Flowtex Steuerprüfer wussten Bescheid
Stuttgart - Im Steuersumpf des milliardenschweren Flowtex-Skandals waren erste Scheingeschäfte der Betrüger bereits Jahre vor der Aufdeckung und Verurteilung bekannt.
Nach Aussagen von Steuerexperten vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss am Mittwoch wurde schon 1993 in einem ersten Prüfungsbericht auf "Luftbuchungen" der Brüder Manfred und Matthias Schmider in dreistelliger Millionenhöhe hingewiesen. Dieser Bericht war auch der Staatsanwaltschaft zugestellt worden.
"Ich habe nach einer ersten Betriebsprüfung klar auf Rotbögen von möglichen strafrechtlichen Konsequenzen geschrieben", erklärte Amtsrat Gerhard Maier vom Finanzamt in Rastatt die anhängenden Erläuterungen an seinen Bericht. So habe er den Vorwurf der Bilanzfälschung und der Scheingeschäfte der Schmiders formuliert, mit denen die Brüder unter anderem bei Banken kreditwürdig bleiben wollten.
"Ware von der linken auf die rechte Seite geschoben"
Nach Aussage Maiers war bereits 1993 klar, dass 95 Prozent des Umsatzes von Matthias Schmiders Firmen vorgetäuscht waren. "Da wurde die Ware von der linken auf die rechte Seite geschoben", sagte der Amtsrat.
Schmider habe dies in einer Besprechung mit den Betriebsprüfern im Januar 1993 auch gestanden, sieben Jahre bevor der Flowtex-Betrug schließlich öffentlich ruchbar wurde. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hatte sich allerdings mit einem Steuerstrafverfahren gegen die Brüder Schmider begnügt. Beide kamen mit geringen Geldbußen davon.
Die Hinweise auf eventuelle Verbrechen der Schmiders fielen nach Aussage der Steuerprüfer allerdings unter das Steuergeheimnis oder wurden für weniger wichtig erachtet. Der damalige Sachgebietsleiter für Betriebsprüfung in Karlsruhe, Friedrich Kiefer, sagte dazu, es sei bei den Arbeiten der Steuerprüfer zunächst nicht um strafrechtliche Konsequenzen gegangen.
"Scheinrechnungen sind gang und gäbe"
"Wir sind Steuerprüfer. Sonstige Straftaten interessieren uns nicht oder nur am Rande." Im übrigen seien Scheinrechnungen "heute gang und gäbe", sagte Kiefer, der heute Oberamtsrat beim Finanzamt Karlsruhe-Stadt ist.
Lediglich die Höhe des kontrollierten Schmider-Betrugs zwischen 1988 und 1992 sei mit 247 Millionen Mark (126 Millionen Euro) "ungewöhnlich" gewesen. Es sei allerdings "normales Verhalten" der Steuerprüfer, "selbst bei Konkursverschleppung, Bilanzfälschung und schwerem Betrug diese Informationen für uns zu behalten, es sei denn, es handelt sich um eine schwere Steuerstraftat."
Die Parlamentarier prüfen, warum die Flowtex-Milliardenbetrüger der Baden-Badener Staatsanwaltschaft nicht früher ins Netz gingen. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es bei dem Betrugsskandal Versäumnisse von Behörden oder Regierung gegeben hat.
Befragung vertagt
Aus Zeitnot vertagt wurde die geplante Befragung des amtierenden Karlsruher Generalstaatsanwaltes und Chefaufklärers Günter Hertweck, unter dessen Aufsicht mehrere Ermittlungsverfahren gegen Finanzbeamte wegen Strafvereitelung im Amt laufen. Auch die Aussage eines früheren Staatsanwaltes wurde auf die kommende Ausschusssitzung verlegt. Zunächst sollte geklärt werden, unter welchen Umständen der Jurist oder andere Zeugen "betroffen" sein könnten.
Die Flowtex-Manager Manfred und Matthias Schmider waren im Dezember 2001 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Es handelt sich um den größten deutschen Fall von Wirtschaftskriminalität. Das Ettlinger Unternehmen Flowtex hatte 3000 nicht vorhandene Horizontal-Bohrgeräte an Leasingfirmen verkauft und damit strafrechtlichen Schaden von mehr als zwei Milliarden Euro angerichtet.