Köpfe 2000 Harry Potter: Der Überflieger
Auf einmal ist alles anders. Die sonst streng auf Ressortgrenzen pochende "FAZ" rückt die Geschichte über ein Buch in ihren Wirtschaftsteil. Die "Berliner Morgenpost", üblicherweise dem Boulevard verpflichtet, feiert in intellektuellem Tremolo "die diskursive Durchsetzung der zaubernden Gegenwelt". Und der inken "Tageszeitung" schwant ungewohnt geschichtsbewusst: "Mitten in der Postmoderne umfängt uns das Barock."
Was geschehen ist? Ein kleiner Kerl, gerade mal zwölf Jahre alt, Brille, Blitznarbe auf der Stirn, hat ein weiteres Mal seinen Auftritt als großer Zauberer: Romanheld Harry Potter bricht mit dem vierten Teil seiner Geschichte alle Buchrekorde.
Am Samstag, den 14. Oktober, lagen in deutschen Buchhandlungen logistisch ein Meisterstück superlativische 1.050.000 Bände des Märchens bereit. Zum Teil bereits um sechs Uhr morgens, der frühestmöglichen Öffnungszeit.

Für Millionen von TV- und Internet-Verwöhnten, die der Sirenen-Gesang von Autorin Joanne K. Rowling in einen nie da gewesenen Lese-Rausch versetzt hat. Zwei Wochen später führt "Harry Potter und der Feuerkelch" die "Spiegel"-Bestsellerliste an, gefolgt von den vorangegangenen drei Bänden.
Nicht etwa ein Konzern mit fixen Buchbetriebswirten und gewaltigem Werbeetat steht hinter dem Erfolg, sondern der kleine Carlsen Verlag aus Hamburg, Ableger der schwedischen Bonnier AB.
Hier hatte Verlagschef Klaus Humann, Freund der Rockmusik
und Verächter des Mobiltelefons, als Einziger in der
Branche genug literarisches Gespür und unternehmerische
Courage, gleich für drei Bände Lizenzen zu zeichnen. Obwohl
erst einer geschrieben war. Wunderbar - fast wie im
richtigen Märchen-Buch.
Die Köpfe 2000 im Überblick