Thomas Diehl Deutsche Rüstungsindustrie vor dem Rohrkrepierer?
Nürnberg - Der 93-jährige Rüstungsfabrikant Karl Diehl hat ein wahres Imperium erschaffen. Diehl zählt zu den wichtigsten Ausrüstern der Bundeswehr und der Nato-Armeen. Doch inzwischen scheint das Unternehmen in die Krise zu geraten. Die Familie Diehl bangt um ihre Zukunft und um ihre Unabhängigkeit. Die Franken klagen die öffentliche Auftragsvergabe und den Bund an. Berechtigte Kritik - oder wird in Zeiten des Wahlkampfes ein Sündenbock für die eigene Unfähigkeit gesucht?
Der Umsatz des Nürnberger Wehrtechnikkonzerns Diehl sank im vergangenen Jahr um neuen Prozent auf 1,47 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel des Umsatzes erwirtschaftet der rund 11.000 Mitarbeiter zählende Konzern mit Lenkflugkörpern, Munition und anderem Kriegsgerät.
Die Waffenschmiede büßte 2001 deutlich an Umsatz und Gewinn ein. Der Jahresüberschuss verringerte sich um über 50 Prozent auf 27,6 Millionen Euro. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sank auf 60 Millionen Euro nach 84 Millionen Euro im Vorjahr.
Ist die Rüstungsindustrie zu retten?
Als einen wichtigen Grund für die schlechte Entwicklung sieht Vorstandschef Thomas Diehl die Auftragsvergabe durch den Bund: "Wenn es so weiter geht, wird die deutsche Wehrtechnikindustrie ohne die Amerikaner auf Dauer nicht lebensfähig sein." Die Gefahr des Ausverkaufs schätzt er als "sehr massiv" ein. "Ich erwarte, dass die Amerikaner strategisch einsteigen, wo immer sie können."
Mit dem Ausverkauf spielt der Rüstungsexperte auf den Verkauf der Kieler U-Boot-Bauer HDW an einen US-Finanzinvestor an. Der Panzerschmiede Krauss-Maffei-Wegmann stehe möglicherweise ein ähnliches Schicksal bevor, mein Diehl. Dort wird ein 49-Prozent-Anteil zum Verkauf angeboten.
Diehl geht davon aus, dass die amerikanischen Unternehmen nun erst richtig mit Beteiligungen an Rüstungsfirmen in Deutschland durchstarten. Die Amerikaner profitieren stark von den seit dem 11. September kräftig aufgestockten Militärbudgets. Dabei würden die europäischen Unternehmen ins Hintertreffen geraten: "Oft spielen deutsche Interessen dabei überhaupt keine Rolle."
Wenn die Armee hustet, hat Diehl eine Bronchitis
Helmut Harff, der Geschäftsführer des Ausschusses für Verteidigungswirtschaft im BDI, schätzt die Situation ähnlich wie Thomas Diehl ein: "Seit 1990 ist die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Rüstungsindustrie (alte Bundesrepublik) von ca. 290.000 auf 80.000 zurückgegangen. In den Bereichen Luft- und Raumfahrt wie auch im Schiffsbau ist die Auftragslage der Industrie relativ zufrieden stellend. Die Konzerne können durch die zivilen Komponenten reduzierte Aufträge der Streitkräfte kompensieren," sagte Harff gegenüber manager-magazin.de.
Ganz anders gestalte sich dies aber im Bereich der Heerestechnik, führt der Brigadegeneral a. D., der bereits 1999 deutscher UN-Kommandeur in Somalia war, fort: "Hier gibt es keine Kompensationsmöglichkeiten. Der Bedarf der Bundeswehr ist zurückgegangen; der Verteidigungshaushalt ist zudem im investiven Teil deutlich zu niedrig."