Reinhard Mohn Die Unperson - Abrechnung mit Middelhoff
Gütersloh - Von seinem Rauswurf erfuhr der Spitzenmanager am Telefon. "Thomas, es geht nicht mehr", soll Liz Mohn dem Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG, Thomas Middelhoff, trocken gesagt haben. Die Ehefrau des Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn galt als Strippenzieherin bei der überraschenden Trennung. Es war das vierte Mal, dass einem Vorstandschef im Hause Bertelsmann die Tür gewiesen wurde. Mehr als vier Konzernlenker hat die Bertelsmann AG nicht gehabt.
Ein halbes Jahr hat Reinhard Mohn öffentlich zum Fall Middelhoff geschwiegen. Streng genommen tut er das immer noch. In den Medien werden nun manche Äußerungen in seinem jüngsten Buch als Hinweis an den erfolgreichen Top-Manager gewertet, der Bertelsmann so gern an die Börse gebracht hätte. Doch der Name Middelhoff kommt in dem Buch, das Mohn heute in Gütersloh vorgestellt hat, nirgends vor.
"Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers", so der Titel, fordert einerseits sozial bewusstes Handeln der Entrepreneure, andererseits unternehmerisches Denken in der Politik. CDU-Chefin Angela Merkel, die Mohns Werk bereits in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" rezensierte, lobte denn auch seine vorbildliche Unternehmensführung: "Bei Bertelsmann ist es gelungen, das gesellschaftliche System auf ein Unternehmenssystem herunterzubrechen und das dann so zu führen, wie die Gesellschaft geführt werden muss", so Merkel vor rund 150 Gästen.
"Problem der Eitelkeit zu wenig bedacht"
Außerdem müsse bei der Auswahl von Führungskräften darauf geachtet werden, dass sie zur Kultur des Unternehmens passen. "Es ist ja nicht Macht, sondern Verantwortung, die da übernommen wird", sagte sie. Das war es wohl, was Mohn bei Middelhoff vermisste. "Angesichts des gegenwärtigen Scheiterns so vieler Manager muss ich gestehen, dass ich über das Problem der Eitelkeit früher zu wenig nachgedacht habe", schreibt er in seinem Buch. Ein eitler Manager habe keine Furcht vor hohen Kosten: "Er kann ja Kapital durch einen Börsengang beschaffen."
Anfangs waren Mohn und Middelhoff ein gutes Gespann. Der Ältere ließ den Jüngeren gewähren, getreu seiner Maxime, Freiheit und Verantwortung seien die beste Art der Motivation. Zum Bruch kam es, als Middelhoff die Übernahme des Musiklabels Zomba mit Aktien zahlen wollte. Doch damit wäre der Mohn'sche Unternehmensanteil unter 75 Prozent gefallen. Das ging der Familie zu weit.
Aus dem Buch spricht die Enttäuschung eines Mannes, für den Kontinuität immer ein hohes Ziel war, das er aber in der Führung des eigenen Unternehmens letztlich nicht erreicht hat. Angesichts seiner Erfahrungen mit externen Managern - "die damals relativ jung waren und noch wenig Gelegenheit zur Präsentation ihrer Leistungen gehabt hatten" - besinnt sich Mohn nun wieder auf die eigene Familie und schreibt deren Entscheidungshoheit fest.
Mohn, den "Die Zeit" schon einmal den "guten Menschen von Gütersloh" genannt hat, hat sich von seinen Managern immer sehr gründlich getrennt. Die Unternehmenschronik im Internet erwähnt weder Middelhoff noch dessen Vorgänger. Wenn die Unternehmer weg waren, so waren sie wirklich weg, so als hätte Bertelsmann die Konzerngeschichtsschreibung von George Orwells Buch "1984" gelernt. Dort werden die Teile der Vergangenheit, die der Gegenwart unbequem sind, einfach aus den Archiven getilgt.
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