Mannheimer Spät gekommen, zu viel riskiert
Mannheim/Hamburg - Leicht dürfte Hans Schreiber der Rücktritt nicht gefallen sein. Schließlich hatte der Vorstandschef der Mannheimer Versicherung den einst verschlafenen Transport- und Industrieversicherer zu einer "Perle" des MDax, zu einem erfolgreichen Lebens- und Krankenversicherer geformt.
Das Tempo, das er dabei vorlegte, war atemberaubend. Für diese Branche einfach zu schnell, wie Kenner sagen. Doch das ist Vergangenheit: Ob freiwillig oder nicht - am Freitag zog Schreiber die Konsequenz aus der tiefen Finanzkrise, in die er das Unternehmen bugsiert hatte.
Sollte sich kein neuer Investor finden oder ein neues Sanierungskonzept die Großaktionäre und die Finanzaufsicht überzeugen, droht der Gruppe die Zerschlagung, sagen Analysten. Dann müsste die Versicherungswirtschaft mit der Mannheimer Lebensversicherung allerdings auch ihre erste große Pleite zur Kenntnis nehmen. Der Imageschaden für die gesamte Branche wäre groß. Schließlich sind Lebensversicherungen Generationenprodukte und das Geschäft gründet auch und vor allem auf Vertrauen.
Ruinöser Wettbewerb - Flucht ins Risiko
Doch jenseits des Imageschadens ist fraglich, ob die Konkurrenten, die jetzt zum Teil als potenzielle neue Kapitalgeber einspringen könnten, Schreiber wirklich eine Träne nachweinen. "Er war nicht sonderlich beliebt in der Branche", sagt ein Kenner im Gespräch mit manager-magazin.de.
Spät, vielleicht zu spät, stieß er in den Markt der Lebensversicherer vor. Folglich aggressiv ließ er seine Produkte vermarkten und konnte durch ungewöhnlich hohe Provisionen etwa MLP als Vertreiber gewinnen. Die Gewinne sprudelten. Die Wachstumsstory kam an, die positiven Schlagzeilen waren Schreiber sicher. Da konnte schon Neid aufkommen.
Mit seinem schnellen Vorstoß in das Leben- und Krankenversicherungsgeschäft habe sich Schreiber aber vergaloppiert, meint Marco Metzler, Analyst von Fitch Ratings. "Im Bereich der Lebensversicherungen tobte bereits zum Zeitpunkt des Markteintritts der Mannheimer über die Höhe der Gewinnbeteiligung ein ruinöser Wettbewerb", sagt Metzler im Gespräch mit manager-magazin.de.
Dabei sei schon 1997/98 das Zinsniveau sehr niedrig gewesen. Vor diesem Hintergrund gingen zahlreiche Versicherer den Weg in risikoreichere Aktien-Anlagen. Zumindest bis zum Jahr 2000 mochte die Rechnung aufgehen, dann allerdings drehte der Markt.
Kaum Reserven beim Neuling
Kaum Reserven beim Neuling
Das Platzen der Börsenblase traf die Mannheimer wie auch viele andere Versicherer auf dem falschen Fuß. Allerdings hatte sie im Gegensatz zu der Konkurrenz auf Grund ihrer kurzen Historie der Lebens- und Krankversicherung kaum Reserven aufbauen können und geriet damit immer stärker unter Druck.
Statt zum Rückzug zu blasen, erhöhte Schreiber die Schlagzahl und betrieb ein immer riskanteres Spiel mit dem Geld seiner Versicherten. Er erhöhte noch den Aktienanteil, als die Börsen schon längst ihren Zenit überschritten und andere Versicherer das Geld ihrer Kunden wieder in geringer verzinste aber sichere Papiere umgeschichtet hatten, bemerken seine Kritiker.
Erster Fall für den Protector?
Analyst Metzler schließt nicht aus, dass die Mannheimer Versicherung nun zum ersten Fall für die von der Branche gegründete Auffanggesellschaft "Protector" werden könne. Die Chancen auf den rettenden Investor und oder eine Kapitalerhöhung unter anderem mit Hilfe des Großaktionärs Münchener Rück (10 Prozent) beurteilt Metzler skeptisch.
Zwar hat ein Sprecher der Münchener Rück am Freitag gegenüber manager-magazin.de die Bereitschaft des Konzerns wiederholt, sich an einer Kapitalerhöhung zu beteiligen. Dazu müsse die Mannheimer allerdings ein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegen. "Dies ist aber offenbar noch nicht in Sicht", sagt Metzler.
Das BaFin hat das zuletzt vorgestellte Sanierungskonzept abgelehnt. Unter dieser Voraussetzung dürfte es der Münchener Rück und anderen Aktionären wie Uniqa, W&W und Gerling auch schwer fallen, erneut Geld in die Mannheimer einzubringen, vermutet der Analyst.
Chancen auf Kapitalerhöhung "50:50"
Ähnlich sieht es auch Volker Kudszus. Der Analyst von WestLB Panmure schätzt die Chancen einer erfolgreichen Kapitalerhöhung "50:50" ein. "Wahrscheinlicher ist aber, die Mannheimer Leben geht in der Auffanggesellschaft Protector auf, und die Sachversicherung wird übernommen."
Dass der Bereich Sachversicherung einen Käufer findet, bezweifelt Kudszus nicht. Diese Sparte sei wirklich attraktiv, arbeite profitabel und leide nicht unter so enormen stillen Lasten wie etwa die Mannheimer Lebensversicherung. Der Experte schließt allerdings aus, dass die Mannheimer Versicherung noch als Ganzes übernommen wird. "Daran glaube ich nicht, sonst wäre das längst passiert." Schließlich habe Schreiber selbst den Konzern seit Jahresbeginn als potenziellen Übernahmekandidaten feilgeboten.
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