
Ruhrkonzern in Not: Die wichtigsten Akteure von Thyssenkrupp
Grünes Licht für radikalen Konzernumbau bei Thyssenkrupp Aufzugsparte an die Börse, Kündigungen nur "ultima ratio"
Bei Thyssenkrupp könnte der radikale Konzernumbau weniger einschneidende Folgen für die Beschäftigten haben als zunächst befürchtet. Der Industriekonzern will bei dem geplanten Stellenabbau möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen. Das sieht eine Grundlagenvereinbarung des Unternehmens mit der IG Metall vor, wie Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard mitteilte.
Gutes Signal: Wir haben eine Grundlagenvereinbarung mit der #IGMetall. Wir beschreiben, was wir uns zumuten. Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir vermeiden, sind aber in Ausnahmen (ultima ratio) möglich. Wir sind ehrlich zu uns selbst. Gemeinsam für #thyssenkrupp. #newtk
— Oliver Burkhard (@oburkhard) May 11, 2019
Thyssenkrupp will nach dem Aus für die Stahlfusion mit dem indischen Konkurrenten Tata und der gestoppten Zweiteilung des Konzerns 6000 Stellen streichen, davon 4000 in Deutschland. "Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir vermeiden", erklärte Burkhard am Samstag über den Kurznachrichtendienst Twitter. Sie seien "aber in Ausnahmen (ultima ratio) möglich". Weltweit beschäftigt der Konzern mehr als 160.000 Mitarbeiter.
Aus Sicht der IG Metall sind mit der Grundlagenvereinbarung Mindeststandards für den fairen Umgang mit den Beschäftigten festgelegt worden. "Die roten Linien sind gezogen", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, Markus Grolms von der IG Metall, am Sonntag. "Der Umbau von Thyssenkrupp ist leider unvermeidbar." Das werde "ein schwerer, aber leider notwendiger Weg für das Unternehmen und die Beschäftigten". Die Arbeitnehmer seien "bereit, dafür Schmerzen zu ertragen, aber nicht um Aktionäre mit Sonderdividenden zu beglücken".
Beim möglichen Börsengang der Aufzugssparte habe sich Thyssenkrupp verpflichtet, eine in Deutschland gelistete Aktiengesellschaft zu gründen. Im Geschäft mit Autoteilen werde eine Führungsgesellschaft mit einem Aufsichtsrat gebildet. Damit sei die Mitbestimmung in allen Bereichen abgesichert. "Wenn in Zukunft Unternehmen verkauft oder verselbständigt werden sollen, muss in jedem Fall zunächst eine Fair-Owner Vereinbarung mit der IG Metall getroffen werden."
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der Mitglied im Kuratorium des Großaktionärs Kruppstiftung ist, begrüßte die Vereinbarung. "Das Konzept, das mir Vorstand und Gewerkschaften gemeinsam vorgestellt haben, ist überzeugend. Es bietet Zukunftschancen für Thyssenkrupp und für Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen", sagte er nach einem Treffen mit Kerkhoff und Grolms am Samstag in Essen. Kerkhoff habe bestätigt, dass alle Erlöse aus dem Börsengang in das Unternehmen gesteckt werden sollen. Das sei sehr wichtig. "Erlöse eines Börsengangs oder aus möglichen Veräußerungen müssen in die Zukunftsfähigkeit von Thyssenkrupp insgesamt investiert werden, damit der überwiegende Teil der Arbeitsplätze gesichert werden kann", sagte der CDU-Politiker nach einem Treffen mit Kerkhoff und Grolms in Essen.
Ein Großteil der Stellenstreichungen dürfte den Stahl mit seinen 27.000 Mitarbeitern treffen. Die Traditionsparte bleibt weiterhin der Kernbereich des weit verzweigten Konzerns. Dort sollten auch bei der jetzt gestoppten Fusion mit Tata 2000 Jobs wegfallen. Die IG Metall hatte aber in Verhandlungen mit dem Unternehmen eine Beschäftigungsgarantie bis zum 30. September 2026 sowie eine langfristige Standortsicherung erreicht.
Die IG Metall in Nordrhein-Westfalen fordert die Einhaltung dieser Vereinbarungen. Es sei "nicht ersichtlich, warum die für das Joint Venture geleisteten Zusagen nicht auch für die neue Strategie gelten sollten", sagte der NRW-Bezirksleiter der Gewerkschaft, Knut Giesler. Die Beschäftigten hätten ein Recht auf Standort- und Beschäftigungssicherung. "Hier ist der Vorstand jetzt gefordert, schnell Klarheit zu schaffen", forderte er.
Stellenstreichungen dürften neben dem Stahlbereich auch die Firmenzentrale und andere Verwaltungseinheiten treffen. Kerkhoff will die Verwaltungskosten im gesamten Konzern von derzeit 380 Millionen Euro pro Jahr innerhalb von zwei Jahren auf unter 200 Millionen Euro nahezu halbieren. Außerdem könnten Unternehmensteile verkauft werden. "Manche Geschäfte werden sich außerhalb von Thyssenkrupp besser entwickeln können", hatte Kerkhoff gesagt. Beim Verkauf oder der Verselbstständigung eines Unternehmensteils müsse Thyssenkrupp aber zunächst eine sogenannte Fair-Owner-Vereinbarung zum Schutz der Beschäftigten mit der IG Metall treffen, sagte Grolms.
Nächste wichtige Etappe ist eine Sitzung des Aufsichtsrats am 21. Mai. Dort will sich Kerkhoff die Zustimmung des Kontrollgremiums für seine Pläne abholen. Bereits am Samstagabend hatten wichtige Aufsichtsratsmitglieder des kriselnden Mischkonzerns dem Vorstand grünes Licht für den geplanten radikalen Konzernumbau gegeben. Der Strategie-, Finanz- und Investitionsausschuss des Aufsichtsrats habe einstimmig den Empfehlungen des Vorstands zur Neuausrichtung des Konzerns zugestimmt, hatte die Thyssenkrupp AG mitgeteilt.