Andreas Schmidt AusgeNapstert

Der Medien-Manager verlässt die Bertelsmann eCommerce Group. Schmidt war unter anderem verantwortlich für die strategische Allianz mit der Musiktauschbörse Napster, deren Neustart mit einem kostenpflichtigen Abo-Angebot seit Monaten immer wieder verschoben wird.
Von Clemens von Frentz

Gütersloh - Wie Branchenkenner bereits seit einiger Zeit erwarteten, verlässt Andreas Schmidt, President und CEO der Bertelsmann eCommerce Group sowie Chairman und CEO bei BeMusic, die Bertelsmann AG - "auf eigenen Wunsch", wie ein Sprecher des Gütersloher Unternehmens betont. Der umtriebige Medien-Mann will sich nun, wie es heißt, "neuen unternehmerischen Herausforderungen" stellen. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.

Der 40-jährige Schmidt hatte sich zuletzt im November 2000 durch den Bertelsmann-Einstieg bei Napster ins Gespräch gebracht. Dem Vernehmen nach zahlten die Gütersloher für diesen Deal rund 60 Millionen Dollar. Etwa ein Jahr später schoss der Konzern erneut nach; diesmal lag die Summe nach Branchen-Berichten bei rund 26 Millionen Dollar.

Geplant war, die Internet-Plattform in einen kostenpflichtigen Abo-Service umwandeln. Dieses Vorhaben jedoch geriet immer mehr ins Stocken, da zahlreiche juristische und technische Probleme auftraten.

Noch im November letzten Jahres hatte Schmidt optimistische Prognosen für die Zukunft von Napster abgegeben. Im Interview mit der von ihm gegründeten Zeitschrift Online Today (Gruner + Jahr) sagte er: "Napster wächst jetzt schneller als jemals zuvor, im Moment mit knapp 300.000 Neukunden pro Tag. Und ich sehe nicht, dass dieses Wachstum abebbt." Seine Erwartungen waren hoch. "Napster", so Schmidt, "wird sozusagen der Garantiegeber für Musik in 1A-Qualität."

Napster: Treffpunkt für Rechtsextreme und Porno-Fans

Ganz falsch war diese Prognose nicht. Das Wachstum entwickelte sich allerdings anders als geplant. Nach Erkenntnissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes wurde Napster immer mehr zur zentralen Plattform für den Austausch rechtsextremer Musik.

Ein Sprecher der Behörde sagte im Dezember 2000, bei Napster würden inzwischen alle indizierten und strafbewährten Titel getauscht. Die Tauschbörse habe dafür gesorgt, dass Rechtsextreme ungestört Titel verbreiten könnten, in denen zu Mord aufgerufen werde. Außerdem beobachteten Branchen-Experten eine deutliche Zunahme des Austausches von Porno-Dateien über die Napster-Plattform.

Umstrittene Methoden

Andreas Schmidt begann sein Karriere beim Bundesgrenzschutz und arbeitete ab 1987 als Reporter bei der Münchner "Abendzeitung" und "Bild". Nach seinem Wechsel als "TV Movie"-Chefredakteur zum Bauer Verlag heuerte er bei Gruner + Jahr an und gründete 1994 die Fernseh-Zeitschrift "TV Today", der ein wirtschaftlicher Erfolg bis heute versagt blieb. Es folgte ab 1998 ein kurzes Intermezzo als CEO AOL Europe, ehe es Schmidt Richtung Gütersloh zog.

Umstrittene Methoden

Die Methoden Schmidts waren in Branchenkreisen nicht ganz unumstritten. Insbesondere während seiner Zeit bei Gruner + Jahr bescherte er den hauseigenen Juristen reichlich Arbeit. Für sein notorisch notleidendes Produkt "TV Today" senkte er zur Verbesserung der Auflage mehrmals den Preis und handelte sich damit einige Einstweilige Verfügungen erboster Wettbewerber ein.

Auch die von ihm initiierte Boris-Becker-Kampagne von AOL sorgte für kontroverse Diskussionen. Nach Einschätzung zahlreicher Fachleute soll sie für die gewünschte Steigerung der Abonnentenzahl nicht den Effekt erzielt haben, den man sich von der millionenschweren Werbung erhofft hatte.

An Napster soll festgehalten werden

Hintergrund für den jetzigen Abgang des gebürtigen Hessen ist die Neustrukturierung der Bertelsmann eCommerce Group (BeCG). BeCG soll zum Ende des Jahres in die bestehenden US-Geschäfte der DirectGroup Bertelsmann integriert werden, wobei die Umsetzung der digitalen Musikvertriebs-Strategie von der im Sommer 2001 gegründeten Einheit BeMusic (BMG Direct, CDNOW, myplay) unter Chef Stuart Goldfarb fortgeführt wird.

An der strategischen Allianz mit Napster will der Konzern trotz aller ungelösten Probleme festhalten. Napster-CEO Konrad Hilbers sagte gegenüber dem "Wall Street Journal", er danke Andreas Schmidt für alles, was er für Napster getan habe. Einen Zusammenhang zwischen der Schieflage seines Unternehmens und Schmidts Abgang wollte er nicht bestätigen.

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