Michel Friedman Die Chronik einer Affäre
11. Juni: Die Berliner Justiz teilt mit, dass bei einer Durchsuchung in Friedmans Büro und seiner Privatwohnung in Frankfurt am Main "szenetypische Päckchen" gefunden worden seien. Es soll nunüberprüft werden, ob es sich um Kokain handelt.
Gegen Friedman wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der 47-Jährige war durch eine Telefonüberwachung ins Visier der Ermittler geraten, die einer Bande von Menschenhändlern auf der Spur war. Ukrainische Prostituierte sollen ausgesagt haben, Friedman habe in ihrem Beisein in einem Berliner Hotel Kokain konsumiert und ihnen die Drogen angeboten.Am Abend tritt er zu seiner ARD-Talkshow "Friedman" vor die Kameras. Danach erleidet er nach unbestätigten Berichten einen Nervenzusammenbruch.12. Juni: Wegen der Drogen-Vorwürfe lässt Friedman seine Tätigkeit als TV-Moderator für den Hessischen Rundfunk bis auf weiteres ruhen. Er unterzieht sich freiwillig einer Haaranalyse. Der Zentralrat der Juden lehnt eine Stellungnahme zu den Vorwürfenprinzipiell ab.13. Juni: Die Berliner Staatsanwalt gibt bekannt, dass drei "szeneübliche Tütchen", die in Friedmans Wohnung gefunden wurden, Kokainspuren aufweisen. Friedmans Anwalt Eckart Hild lehnt eine Vernehmung seines Mandanten bis zur Akteneinsicht ab.16. Juni: Wegen der Drogenvorwürfe gegen Friedman fordert die Junge Union (JU) Hessen den TV-Moderator und Politiker auf, seine Mitgliedschaft in der CDU bis zur endgültigen Klärung ruhen zu lassen.17. Juni: Die ARD hält die Entscheidung über eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit mit Friedman weiter offen. Einer Umfrage zufolge wollen mehr als die Hälfte der Deutschen den unter Drogenverdacht stehenden Moderator nicht mehr als politischen Fernsehmoderator sehen.18. Juni: Der Anwalt Friedmans, Eckart Hild, legt bei der Berliner Justiz Beschwerde gegen die Ermittlungen ein. Das SWR-Magazin "Report" meldet, ein angebliches pikantes Video mit Friedman sei dem früheren Büroleiter von Jürgen Möllemann angeboten worden. Unionsfraktionsvize Friedrich Merz distanziert sich von Friedman als CDU-Mitglied.
Die Panne mit dem Fax
19. Juni: Friedmans Anwalt Eckart Hild vergleicht die Informationspolitik der Berliner Justiz mit einer "öffentlichen Hinrichtung" seines Mandanten. Die Berliner Justiz verhängt eine Informationssperre im Fall Friedman.Der ehemalige SPD-Kulturstaatsminister und heutige "Zeit"-Herausgeber Michael Naumann stärkt unterdessen dem Fernsehmoderator den Rücken und spricht von einem "durchgeknallten Staatsanwalt".Das nimmt Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge einige Tage später zum Anlass, eine Anzeige wegen Beleidigung gegen Naumann zu einzureichen. Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) schließt sich dem an - auch sie erstattet Anfang Juli Strafanzeige. 20. Juni: Der öffentliche Rückhalt für Friedman wächst. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nimmt ihn ebenso wie CSU-Chef Edmund-Stoiber vor Vorverurteilungen in Schutz. Hild bestätigt unterdessen, dass ihm das Ergebnis der Haarprobe vorliegt. Zu Einzelheiten äußert er sich nicht.
21. Juni: Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen ukrainisch-polnischen Menschenhändlerring prüft die Berliner Justiz jetzt auch Spuren, die in den Bundestag führen. Die Berliner Staatsanwaltschaft ordnet an, die Benutzer mehrerer Diensttelefone im Parlament zu ermitteln.23. Juni: Die Analyse der von Michel Friedman abgegebenen Haarprobe ergibt laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung, dass er Drogen konsumiert hat. Der Kokainkonsum werde in dem Gutachten als "mäßig" und "gelegentlich" eingestuft. Die Gutachter nehmen nach Zeitungsangaben auf Grund der Analyse-Ergebnisse an, dass Friedmanlänger als sechs Monate Kokain genommen hat.26. Juni: Der Ältestenrat des Bundestages nimmt Abgeordnete gegen den Verdacht in Schutz, über Diensttelefone Prostituierte bestellt zu haben.27. Juni: Friedmans Lebensgefährtin, die TV-Moderatorin Bärbel Schäfer, geht auf Distanz zu ihrem Partner. Sie müsse mit dem Fall "erst einmal fertig werden", sagt sie der "Bild"-Zeitung.28. Juni: Die Berliner Staatsanwaltschaft erwägt Strafanzeige wegen Beleidigung gegen Berliner Filmproduzenten Artur Brauner. Brauner hatte den Vorwurf geäußert, im Fall Friedman hätten "braun gefärbte Juristen" agiert.29. Juni: Führende Vertreter jüdischer Organisationen kritisieren die deutschen Medien. Die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, spricht in einem Interview des SWR-Magazins "Report" von "Rufmord". Es handele sichum einen "Angriff nicht nur auf Friedman, sondern auch auf die Juden in der Bundesrepublik Deutschland".
Das Geständnis
2. Juli: Hilds Kanzlei hat einen fünfseitigen Vermerk mit Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft im Fall Friedman irrtümlich an einen Pizzabäcker gefaxt. Dieser gibt den Bericht an Dritte weiter, und die "Bild"-Zeitung veröffentlicht die Informationen. Die Berliner Justiz bezeichnet den Aktenvermerk als authentisch.3. Juli: Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, weist erneut Forderungen nach dem Rücktritt seines Stellvertreters zurück.4. Juli: Spiegel und andere prominente Juden erklären, die Berichterstattung über den Fall Friedman seien nicht als antisemitisch zu bewerten. Diesen Vorwurf hatte neben Knobloch auch der Generalsekretär des Europäischen Jüdischen Kongresses, SergeCwajgenbaum, erhoben. Friedman ist Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. 5. Juli: Trotz der Fax-Panne seiner Verteidigung will Friedman nicht den Anwalt wechseln.7. Juli: Friedmans Verteidigung teilt mit, dass das Strafverfahren gegen Friedman rechtskräftig abgeschlossen ist. Das Büro von Anwalt Hild erklärt, dass sich Friedman am folgenden Tag erstmals zu den Vorwürfen äußern will.8. Juli: Friedman tritt erstmals nach Beginn der Affäre vor die Medien. Er kündigt an, alle öffentlichen Ämter niederzulegen. Gleichzeitig akzeptiert er einen Strafbefehl wegen illegalen Kokainbesitzes in Höhe von 17.400 Euro. Damit gilt er nun als vorbestraft. Er entschuldigt sich ferner bei der Öffentlichkeit und bei seiner Lebensgefährtin Bärbel Schäfer für sein Verhalten und bittet um eine zweite Chance.Die Berliner Staatsanwaltschaft betont auf einer eigenen Pressekonferenz, dass sie nach eigener Einschätzung korrekt gehandelt habe. Man habe nur die gesetzliche Aufgabe erfüllt, Verdachtsmomenten nachzugehen, sagt Justizsprecher Björn Retzlaff. Es habe keinen "Deal" zwischen Staatsanwaltschaft und Friedman gegeben, der Strafbefehl sei keine außergerichtliche Einigung.Die Ermittlungen seien auf zehn Fälle von illegalem Drogenbesitz beschränkt worden, sagte Retzlaff. "Da lag das Schwergewicht der Taten." Mit dem Strafbefehl, der auf Ergebnissen von Zeugenaussagen, Durchsuchungen von Büro und Wohnung sowie Analysen beruhe, gelte Friedman "natürlich als vorbestraft". Das Verfahren sei rechtskräftig abgeschlossen, da Friedman den Strafbefehl von 150 Tagessätzen zu je 116 Euro akzeptiert habe.Zu Einzelheiten wie dem Ergebnis der Haaranalyse will Retzlaff sich nicht äußern. Er kommentiert jedoch die Vorwürfe von Friedmans Anwalt Eckart Hild, der von einer "öffentlichen Hinrichtung" seines Mandanten gesprochen hatte: "Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Medien aktiv über den Ermittlungsstand informiert."Die Behörde sei nur ihrer Auskunftspflicht nachgekommen, und dies auch nur auf Anfrage. Die Ermittlungen gegen Friedman seien Teil eines Verfahrens gegen einen polnisch-ukrainischen Menschenhändlerring. Drei Beschuldigte säßen in Untersuchungshaft.Michel Friedman: Das Ende einer Affäre