ford Taunus
1968: Ford Mustang
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Das erste Automobil, das 1904 die umgebaute Waggonfabrik verließ, war nichts weiter als eine Kutsche mit Motor. 27 Millionen Stück wurde insgesamt von der Tin Lizzy verkauft. Annähernd unverändert lief die Blechliesel fast 19 Jahre vom Band und auf Grund der fortschreitenden Automatisierung, die Ford mit Emphase vorantrieb, wurde das Auto nicht teurer, sondern stattdessen immer billiger. 1912 kostete das Auto 600 Dollar, nur vier Jahre später war es bereits für 320 Dollar zu haben.
Nebenbei konnte es sich der Firmengründer leisten, Standpunkte zu vertreten, die heute Controllern den Angstschweiß auf die Stirn treiben würden. "Lohnkürzungen führen zur Verkleinerung des Kundenstamms" wusste Ford und verdoppelte 1914 kurzerhand die Löhne. Gleichzeitig ließ Henry Ford Gewerkschafter vom Werksgelände vertreiben. Er hasste es, wenn irgendjemand seine Entscheidungen auch nur anzuzweifeln wagte oder ihm ins Handwerk pfuschen wollte.
Irgendwann aber holten den Pionier die Geister, die er gerufen hatte, gnadenlos ein. Seine Wettbewerber, die in direkter Nachbarschaft fleißig Fabriken bauten, zogen an Ford vorbei. 1927 standen die Bänder in Dearborn ein halbes Jahr lang still - nicht, weil der starke Arm der Gewerkschaft es so gewollt hätte, sondern weil konkurrenzfähige Motorkutschen entwickelt werden mussten.
Ein Playboy übernimmt des Steuer
Ein Playboy übernimmt das Steuer
Schließlich gelang es, mit neuen Motoren und neuen Modellen erneut zum Markt aufzuschließen. Als Folge des strategischen Debakels wurde verstärkt auf Expansion gesetzt, erste Fabriken in Europa entstanden. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte Ford seine Stellung als unangefochtener Marktführer bereits verloren. Aus der Marke, die zwischenzeitlich die Hälfte des Weltmarkts beherrscht hatte, war eine unter vielen geworden.
Im Zweiten Weltkrieg änderte Ford seine Produktionslinien in Richtung Wehrtechnik. Statt Pkws wurden in Dearborn jetzt Panzer, B-24-Bomber und Militärfahrzeuge gefertigt. Als 1945 die Autoproduktion wieder anlief, war Ford ein Sanierungsfall.
1969: Ford Capri
70er: Ford Taunus
1986: Ford Sierra
1993: Ford Mondeo
2003: Ford Streetka
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Mit dem Wachwechsel im gleichen Jahr blies ein frischer Wind in der Firmenzentrale. Der Enkel von Ford senior, Henry Ford II., holte junge Manager in die Gesellschaft, änderte die verkrusteten Strukturen und verschaffte dem Konzern mit Erfolgsmodellen wie dem Thunderbird oder dem Mustang Respekt in der Branche und hohe Gewinne.
Der Führungsstil des neuen Ford-Lenkers allerdings ist gröber. Anders als der Großvater, der bescheiden, aber bestimmt die Geschicke des Konzerns lenkte, nimmt sich Henry Ford II. das Recht, ruppig zu sein und nach Gutsherrenart zu schalten und zu walten. Manager wechselt er im Monatstakt. Einer fliegt, weil er vergaß anzuklopfen.
Die Last der Vergangenheit
Zum ersten Mal in der Geschichte der Autopioniere ist der Konzernlenker ein Dauerthema in den amerikanischen Gazetten. Henry Ford II. führt das Leben eines Playboys, sein Idol ist der ewig braungebrannte Fiat-Chef Giovanni Agnelli. Ford lässt sich dreimal scheiden und leistet sich die eine oder andere moralische Verfehlung. Einmal nimmt ihn die Polizei fest, als er in Begleitung eines Fotomodells betrunken eine Einbahnstraße in falscher Richtung passiert.
Henry Ford senior bleiben die Kapriolen seines Sohnessohns erspart. Er stirbt 1947 im Alter von 83 Jahren. Seinen Enkel dagegen hält es noch lange auf dem Chefsessel. Erst 1979 gibt er den Posten an familienfremde Manager ab. Der letzte ist Jacques Nasser, der den Konzern an den Rand des Ruins manövriert.
Als die Dynastie vor zwei Jahren qua Mehrheit ihrer 45 Mitglieder William Clay Ford junior, genannt Bill, zum Oberhaupt des Konzerns erwählt, hat sich die Familie gleichzeitig für einen radikalen Kurswechsel entschieden. Denn Bill ist anders als die anderen Fords. Weder gleicht er seinem Onkel Henry II., noch seinem Cousin Alfred, der ein Jünger Krishnas wurde.
Bill Ford, sagt man, teile wie sein Urgroßvater den Enthusiasmus für seinen Job. Während Henry Pazifist war, ist Bill bekennender Umweltschützer und Vegetarier. Nur eines trennt die beiden: Der Auto-Pionier konnte schalten und walten, wie ihm beliebte. Bill Ford hingegen trägt die Last von 100 Jahren Vergangenheit.