Management Mit Kreativität durch das Chaos

Neue Wege beschreiten die Studenten des Studienmodells Kaospiloten an der dänischen Hochschule in Aarhus. Statt nur zu pauken, soll der Nachwuchs die Theorie an konkreten Projekten erproben - und dabei bewusst querdenken. Jetzt wird das Studienmodell für kreatives Management nach Berlin exportiert.
Von Reiner Kramer

Aarhus - Statt Klausuren und trockener Betriebswirtschaft stehen Kreativität und Kommunikationstraining auf dem Stundenplan. Und vor allem konkrete Projekte. "Soziale Intelligenz" will Uffe Elbaek den Studierenden vermitteln.

Er ist der Gründer des Studienmodells "Kaospiloten" im dänischen Aarhus. Der junge Projektleiter-Nachwuchs soll mit realen Problemen, Personen und Lösungen arbeiten.

Die richtige Balance zwischen Theorie und Praxis sei wichtig, sagt er. Denn nur so können die Studenten lernen, "in turbulenten Situationen, ob kultureller, politischer oder wirtschaftlicher Art, sicher zu navigieren".

Seit zwölf Jahren werden an der dänische Hochschule 30 Querdenker pro Jahr in kreativem Management ausgebildet. Die Plätze sind heiß begehrt. Aus aller Welt kommen die Bewerber. Katrin Rümenapp ist derzeit die einzige Deutsche an der Uni. Die 24-jährige Nordrhein-Westfälin hatte einen Artikel über den Studiengang gelesen.

"Schreiben Sie einen Zeitungsartikel über sich selbst"

Und sie wusste: "Das ist das Richtige für mich. Ich kann in unterschiedliche Branchen schauen, ohne mich frühzeitig festlegen zu müssen." Doch vorher musste sie sich erst einmal als kreativer Kopf beweisen: "Schreiben Sie einen Zeitungsartikel über sich selbst, der in fünf Jahren erscheinen soll", war eine Aufgabe, die mit über die Einladung zum dreitägigen Workshop entscheiden sollte. 70 Bewerber wurden schließlich eingeladen. Rümenapp bewährte sich auch in den Auswahlgesprächen und Gruppenarbeiten und bekam die Zulassung.

Die "Chance zur Selbstentwicklung" (Rümenapp) bieten die fortschrittlichen Lehrmethoden bei den Kaospiloten. Das theoretisch Erlernte wird direkt erprobt: Kundenprojekte statt Fallstudien. "Durch Evaluierungsphasen und Gespräche bekommen wir viel Feed-back, man wird immer wieder hinterfragt", erläutert Rümenapp. Alle drei Monate finden "Coaching-Gespräche" mit dem Teamleiter unter vier Augen statt.

Mens sana in corpore sano

Und weil ein gesunder Geist eines gesunden Körpers bedarf, werden auch Meditations- oder Capoeira-Kurse angeboten - eben "ganzheitliches Lernen", wie die kreative Nachwuchskraft sagt.

"Das ist an den Hochschulen in Deutschland so nicht möglich", meint die 24-Jährige. Die Erfahrung habe sie bei ihrem BWL-Studium - kombiniert mit einer Ausbildung bei der Bayer AG - gemacht, das sie als Diplomkauffrau (FH) abgeschlossen hat.

Die Studenten entwickeln während der dreijährigen Ausbildung Konzepte für private Firmen wie Lego, Apple oder Body-Shop. Die Gruppe von Katrin Rümenapp hat für die TV-Produktionsfirma Nordisk-Film ein Konzept für das Kinderprogramm erarbeitet: "Eine Art Blairwitch-Projekt für Kinder", erzählt die Studentin. Auch für Non-Profit-Organisationen werden Aufträge bearbeitet, manchmal sogar für die dänische Regierung.

Die Dozenten kommen aus der Wirtschaft, von anderen Hochschulen oder aus der Politik. "Während ihres Studiums knüpfen die überwiegend skandinavischen Studenten Kontakte zu Firmen in aller Welt", sagt Elbaek. Denn unterrichtet wird nicht nur in Aarhus: Ihre Projekte finden frei wählbar im Europa oder später im internationalen Raum stattfinden. Ihr Abschlussprojekt, das im dritten Ausbildungsjahr ansteht, will Katrin Rümenapp "vielleicht in Neuseeland" abhalten. Dieses weit verzweigte Netzwerk der Kaospiloten verhilft den Studienabgängern nicht selten zu einem ersten Job.

"European Leadership"

Etwa ein Drittel der Absolventen gründet ein eigenes Unternehmen, so Elbaek. Und einige sogar schon im Studium. Um die dreijährige Ausbildung zu finanzieren - zu der Aufnahmegebühr in Höhe von 4000 Euro müssen 350 Euro monatlich gezahlt werden - arbeitet Katrin Rümenapp für zwei Unternehmen in Deutschland als externe Beraterin. Jedes Quartal schickt sie den Unternehmen ein "Inspirationspaket", zudem arbeitet sie an vier Wochen in den Semesterferien in den Unternehmen. "Eine schöne Lösung: So kann ich die Studieninhalte erproben und zeigen, was ich im Studium gelernt habe."

Nun soll das Programm nach Berlin exportiert werden. Im Gegensatz zum dänischen Modell wird der deutsche Masterstudiengang berufsbegleitend sein. Betreut wird das Angebot unter dem Titel "European Leadership" von der Berliner Psychologin und Unternehmensberaterin Iris Surburg. Voraussichtlich ab Sommer 2004 soll jungen Berufstätigen erklärt werden, wie sie Lösungen für die Probleme in ihren Firmen finden können.

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