Wer in Frankreich eine EU-Karriere oder eine Position im Topmanagement anstrebt, besucht eine Grande Ecole. Wer als Brite in den diplomatischen Dienst eintreten will, studiert in Oxford oder Cambridge. Doch wo bereiten sich deutsche Talente auf internationale Karrieren vor?
Die eine, spezialisierte Ausbildungsstätte für Elite Beamte oder auslandsorientierte Manager gibt es hier zu Lande nicht. Aber es gibt einen Verein, dessen Mitglieder jungen Talenten gerne dabei helfen, ihren Traum von der internationalen Laufbahn zu verwirklichen: den Tönissteiner Kreis.
Die "Tönissteiner", das sind mehr als 600 Spitzenbeamte, Rechtsanwälte, Manager, Wissenschaftler und andere Akademiker, die alle eins gemeinsam haben: Sie haben lange Zeit im Ausland gearbeitet oder tun es noch. Und sie bemühen sich intensiv darum, ihre Kenntnisse und Erfahrungen an Jüngere weiterzugeben.
Doch Achtung: Wer den kurzen Draht zur Macht sucht, ist in diesem Netzwerk falsch. Regelrechte "Promis" aus Wirtschaft und Politik finden sich wenige in den Reihen des Kreises. Daimler-Chrysler-Vorstand Klaus Mangold oder Stahlunternehmer Jürgen Großmann gehören noch zu den bekanntesten Manager-Mitgliedern.
Auch glanzvolle Parties oder elegante Abendessen, bei denen hoffnungsvolle Talente sich an geladene Botschafter oder Topmanager heranschleichen könnten, sind nicht die Sache dieses Zirkels. Dem Glamour mag man anderswo frönen - bei den Tönissteinern wird richtig gearbeitet.
Was also hat der Kreis jungen Führungskräften zu bieten? Da gibt es zum Beispiel die so genannten Fachkolloqien: Ausgewählte Young Professionals diskutieren ein Wochenende lang mit hochkarätigen ausländischen Referenten über aktuelle politische oder wirtschaftliche Fragen.
Da gibt es ferner das Mentorenprogramm: Ältere Tönissteiner, Diplomaten etwa oder Ministerialbeamte, engagieren sich als Ratgeber und stehen jüngeren Mitgliedern in allen beruflichen Lebenslagen zur Seite. Ein weiteres Projekt ist das 1999 gegründete Studentenforum. Die Studenten - bisher sind es rund 85 - unternehmen Bildungsreisen ins Ausland oder organisieren eigene "Think Tanks".
Bei all diesen Aktivitäten werden die Jungen von arrivierten Tönissteinern tatkräftig unterstützt. Durch deren Kontakte erhalten sie Einblicke, von denen ihre Altersgenossen nur träumen können.
Bei ihrer Bulgarien-Reise im vergangenen Jahr empfing der bulgarische Premierminister die studentische Runde. Und nach dem Afrika-"Think-Tank" mit der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Berlin führte ein Personalmanager der GTZ die Teilnehmer ausführlich in die Karriereperspektiven in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ein.
Wie man Tönissteiner wird
Wie man Tönissteiner wird
Erste Bedingung ist ein Studium. Juristen und Wirtschaftswissenschaftler stellen die Mehrheit im Verein und im Studentenforum, doch andere Berufsgruppen - Unternehmer, Naturwissenschaftler, Kulturschaffende und Journalisten - sind ebenfalls gern gesehen.
Auch junge Politiker würde man gerne verstärkt für den Verein gewinnen, sagt Felicitas von Peter, eine der Sprecherinnen der Organisation. Aber ach, zu wenige erfüllen sämtliche Aufnahmekriterien.
Denn mit der akademischen Ausbilung ist es nicht getan, und auch persönliche Beziehungen zu einem Mitglied zählen hier nicht viel. Aufgenommen wird nur, wer zum Zeitpunkt seiner Bewerbung unter 35 Jahre alt ist und bereits zwei Jahre in unterschiedlichen Sprachräumen im Ausland gelebt hat. Sehr gute englische Sprachkenntnisse sind selbstverständlich, und auch auf Französisch möchte der Kreis "jederzeit arbeitsfähig sein", wie die Sprecherin betont.
Gefordert sind außerdem überdurchschnittliche fachliche Leistungen sowie die erkennbare Bereitschaft, internationale Aufgaben zu übernehmen und sich gemeinnützig zu engagieren. Auch die aktive Mitarbeit im Kreis wird gefordert: Eine "reine Konsumentenhaltung", sagt von Peter, "akzeptieren wir hier nicht."
Weil all diese Bedingungen nur von wenigen deutschen Hochschulabsolventen erfüllt werden, kooperiert das Netz auf der Suche nach neuen Kandidaten mit den Begabtenförderungswerken und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst.
Kein Wunder also, dass aus der Vita vieler jüngerer Tönissteiner eine enorme akademische Beflissenheit herauszulesen ist. Ihre Lebensläufe strotzen nur so vor Stipendien, Titeln, Zusatzstudiengängen, Praktika und Auslandsaufenthalten, als hätten diese jungen Leute seit Schülertagen nichts anderes gekannt als sich höchst ambitioniert auf den Beruf vorzubereiten.
Trotzdem ist der Kreis kein Zusammenschluß windschnittiger Aufsteiger. Ganz im Gegenteil: Viele Tönissteiner sind neugierige, vielseitige Leute, die früh begonnen haben, sich in der Welt umzusehen und sich für gesellschaftliche Fragen einzusetzen.
Wie der Volkswirt, zum Beispiel der während seiner Studienzeit für die OSZE als Wahlüberwacher in Bosnien-Herzegowina unterwegs war. Oder jener MBA-Absolvent, der einige Jahre für die Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam
gearbeitet hat und später zur Unternehmensberatung Arthur D. Little ging.
Ein spannender Zirkel also, in dem jüngere Führungskräfte eine Menge wertvolle intellektuelle Anregungen erhalten. Zugegeben, ein bisschen Zeit und Energie muss man schon aufwenden - aber Engagement kann ja auch Spaß machen.
Im Profil: Der Tönissteiner Kreis
Träger: Der "Tönissteiner Kreis" wurde 1958 im Eifel-Örtchen Bad Tönisstein gegründet. Ziel war es, den Anteil junger Deutscher in internationalen Organisationen zu erhöhen. Finanziert wird der Verein von den Wirtschaftsverbänden, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und Stiftungen.
Mitglieder: In den ersten Jahrzehnten zog der Kreis vor allem Juristen und Wirtschaftswissenschaftler an, darunter viele Mitglieder des öffentlichen Dienstes. Heute arbeiten zwei Drittel der Tönissteiner im privaten Sektor, in Wirtschaftsunternehmen, den Medien oder als Freiberufler.
Projekte: Der Kreis engagiert sich an Universitäten, in der Bildungspolitik und mit eigenen Veranstaltungen. Für begabte Studenten und Hochschulabsolventen organisiert er Workshops mit Auslandsbezug, Reisen und international besetzte Kolloquien. Als Mentoren beraten die Mitglieder Studenten und junge Akademiker bei der Vorbereitung und Gestaltung einer internationalen Laufbahn.
Kontakt
Tönissteiner Kreis
Haus der Deutschen Wirtschaft
Breite Straße 29
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Telefon 0 30/2 03 08-40 90 info@toenissteiner-kreis.de