Fußball Blattergate
Seoul/Rotterdam - Drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl des Fußball-Weltverbandes (Fifa) in Seoul verhärtet sich die Front gegen Amtsinhaber Joseph Blatter. Elf von 24 Mitgliedern der Fifa-Exekutive werden bis Freitag wegen Amtsmissbrauchs und Misswirtschaft Klage gegen Blatter vor einem Schweizer Gericht einreichen. Das gab Lennart Johansson, Mitglied der Fifa-Exekutive und Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), im Vorfeld des Uefa-Cup-Finals in Rotterdam zwischen Borussia Dortmund und Feyenoord Rotterdam bekannt.
"Schweizer Recht zufolge ist man zu einer Klage verpflichtet, wenn man Kenntnis von einem kriminellen Akt hat. Wer in diesem Zusammenhang Informationen zurückhält, macht sich selber strafbar. Dem Report von Michel Zen-Ruffinen zufolge sind wir verpflichtet, vor Gericht zu gehen", meinte Johansson und kündigte die Einreichung der Klage am Mittwochnachmittag innerhalb der nächsten 48 Stunden an. Fifa-Generalsekretär Zen-Ruffinen hatte am Rande der Fifa-Exekutivsitzung in Zürich ein Dossier mit schweren Vorwürfen gegen Blatter vorgelegt.
"Seit Monaten andauernde, systematische Angriffe"
"Die Klageandrohung ist für mich enttäuschend, aber nicht überraschend. Sie ist die logische Folge der auf den Fifa-Präsidenten durch meine Gegner mit dem Ziel, meinen Ruf und meine persönliche Integrität zu zerstören", ließ Blatter in einer Pressemitteilung verlauten.
"Herr Blatter hat seine Autorität überschritten"
DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der beim Kongress und der Präsidentenwahl am 29. Mai in Seoul Amtsinhaber Blatter unterstützen will, sagte: "Wenn es neue Sachverhalte geben sollte, müssen wir uns im DFB-Vorstand zusammensetzen und die Situation neu überdenken." Er kenne die Klageandrohung jedoch nur aus der Presse und müsse prüfen, welche Konsequenzen Blatter tatsächlich drohen.
"Herr Blatter hat seine Autorität überschritten"
Der Fifa-Präsident hob hervor, dass er einer Klage gelassen entgegensehe. "Ich stelle fest, dass meine Gegner nicht für das Wahlprogramm ihres Kandidaten, sondern weitgehend gegen mich persönlich kämpfen. Wie die Reaktionen zahlreicher Nationalverbände zeigen, haben diese die Absichten meiner Gegner durchschaut. Sie lassen sich nicht davon beeindrucken", meinte Blatter. Nach eigenen Angaben habe er bislang nicht auf Zen-Ruffinens Vorwürfe reagiert, weil ihm der Generalsekretär noch immer nicht alle Akten zur Verfügung gestellt habe.
Bereits zuvor hatte Chung Mong-Joon, Fifa-Vizepräsident und Präsident des sükoreanischen Verbandes, in Seoul angekündigt, dass ein Schweizer Anwalt mit der Prüfung einer Klage gegen Blatter beauftragt werde. "Herr Blatter hat seine Autorität überschritten. Solch ein Missbrauch von Fifa-Mitteln muss eine Untersuchung nach sich ziehen. Das so genannte 'Blattergate' hat den Ruf der Fifa in der ganzen Welt beschädigt", meinte Chung.
500 Millionen Dollar Verlust?
Der Südkoreaner, der auch WM-OK-Chef seines Landes ist, verwies außerdem darauf, dass sich die Fifa-Verluste der vergangenen vier Jahre neuesten Untersuchungen zufolge auf 500 Millionen Dollar belaufen würden. Neben Chung und Johansson will sich aus der Fifa-Exekutive auch Afrika-Verbandschef Issa Hayatou (Kamerun), der einzige Gegenkandidat Blatters beim Fifa-Kongress am 29. Mai in Seoul, an der Klage beteiligen. Blatter selbst hatte die jüngsten Vorwürfe als "bizarr und unbegründet" zurückgewiesen.
Meyer-Vorfelder ist nicht beteiligt
Chung ist völlig anderer Meinung: `Es war ein großer Schock für die meisten von uns, das volle Ausmaß von Blatters Amtsmissbrauch zu überblicken." Es sei ihm peinlich, zugeben zu müssen, dass die verantwortlichen Mitglieder der Fifa-Exekutive die Handlungen Blatters in der Vergangenheit zugelassen hätten. Chung unterstützt als einziges Exekutiv-Mitglied des asiatischen Verbandes (AFC) den Vorstoß gegen Blatter. AFC-Präsident Mohammad bin Hamman (Katar) ist bekennender Blatter-Getreuer.
Meyer-Vorfelder ist nicht beteiligt
Von den insgesamt acht europäischen Exekutiv-Vertretern weigerten sich zwei, eine Klage zu unterstützen. Deutschland hat derzeit keinen Sitz in dem Gremium, DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder kehrt erst nach dem Fifa-Kongress in die Exekutive zurück. Namen der Personen, die den Auftrag an den Schweizer Anwalt billigen, nannte Chung nicht.
Zuletzt hatte Uefa-Boss Johansson öffentlich den Rücktritt Blatters gefordert. Gleiches hatte er zuvor am Rande der Fifa-Exekutivsitzung in Zürich bereits mit weiteren vier der insgesamt sieben Vize-Präsidenten verlangt. Im Verlauf des über zehnstündigen Meetings hatte Zen-Ruffinen heftige Vorwürfe gegen seinen Vorgesetzten und Schweizer Landsmann Blatter vorgelegt und den Fifa-Boss unter anderem der Korruption und Misswirtschaft beschuldigt.
Erzfeind Johansson
Der 66 Jahre alte Blatter ist seit 1998 Präsident der Fifa und war vorher lange Jahre selbst Fifa-Generalsekretär. Vor vier Jahren hatte er sich in Paris in einer Kampfabstimmung gegen Uefa-Boss Johansson durchgesetzt.