Karriere Die Nadel im Heuhaufen oder Warum Frauen so unsichtbar sind

"Freiheit wird einem nicht gegeben. Man muss sie sich nehmen." Dieser Ausspruch Meret Oppenheims steht über einem Kapitel des Buchs "Das dämliche Geschlecht" von Barbara Bierach. manager-magazin.de präsentiert den Text mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Paula und Christian lernten sich in der Kantine eines großen süddeutschen Konzerns kennen, wo er Software entwickelte, und sie freiberuflich als PR-Beraterin an einem Projekt mithalf, um sich und ihre kleine Tochter aus erster Ehe zu ernähren. Und plötzlich brach die Liebe aus. Es dauerte nicht lang und die beiden fanden ein altes Haus am Stadtrand, wo Paula sich ein Büro einrichtete. Freiberuflich arbeiten kann man schließlich überall.

Ohne dass es ihr bewusst wurde, änderte sich Paulas Leben gewaltig. Früher hatte sie mehrere Stunden am Tag telefoniert und Konzepte entworfen, jetzt schien sie die Hausarbeit völlig in Anspruch zu nehmen. Sie tauschte die Kostümchen gegen weite Flanellhemden, pflegte den Garten und die Betten und begann hingebungsvoll zu kochen. Irgendwie schien es ihr nicht mehr zu gelingen, Aufträge an Land zu ziehen.

Trotzdem gaben ihr Christian und der Umzug aufs Land ein Gefühl der Sicherheit, das sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gekannt hatte. Sie baute ein gemütliches Nest und bekam ein zweites Kind. Sie beschrieb ihr neues Leben als "richtig" - in Wirklichkeit aber meinte sie wohl "bequem und sicher". Denn letztlich war ihr die Freiheit, die sie als alleinerziehende Karrierefrau hatte, immer ziemlich unheimlich gewesen. Ganz allmählich änderten sich ihre Erwartungen an Christian: Er war jetzt der Ernährer und sie erholte sich von den Jahren, in denen sie recht und schlecht versucht hatte, für sich selbst verantwortlich zu sein.

Ohne jedes Ritual fiel sie in die traditionelle Rolle zurück: Hausfrau und Mutter, eben diejenige, die den anderen den Rücken freihält, damit die ihre Träume leben können. Kurz, sie übernahm genau das, was sie noch vor wenigen Monaten selber als "Sklavenarbeit" bezeichnet hatte.

Und es machte ihr sogar Spaß, denn Sklavenarbeit ist so wunderbar sicher. Die kann man ohne diese Angst erledigen, die mit richtigem Geldverdienen einhergeht. Im Austausch für ihre Sklavenarbeit erwartete Paula von Christian natürlich sehr bald eine Gegenleistung, nämlich ökonomische Sicherheit.

Ihr Hausfrauentum war wie ein Schuldschein, den sie dem Liebsten jederzeit präsentieren konnte: Deinetwegen sitze ich hier! Unterschwellig allerdings spukte die Idee in ihrem Kopf, es sei normal, dass Christian härter arbeitet und größere Risiken auf sich nimmt, schließlich ist er ein Mann.

Natürlich hatte sie in ihrem früheren Leben Simone de Beauvoir gelesen und sich über Sätze wie diesen eher amüsiert: "Frauen akzeptieren die untergeordnete Rolle, um den Anstrengungen aus dem Wege zu gehen, die mit der Gestaltung eines authentischen Lebens verbunden sind". Dass sie selber drauf und dran war, ein authentisches Leben gegen ein geliehenes zu tauschen, merkte sie jetzt aber gar nicht mehr.

Freiheit ist immer auch gefährlich

Weitere drei oder vier Monate später begann Paula, Christian um Erlaubnis zu fragen, wenn sie abends in die Stadt fahren wollte, um ihre Freundin zu sehen oder sich ein paar Schuhe zu kaufen. Unvermeidlich entwickelte sich Abhängigkeit.

Derweil kam Christian schnell voran, war voller Vertrauen, konnte gut mit Menschen umgehen - der Erfolg schien förmlich auf ihn zu warten. Paula dagegen nörgelte und kritisierte ihn wegen der kleinsten Kleinigkeiten, vermutlich weil sie ihn beneidete und sich im Vergleich mit ihm machtlos fühlte.

Frauen neigen dazu, ihre Aggressionen in konstanter Mäkelei auszudrücken. Ängstliche Menschen mit wenig Selbstvertrauen schaffen so gerne die Illusion, dass sie es besser machen würden, wenn man sie nur lassen würde - ungefähr wie ein Beifahrer, der dem Fahrer ständig Ratschläge erteilt. Die meisten schlechten Beifahrer können allerdings gar nicht Auto fahren.

Die amerikanische Autorin Colette Dowling hat ein ganzes Buch über Geschichten wie die von Christian und Paula geschrieben. Sie kommentiert die nörgelnde unzufriedene Hausfrau: "Dies ist die verborgene Moral der Schwachen (oder aller die darauf beharren, sich so zu sehen). Es ist die Bürde der Starken, uns mitzuschleppen. Tun sie das nicht, geben wir ihnen mehr oder weniger deutlich zu verstehen, dass wir nicht überleben werden".

Am Ende war Paulas Beziehung zu Christian völlig verkorkst - er hatte sich schließlich in eine selbstständige, verantwortungsvolle Frau verliebt und nicht in eine vorwurfsvolle, abhängige Hausfrau. Und obendrein mochte Paula sich selbst nicht mehr. Dabei vertraten die beiden eigentlich das gleiche Konzept -theoretisch zumindest.

Beide glaubten, Frauen seien so kompetent und intelligent wie Männer und sollten daher auch die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Doch aus irgendeinem Grund fühlte Paula sich schwächer als Christian, zweifelte an ihrer körperlichen Attraktivität und erwartete, dass Christian sie aus ihrer Misere aufhob und für sie sorgte.

Das Ende dieser Geschichte ist offen, denn Erwachsensein bedeutet, die Wahl zu haben. Entweder wird Christian möglichst wenig zu Hause sein, um seiner Jammertante zu entkommen, geht schließlich fremd und sucht sich eine Neue, um dasselbe Spiel mit einer Jüngeren von vorne zu beginnen.

Oder Paula kapiert, dass die paar Jahre der Berufstätigkeit nicht der Ausflug eines frühreifen Mädchens in ein Erwachsenenleben war, aus dessen Gefahren sie früher oder später ein Prinz retten würde, sondern der einzige Weg, ein wirklich erwachsenes Leben zu leben. Merke: Freiheit ist immer auch gefährlich - und: Niemand rettet dich, wenn du es nicht selber tust.

Frauen können nicht mehr in die alte Rolle zurück, das Weibchen ist keine Alternative, selbst wenn wir uns das oft wünschen, weil Frausein so anstrengend ist. Und auch der Prinz ist verschwunden - die meisten Männer langweilen sich ziemlich schnell mit einer Hausfrau und suchen sich dann im beruflichen Umfeld eine Neue.

Mark Wössner, von 1980 bis 1998 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, schildert ganz offen, woran seine erste Ehe zerbrach: "Wenn eine Frau über Jahre hinweg ihrem Mann zu Hause zur Seite steht, dann findet man sich nach 20 Jahren in völlig verschiedenen Welten wieder. Sie weiß alles über Kinder und Haushalt und man selbst alles über den Beruf und die Welt da draußen".

Wo bleiben die weiblichen CEOs?

Die prominentesten Beispiele der jüngeren Vergangenheit für die zerbrechenden Ehen zwischen Prinz und Aschenbrödel waren die des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, der sich mit seiner Kulturbeauftragten Brigitte Seebacher-Brandt davonmachte oder die von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, der seine Renate sitzen ließ für seine Büroleiterin Lydia Deininger.

Apropos Prinz: Gemessen an den Anforderungen der modernen Welt ist er nicht stärker, klüger oder mutiger als wir. Dennoch sind Frauen Männern unterlegen. Das weiß jeder, der je Frauen beim Tennisspielen und Einparken großer Autos beobachtet hat.

In Fragen körperlicher Schnellkraft und räumlichem Vorstellungsvermögen sind Männern einfach besser. In allen anderen Gebieten jedoch sind die Geschlechter gleichauf, Frauen sind in einigen Bereichen sogar deutlich überlegen, beispielsweise sind sie zäher und halten Schmerzen besser aus. Außerdem leben sie deutlich länger.

Dass Frauen Männern intellektuell um nichts nachstehen, bedarf heute keiner weiteren Ausführungen mehr - und falls doch: Inzwischen sind über 54 Prozent der Schüler jedes Abiturjahrgangs weiblich, 1995 schrieben sich erstmals mehr weibliche als männliche Studenten ein.

Doch eigentlich muss man nur mal Business Class fliegen, sagen wir von Düsseldorf nach London und zurück, um den wirklichen Stand der Dinge zu erforschen. Jede Menge langweiliger, alter Männer in Anzügen, Frauenanteil vielleicht bei fünf Prozent. Oder offenen Auges in die Zeitung gucken: Warum findet sich in den 100 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands kein weibliches Vorstandsmitglied?

Der Anteil der Führungsfrauen in den Topetagen liegt dem europäischen Statistikamt Eurostat zufolge hierzuland bei ärmlichen 3,7 Prozent5 - dabei sind 61 Prozent der deutschen Arbeitnehmer Frauen. Chefinnen auf der zweiten, dritten Ebene? Weitgehend Fehlanzeige, die Frauenquote dümpelt seit Jahren zwischen zehn und zwölf Prozent.

Mittlerweile haben die Frauen im Ausbildungsniveau gewaltig nachgeholt, schon jede dritte in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 hat heute Abitur, das ergab die Mikrozensusumfrage 2000 des Statistischen Bundesamtes.

Mit Blick auf diesen Nachwuchs argumentierten viele hoffnungsfrohe Feministen: "Die Frauen werden schon noch kommen. Erst jetzt gibt es genug Frauen mit dem Ausbildungsniveau für eine Führungsposition. Sie beginnen gerade erst den Weg durch die Institutionen".

Leider trügt wohl auch diese Hoffnung: "Die höhere Qualifikation bedeutet nicht, dass Frauen den gleichen Zugang zu Führungspositionen haben", so Johann Halen, Präsident des Statistischen Bundesamts. In den ersten Jahren sind Frauen mit den Männern gleichauf, wenn es um die entscheidenden Jobs geht, jenseits der 30, jedoch sinkt der Frauenanteil an den Entscheidern ins Bedeutungslose.

Traditionell hoch ist der Anteil weiblicher Chefs nur in der Gastronomie - Putzen, Kochen, Einkaufen zu organisieren, traut frau sich offenbar zu. Lange hielt sich auch die Hoffnung, dass sich Frauen wenn schon nicht in der Großindustrie, dann doch wenigstens im Mittelstand durchsetzen, weil es da einfach persönlicher zugeht und der Chef schneller kapiert, was er an wem hat. Auch dieses zarte Pflänzchen Hoffnung ist verblüht: Der Anteil weiblicher Chefs im Mittelstand ging in den vergangenen Jahren leicht zurück auf 10,8 Prozent.

Geschwätz und Verschwörungstheorien

Auch das Geschwätz, dass Frauen dabei wären, sich über Netzwerke selber an die Macht zu befördern, darf ins Reich der Märchen verbannt werden: Selbst in der Türkei haben die Rotarier mehr weibliche Mitglieder als hier. Dass auch das schönste Vitamin B nichts bringt, liege an den Frauen selber, so zumindest äußern sich die Netzwerkerinnen: "Die Frauen wollen oft gar nicht Karriere machen", ist von Gabriele Reich-Gutjahr, der deutschen Vorsitzenden des Netzwerks European Women's Management Development zu hören.

Derselbe Eindruck drängt sich auf, wenn es um die Macht in der Politik geht: Deutschland hatte im Gegensatz zu Bangladesh, Indien, Israel, der Türkei, Großbritannien oder Norwegen noch nie einen weiblichen Regierungschef. Auch in der Wissenschaft sind Frauen weitgehend Fehlanzeige: Obwohl inzwischen die Hälfte der Studierenden weiblich ist, sind es nur neun Prozent der Professoren.

Trauriges Fazit: Die Leistungsfähigkeit und Leistung der Frauen und ihre Position in der Gesellschaft klaffen meilenweit auseinander. Einer Studie der Weltbank zufolge leisten Frauen zwar zwei Drittel der Arbeit auf diesem Planeten, bekommen dafür aber nur zehn Prozent des Lohnes und besitzen nur ein Prozent des Weltvermögens. Dabei stellen Frauen rund 52 Prozent der Menschheit. Würden Frauen entschlossen Frauen wählen, wäre längst jede Demokratie fest in weichen Händen.

Und entsprechend gestaltbar wären die Regeln zu Mutterschutz und Erziehungsurlaub. Frauen stellen die leistungsfähigere Mehrheit - und gelten immer noch als das schwache Geschlecht. Warum?

Die übliche Antwort auf diesen bemerkenswerten Teil der deutschen Gegenwart ist eine Verschwörungstheorie: Schuld am miesen Schicksal der Frauen sind die Männer. Genauer, das Netz der alten Jungs in Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft, das dafür sorgt, dass Frauen in der Schlacht um die Karrierejobs den kürzeren ziehen, von Scheidungsrichtern benachteiligt und in der Politik nur per Quotenregelung gehört werden.

Ich denke über all die Paulas dieser Welt nach und finde: Frauen sind nicht schwach, Frauen sind nur dämlich, faul und unaufrichtig. Die akademisch vorgebildete Weiberschaft in diesem Land könnte längst die Hälfte der Chefsessel in den Ämtern, Universitäten und Unternehmen unter dem Hintern haben, wenn sie endlich handelte, statt dem Spielfeld beleidigt den Rücken zu kehren und mit einem "Die lassen uns nicht" von dannen zu ziehen.

Dämlich sind Frauen, weil sie sich nicht einfach die Hälfte des Himmels nehmen. Was wohlmeinende Studien zum weiblichen Führungsverhalten als Stärke attestieren, grenzt in vielen Fällen eher an eine "Déformation sexuelle". Sanft, einfühlsam und teamorientiert lassen sich Frauen immer noch mit den Krümeln von den Tellern der Macht abspeisen. Es reicht in vielen Fällen, einer Frau vorzuhalten, sie sei egoistisch und machtgeil, um sie zu stoppen.

Wenn Frauen über ihre Interessen wachen, gelten sie als intrigant und herrschsüchtig, wenn Männer dasselbe tun, sind sie durchsetzungs- und führungsstark. Was für Männer ein Kompliment ist, beleidigt Frauen.

Noch immer stilisieren sich Frauen zur behinderten Minderheit, die besonderen Schutzes bedarf und verbringen ganze Seminartage mit ideologischem Geplänkel über die Abschaffung des Patriarchats, anstatt sich - weniger visionär, aber umso wirkungsvoller - endlich pragmatisch einen möglichst großen Batzen vom Kuchen der Macht zu sichern.

Die Welt ist leider schlecht

Frauen "verlangen zu wenig" ist auch das Fazit von Sonja Bischoff, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Sie weiß, wovon sie spricht. Seit Mitte der achtziger Jahre diagnostiziert sie in regelmäßig wiederholten Großbefragungen von Chefs und Chefinnen den Stand der Geschlechterfrage in deutschen Unternehmen.

Das Traurige ist: Anderswo kriegen die Frauen ihren Anteil, auch ohne Bürgerkrieg und hospitalisierenden Kinder. Die Situation der Frauen im europäischen Ausland und in den USA ist wesentlich besser als die deutscher Frauen.

Ob das wohl daran liegt, dass dort nettere Männer verständnisvollere Unternehmen leiten? Unsinn. Die Frauen jenseits unserer Grenzen verhalten sich einfach anders.

Was also kann Mommy besser als Mamma? Warum gibt es in England 11,2 Prozent weibliche Topmanager und hier nur 3,7? Warum schaffen auch Jahrzehnte mit Frauenbeauftragten, Quotenregelungen und Förderprogrammen immer noch keine amerikanischen Verhältnisse? Und warum lassen sich deutsche Frauen wahnsinnigerweise immer noch mit einem Viertel weniger Gehalt für die gleiche Arbeit abspeisen?

Auch das muss keineswegs sein. Statistiken beweisen, dass nicht nur den Schwedinnen oder Däninnen gelungen ist, wenigstens 70 Prozent der Gehälter der Männer zu erkämpfen, sondern auch den Spanierinnen und Italienerinnen. Sogar im katholischen Irland sind die Gehälter mit 70 Prozent dessen, was die Männer kriegen, fairer als im ach-so-liberalen Deutschland mit 67 Prozent.

In einer europaweiten Befragung von 1114 Frauen aus dem mittleren und oberen Management durch das Institut Lieberman Research Worldwide geben 53 Prozent der Befragten an, im Job schon mal gehindert zu werden -durch die Übertragung anspruchsloser Aufgaben beispielsweise oder Missachtung bei Beförderungen.

Leider hat niemand vergleichbar viele Männer in vergleichbar guten Positionen befragt - das Ergebnis wäre nämlich dasselbe. Alle Arbeitnehmer erleben in regelmäßigen Abständen Zurücksetzung und Ungerechtigkeit.

Die Welt ist leider schlecht - aber mitnichten nur für Menschen mit Eierstöcken. Die neigen in Deutschland nur offenbar besonders dazu, jeden Mist der ihnen widerfährt, mit ihrem Geschlecht in Verbindung zu bringen. Zumindest ist der Anteil unter den geschlechtsfixierten Beleidigten-Leberwürsten in Deutschland deutlich höher als sonst wo: Hierzulande finden nur 22 Prozent der befragten Chefinnen, sie hätten die gleichen Karrierechancen wie die männlichen Kollegen, in Frankreich dagegen sagen 32 Prozent, in Großbritannien 42, in Schweden und Polen 45 und Italien sogar 65 Prozent der Lady-Bosse: Bei gleicher Leistung auch gleiche Chance wie die Kerle.

Seien wir ehrlich, das Leben in deutschen Unternehmen ist knallhart und es wird jährlich härter. Sich in der Industrie durchzusetzen, ist kein Zuckerschlecken -auch nicht für die Männer. Auch von all den hoffnungsfrohen männlichen Einsteigern endet nur ein Bruchteil in einem Vorstandsbüro. Erfolg hat viele Voraussetzungen und Hindernisse, für Männer und Frauen gleichermaßen. Unternehmen sind letztlich nur daran interessiert, ordentliches Wachstum und noch bessere Gewinne zu erzeugen. Wer ihnen die herbeischafft, ist ihnen egal.

Nicht nur Frauen scheitern an dieser Aufgabe, auch jede Menge Männer. Aber ein Mann verfügt nicht über den Heldennotausgang: "Ich kriege jetzt ein Kind". Ein Mann hat nur die Wahl, sich als Verlierer zu disqualifizieren, oder sein Berufsleben irgendwie durchzustehen. Frauen jedoch benutzen ihre Familien, um sich zurückzuziehen, ohne zugeben zu müssen, dass ihnen letztlich ein Job in der City zu anstrengend war.

Karrierebremse Babypause?

Denn "Karriere" klingt glamourös, ist aber in Wirklichkeit zuvörderst harte Arbeit. Eine verantwortliche Position wirklich auszufüllen, bedeutet in den meisten Branchen 50 Stunden Arbeit die Woche, jede Menge Ringkämpfe mit Kollegen und Konkurrenten und massiven Verzicht aufs Privatleben.

Vielen Frauen wird das spätestens mit Mitte 30 zu anstrengend und zu politisch. Entnervt von dem ständigen Ringkampf um Positionen und Budgets ziehen sie sich in Vorstädte zurück und werden Mutter -so wie die Paula in unserer Geschichte.

Anstatt die Ärmel hochzukrempeln und genauso hart zu arbeiten wie die Männer, flüchten sie sich in die Mär von der Glasdecke. Die besagt, dass es in jedem Unternehmen eine unsichtbare aber undurchdringliche Ebene gibt, die Frauen den Zutritt in die Chefetage verwehrt. So wahren sie ihr Gesicht als moderne Karrierefrau, obwohl sie sich ins Privatleben verdrücken. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, es muss jeder nach seiner Fasson selig werden.

Unaufrichtig ist dieses Verhalten nur dann, wenn Frauen nicht zugeben, dass sie sich bewusst gegen Macht und Verantwortung entschieden haben. Sich erst zurückzuziehen und dann zu lamentieren, dass andere weitermachen, ist kindisch. Dieselben Frauen würden das übrigens jederzeit ihren Kindern sagen, wenn die das Fußballfeld verlassen und dann anschließend greinen, dass andere jetzt die Tore schießen.

Dennoch finden 47 Prozent der westdeutschen Frauen, es sei "für alle viel besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert". Dieselben Frauen beschweren sich anschließend, dass dieses Land von Männern regiert wird.

Erfolg im Unternehmen oder im Amt unterliegt harten Regeln und Gesetzen, denen alle ausgeliefert sind: Männer und Frauen. Sich erst zu drücken und dann zu jammern, dass die Macht anderswo sitzt, ist zumindest unsportlich. Wer mitreden will, muss die Voraussetzungen dafür erfüllen. Weiblich zu sein, ist einfach nur eine nette kleine Ausrede, die Arbeit nicht zu machen.

Wann immer eine Frau an der Uni oder im Job scheitert, lag es an einem Professor, Ehemann oder Vorgesetzten, der in seiner männlichen Borniertheit schuld ist und die Frau in ihrem Schaffensdrang an die Wand gespielt hat. Wenn die Kinder dann aus dem Haus sind, und frau sich langweilt, sind wieder die Männer schuld: Und Dir habe ich meine Karriere geopfert!

Dieses anhaltende Gejammer derselben Frauen, die vorher jahrelang das Weibchen gaben, bringt nicht nur den Christian aus meinem Einstiegsbeispiel auf die Palme, sondern sogar eingefleischte Feministinnen. Die englische Auflagenmillionärin Fay Weldon, deren Bücher übrigens im wesentlichen von Frauen gelesen werden, sagt: "Wenn ihr unzufrieden seid, beschuldigt nicht eure Männer.

Ich kenne viele Frauen, die glauben, dass die Männer sie vom wahren und guten Leben abhalten. Und sobald die Kinder aus dem Haus sind, trennen sie sich, leben allein -nur um festzustellen, dass das wahre Leben weiter auf sich warten lässt". Männer finden dieses selbstzerstörerische Verhalten übrigens ausgesprochen praktisch - eine Verschwörung gegen das schwächere Geschlecht ist völlig überflüssig, denn Frauen erledigen sich in der Regel selber. Schneller und gründlicher als irgendein Männerbund das könnte.

Dabei zeigt die Geschichte, dass Frauen sich ihren Teil nehmen können, wenn sie es nur wollen: Die deutschen Kaiserinnen Theophanu und Katharina die Große (jawohl, Madame stammten aus Sachen-Anhalt) haben schon vor Jahrhunderten bewiesen, dass auch in Deutschland Macht und Weiblichkeit kein Widerspruch in sich sind.

Der Blick ins Ausland

In unseren Tagen tragen die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach oder Pamela Knapp, bei Siemens in München zuständig für die Personalentwicklung der 350 höchsten Führungskräfte des Konzerns und daher eine der einflussreichsten Frauen Deutschalnds, die Fackel weiblichen Erfolgs. Auch in der deutschen Gegenwart gibt es viele Frauen, die ihren Einfluss genießen und trotzdem nicht auf ihre Weiblichkeit verzichten.

Die meisten Frauen werden jetzt einwenden, diese Vorwürfe seien unfair, schließlich kriegen immer noch wir die Kinder - und um die muss sich schließlich jemand kümmern. Dem Thema Mütter ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Trotzdem vorab hier schon mal soviel: An der Mutterschaft alleine kann es nicht liegen, dass Frauen im öffentlichen Leben Deutschlands unterrepräsentiert sind, denn Französinnen oder Britinnen kriegen auch Kinder.

Zwischen 87 und 98 Prozent der befragten Karrierefrauen in Großbritannien, Frankreich und Schweden sind gleichzeitig Mütter, während hierzulande nur 57 Prozent der Erfolgsfrauen neben Budgetverhandlung und Businesslunch auch Rotznasen abwischen.19 Und schließlich gibt es auch in Deutschland ein Heer von Anwältinnen, Beraterinnen, Designerinnen und Managerinnen, das es sehr wohl schafft, Kinder und Karriere zu verbinden.

Aber nehmen wir einmal an, die Babypause wäre in der Frauenfrage tatsächlich kriegsentscheidend. Wäre dem so, müsste dann nicht der öffentliche Dienst vor Karrierefrauen nur so überquellen? Das deutsche Beamtenrecht ist das frauenfreundlichste der Welt, Gleichstellungsbeaufragte wachen über seine Einhaltung, fühlt frau sich übergangen, kann sie klagen. Befördert wird weitgehend nach Seniorität - und da macht es gar nichts, wenn eine mal ein paar Jahre mit Erziehung beschäftigt war.

Und erst recht an den Universitäten. Ist die Berufung auf den Professorensessel erst einmal erfolgt, ist fürs Kinderkriegen alle Zeit der Welt. Fünf Monate im Jahr sind vorlesungsfrei und sonst beträgt die Lehrverpflichtung acht Stunden in der Woche. Je nach Bundesland unterschiedlich, gibt es die Möglichkeit, Frei- oder Forschungssemester einzulegen, in denen die Zeiteinteilung allein im Gusto des Forschenden liegt.

Von einer C3- oder C4-Vergütung kann auch eine Alleinerziehende komfortabel leben. Aber nicht nur in den Unternehmen bleibt von den Frauen wenig zu sehen -weil es da auch deutlich schwieriger ist, Mutter und beruflich erfolgreich zu sein - sondern auch in Verwaltung und Hochschule. Der Frauenanteil im höheren Dienst der Bundesbehörden liegt bei 21 Prozent, auf Abteilungsleiterebene stellen Frauen nur 2,1 Prozent des Personals.

Selbst im Freistaat Bayern, der lange Zeit grundsätzlich die Juristen mit den besten Noten einstellte und überrascht feststellen musste, dass plötzlich zwei Drittel der Einsteiger weiblich waren (in der Tat: Frauen haben in vielen Fächern die besseren Abschlusszeugnisse!) finden sich zehn Jahre später kaum weibliche Top-Beamte.

In den Unternehmen ist es ähnlich, zumindest bei der Einstellung von Nachwuchskräften. In jeder ordentlichen Firma sitzen in den Trainee-Programmen heute 50 Prozent junge Frauen. Nur zehn Jahre später stehen die meisten -sehr zum Kummer der Personalchefs übrigens - dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung.

Mittlerweile ist es sogar so, dass Unternehmen gerne mehr Frauen auf ihren Chefsesseln hätten und sich wundern, wo sie bleiben. Barbara Schaeffer-Hegel, Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, berichtet von vielen Anfragen "hilfesuchender Unternehmen": Wie kommt man an Frauen für Führungspositionen? Ähnliches berichten Personalberaterinnen.

Christine Borneff, Mitglied der Geschäftsführung bei Spencer Stuart in Düsseldorf, beschreibt: "In den vergangenen sieben Jahren, in denen ich als Personalberaterin arbeite, waren keine fünf Prozent der Kandidaten weiblich. Und das lag weder an den mangelnden Fähigkeiten der Frauen noch daran, dass sie in den Unternehmen nicht erwünscht wären. Im Gegenteil, ich wurde oft explizit gebeten, weibliche Kandidatinnen zu präsentieren - gerade bei den Start-ups oder in der Biotech-Branche, wo Vielseitigkeit, Flexibilität und Aufbauarbeit gefragt sind. Aber auf Topmanagementebene stehen einfach keine Frauen zur Verfügung."

Frauen in der New Economy

Apropos Start-ups und New Economy: Es ist jetzt bald zehn Jahre her, dass die berühmten US-Trendforscher Patricia Aburdene und John Naisbitt den "Megatrend Frauen" heraufdämmern sahen. Ihre These lautete, dass sich in den neunziger Jahren in allen Bereichen - Politik, Sport, Wirtschaft - Frauen nicht nur durchsetzen, sondern auch das Zepter in die Hand nehmen würden.

Für die Wirtschaft erwarteten die Trendforscher sehr viel von den neuen Technologien: Das enorme Wachstum in diesem Bereich würde für qualifizierte Frauen alle Möglichkeiten aufreißen. Mit dem Boom der Neuen Medien hatten Aburdene/Naisbitt recht - aber das war es dann auch schon. Weder qualifizierten sich Frauen für technische Karrieren, noch haben sie es verstanden, den Mangel an Führungskräften, der mit dem Hype einherging, für sich zu nutzen.

Auch in den innovativen Unternehmen der deutschen New Economy haben die Männer das Sagen. Im September 2000 lag der Frauenanteil in dieser Branche bei 25 Prozent. Im Multimedia-Jahrbuch 2000 ist nachzulesen, dass nur bei 14,5 Prozent der New-Media-Unternehmen Frauen an der Spitze sitzen. Den Buhmann den Männern zuweisen wollen diese Frauen jedoch nicht: "Wir können doch nicht erwarten, dass die Männer uns freiwillig ihren Chefsessel anbieten", so Jennifer Neumann, Gründerin der Canto Software in Berlin.

Schuld am Mangel an Dot-com-Frauen sind die Frauen selber, finden zumindest diejenigen, die es in dieser Welt geschafft haben. "Die Vorstellung davon, was der Arbeitsmarkt in den Neuen Medien verlangt, ist bei vielen Frauen sehr ungenau und auch sehr naiv", findet Pia Bohlen, Gründerin der Internet-Agentur Xbyte in Düsseldorf. Statt sich wie die Männer das nötige Fachwissen anzueignen, wollten Frauen lieber eine jahrelange Schulung und ein Zertifikat. "Sie denken, damit sei es getan.

Aber was gebraucht wird, ist ein hohes Maß an Eigeninitiative". Daran mangelt es offenbar nicht nur in der New Economy. Seit Jahren verlassen sich Frauen darauf, dass Quotenregelung und Frauenförderung es irgendwie schon schaffen werden, den Frauen zu einer Stimme zu verhelfen. Verwunderlich daran ist nur, dass sich offenbar nicht einmal die Frauenbeauftragten selbst fragen, warum sie in all den Jahren offenbar nichts Nennenswertes zustande gekriegt haben.

Eigentlich sind die Deutschen Weltmeister im Organisieren - bei 15 Jahren Projektlaufzeit und ordentlicher Finanzierung hätte sich die Situation der Frau doch dramatisch verbessern müssen. Hat sie aber nicht. Das kann entweder daran liegen, dass Frauen gar nicht zum Jagen getragen werden wollen, oder aber daran, dass die Förderlobbyistinnen seit anno dazumal auf die falschen Spatzen zielen.

Genau das ist das Herz von Sonja Bischoffs Theorie: Traditionell arbeiten die deutschen Programme nämlich an der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die ist aber gar nicht das Problem der Frauen, wie Bischoffs empirische Forschungsergebnisse zeigen. Sie hat 1998 zum dritten Mal - nach 1986 und 1991 - jeweils 1000 Männer und Frauen in Führungspositionen in Deutschland befragt. Ergebnis: Der Anteil der kinderlosen Frauen geht zurück!

Auf der ersten Führungsebene haben die Damen heute zu knapp 60 Prozent Kinder und auf der zweiten und dritten Ebene noch zu 45 Prozent. Frauen, die auch am Kapital ihres Arbeitgebers beteiligt sind, erfreuen sich noch häufigeren Kindersegens, trotz längerer Wochenarbeitszeiten.

Die bequeme Illusion

"Ausschlaggebend für die Vereinbarkeit von Kind und Karriere ist offenbar das höhere Maß an individuell flexibler Arbeitszeit", interpretiert Bischoff ihr Ergebnis. Aber in Deutschland wird nahezu alles dereguliert, nur nicht die Regeln für die Arbeitszeiten.

Bände spricht auch, dass Bischoffs Studien zufolge nur acht Prozent der Chefinnen in Unternehmen mit Frauenförderprogrammen arbeiten. Umgekehrt betrachtet, kommt auch kein schöneres Bild heraus: In den Unternehmen mit Fördermaßnahmen haben Frauen weder höhere Positionen noch bessere Gehälter erzielt als in denen ohne.

Die Managerinnen könnten ihrerseits gut ohne das ganze Getrommel leben: Nur sieben Prozent der Frauen und zwei Prozent der Männer glauben, dass entsprechende Projekte den Frauenanteil schnell und nachhaltig erhöhen; beide Gruppen sind eher der Meinung, sie seien als "zeitgemäße PR-Maßnahmen zu interpretieren".

31 Prozent der Befragten ist gar der Meinung, dass Damenprojekte eher die Abwehrhaltung der männlichen Entscheidungsträger fördern als das Vorankommen der Frauen. Viel sinnvoller wäre es wohl, den Frauen endlich gleiches Geld für gleiche Arbeit zu bezahlen - schon weil sie dann leichter ihre Kinderbetreuung finanzieren könnten.

Außerdem ginge dann die Diskussion abends am Küchentisch "Schatz, ich bin schwanger. Wer bleibt denn nun von uns beiden zu Hause?" nicht grundsätzlich zu ungunsten der Mütter aus. Stattdessen verdienen Frauen - wie oben schon mal ausgeführt - "auf jeder Führungsebene weniger als Männer in der gleichen hierarchischen Position", wie Bischoff erforschte.

Beispielsweise hatten 33 Prozent der befragten männlichen leitenden Angestellten über 100 000 Euro auf dem Gehaltszettel, aber nur 24 Prozent der weiblichen. Das allerschlimmste kommt aber noch: Steigt in einem Unternehmen der Anteil der Frauen in Führungspositionen, sinkt anschließend das Einkommensniveau für Frauen und Männer. Was zum Teufel haben die Damen Frauenbeauftragten bloß 20 Jahre lang gemacht?

Fazit: Jeder, ob Mann oder Frau muss Verantwortung für das eigene Leben übernehmen, und jeder Pfad zum privaten Glück ist gleich viel wert, ob er ins Hausfrauendasein oder auf den Vorstandssessel führt. Aber: Frauen müssen sich von der kollektiven Lebenslüge "Die Männer lassen uns nicht" verabschieden.

Verweigerung und Schuldzuweisungen führen nicht an die Macht. Ob eine Frau Vorstand wird oder Hausfrau, hat vor allem etwas mit den eigenen Entscheidungen zu tun, alles andere ist ein bequeme Illusion.

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