Selbstbedienung Der tiefe Fall der Margret H.
Hanau - Am Tag nach ihrer schwersten politischen Niederlage tauchte Margret Härtel (59) ab: Für Journalisten war die abgewählte Hanauer Oberbürgermeisterin am Montag nicht zu sprechen. Erst am Abend meldete sich die CDU-Politikerin mit einer knapp zweiseitigen Erklärung zu Wort: Nach allem, was Hanaus Bürgern über Wochen "eingehämmert" worden sei, habe sie die Abwahl nicht überrascht, schrieb die einstige Rathauschefin.
"Dennoch schmerzt sie mich." Nach den "Beschimpfungen und Bedrohungen" brauche sie erst einmal "einige Zeit zur Erholung".
Einen Tag zuvor hatten die Wähler der 90.000-Einwohner-Stadt bei Frankfurt am Main die Skandal umwitterte Verwaltungschefin aus dem Amt gewählt. Fast 90 Prozent stimmten gegen die einst so populäre CDU-Politikerin. Das Ergebnis kam einer Demütigung gleich. Und jetzt droht ihr weiteres Ungemach.
Noch vor knapp einem halben Jahr war die 59-Jährige die ungekrönte Königin von Hanau, die die Menschen wegen ihres bestimmten Auftretens "Queen Margret" nannten. Mit großem Engagement hatte sich die Hausfrau bis auf den Chefsessel im Rathaus hochgearbeitet. Selbst ihre Gegner loben ihre Verdienste. Im vergangenen Jahr feierte sie ihren größten Triumph, als sie das als graue Atomstadt verrufene Hanau mit der Landesgartenschau aufblühen ließ.
"Hetzjagd" oder doch ein paar eigene Fehler?
So groß der Erfolg, so tief der Fall: Mit ihrer klaren Entscheidung machten die Hanauer Wähler deutlich, dass sie die Affäre um Härtel leid waren. Monatelang hatte die heftig geführte Debatte das Leben im Rathaus gelähmt. Viele Wähler nahmen es Härtel offenbar besonders übel, dass sie anderen die Mitschuld an der Affäre gab und sich nicht deutlich genug zu ihren Fehlern bekannte. Stets sprach sie von Vorverurteilung und "Hetzjagd".
Ihr Abstieg begann im vergangenen November: Kleinlaut musste sie zugeben, mit einem Dienstwagen privat zum Arzt nach Warschau gefahren zu sein. Danach kamen immer neue Verfehlungen ans Tageslicht: Härtel ließ private Restaurantbesuche und Geschenke über die Stadtkasse abrechnen und überzog ihr Budget am Stadtparlament vorbei um 700.000 Euro. Alle Parteien forderten deswegen ihre Abwahl. Auch die CDU brach mit ihrem früheren Aushängeschild.
Die CDU diskutiert den Parteirauswurf
Der Graben zwischen Härtel und der Union ist so tief, dass die 59-Jährige nach dem Willen der Hanauer CDU aus der Partei ausgeschlossen werden soll. Härtel habe gegen die Prinzipien der CDU verstoßen und gegen die eigene Partei gearbeitet, sagte Fraktionschef Dietmar Hußing. Die Entscheidung liegt beim hessischen Landesvorstand der CDU.
Auch juristisch ist die Affäre für Härtel noch nicht ausgestanden. Wegen Betrugs und Untreue hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die 59-Jährige beim Landgericht erhoben. Kommt es zum Prozess und erkennt das Gericht auch einen Amtsmissbrauch, droht der Politikerin sogar eine Haftstrafe. Das Stadtparlament ist fest entschlossen, sie für ihre Budgetüberschreitungen in Regress zu nehmen.
Beim Regierungspräsidium Darmstadt läuft zudem bereits ein Disziplinarverfahren gegen Härtel - ein weiteres droht. Mobbing von Mitarbeitern lautet der Vorwurf. Die CDU-Politikerin könnte deswegen ihre Ruhestandsbezüge weitestgehend verlieren. Immerhin erhält sie zunächst einmal bis zum eigentlichen Ende ihrer Amtszeit 2006 noch 75 Prozent ihrer bisherigen Bezüge.
Jan Kuhlmann, dpa
Selbstbedienung: Die Sonnenkönigin von Hanau