Siemens-Chef Joe Kaeser will die Geschäfte des Konzerns neu bündeln. Seine lange erwartete Strategie mit dem Arbeitstitel "Vision2020+" sieht vor, die bislang noch fünf Industriedivisionen zu drei zusammenzulegen und den neuen Einheiten höhere Margenziele zu verordnen. Anfang August will Kaeser seinen Plan vorlegen. Das berichtet das manager magazin in seiner neuen Ausgabe, die ab 22. Juni im Handel ist, unter Berufung auf Unternehmenskreise. Nach Veröffentlichung des Berichts sackte der Aktienkurs von Siemens kurz auf 114,56 Euro ab, bevor er am Freitag auf wieder deutlich mehr als 115 Euro zulegte.
Die mit Abstand wertvollste Sparte "Digitale Fabrik" soll dem Bericht zufolge mit der Automatisierung von Prozessindustrien vereint werden. Das "Energy Management" soll zerschlagen werden: die Stromverteilnetze inklusive der hochprofitablen "intelligenten" Netze werden mit der prosperierenden Gebäudetechnik zusammengeführt. Die Hochspannungsnetze über Land werden voraussichtlich dem kriselnden fossilen Kraftwerksgeschäft zugeschlagen. Bereits mit Beginn des neuen Geschäftsjahres am 1. Oktober soll der Umbau umgesetzt werden.
Damit bereitet Kaeser Europas größten Industriekonzern auf die von ihm geplante langfristige neue Aufstellung vor. Ihm schwebt eine Struktur aus nur noch zwei Siemens-Unternehmen vor: ein industrielles Siemens rund um Fabrik- und Gebäudeautomation und die Siemens Healthineers. Die mehrheitlich gehaltenen Töchter wie die Windfirma Siemens Gamesa oder der künftige Zughersteller Siemens Alstom könnten in fünf Jahren "so gut sein, dass sie alleine überleben", sagte Kaeser kürzlich vor Investoren in New York.
Ein Siemens-Sprecher wollte die Informationen nicht kommentieren. "Aktuell arbeiten wir mit Ruhe und Sorgfalt an der Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie", sagte er. "Dort, wo Änderungen nötig sind, werden wir handeln. Dabei werden wir immer die Kundennähe sowie die Wettbewerbs- und die Innovationsfähigkeit im Fokus haben."
James Stettler, seit Jahren einer der kundigsten Siemens-Analysten und derzeit für die Bank Barclays tätig, bezeichnete die vom manager magazin beschriebenen Pläne Kaesers in einer ersten Reaktion als "logischen Schritt". Dass Siemens in einigen Jahren nur noch aus Geschäften rund um Automation und einem großen Anteil an Siemens Healthineers bestehen könnte, sei die "beste Option".
Wer oder was ist Siemens, und wie lange noch? Die Frage stellt man sich nicht zuletzt in der 2016 eröffneten Münchener Zentrale. Die spiegelt schon baulich den Wandel des Konzerns in einen lockeren Holding-Verbund: Platz ist für 1200 Beschäftigte, aber nicht unbedingt ein fester Stammplatz im Büro.
Mit Healthineers löst sich der größte Gewinnbringer unter den Siemens-Sparten teilweise ab. Im ersten Halbjahr 2018 soll die Medizintechnik an die Börse gehen, die Bewertungsfantasie geht bis 40 Milliarden Euro. Siemens behält - zumindest vorerst - die Mehrheit der Anteile.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 13,8 Milliarden Euro
Marge: 18,1 Prozent
Die Windkraftsparte ist bereits seit April eigenständig: Siemens Gamesa Renewable Energy entstand aus der Fusion mit dem spanischen Wettbewerber Gamesa. Das gemeinsame Unternehmen mit Sitz im Baskenland gehört zu 59 Prozent Siemens, und soll mit vereinter Kraft die Branchenführung übernehmen. Angesichts roter Zahlen ist zunächst aber erst einmal Sparkurs mit der Streichung tausender Stellen angesagt.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 7,9 Milliarden Euro
Marge: 4,3 Prozent
Nach demselben Muster auf dem Weg nach draußen ist die Bahnsparte Mobility, die unter Führung des französischen Rivalen Alstom mit Siemens als Mehrheitseigner die Bahnindustrie dominieren soll - einschließlich der Bahnantriebe, die noch in der Sparte Process Industries and Drives eingegliedert sind. Ende 2018 soll der neue europäische Marktführer in Paris stehen.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 8,1 Milliarden Euro (nur Siemens Mobility)
Marge: 9,2 Prozent (nur Siemens Mobility)
Zum Kerngeschäft könnte sich gemäß der "Vision 2020" von Konzernchef Joe Kaeser, Siemens "entlang der Wertschöpfungskette der Elektrifizierung und Automatisierung" aufzustellen, die Sparte Power and Gas zählen. Doch das hätte für die Windkraftsparte und die Bahntechnik auch gelten können. Trennungspläne gibt es für die Produktion von Turbinen als Ganzes nicht - wohl aber für einzelne Werke und mehrere Tausend Beschäftigte wegen der flauen Nachfrage. Die mit Kaesers erstem großen Deal, dem Kauf der US-Firma Dresser-Rand, in den Fokus gerückte Öl- und Gasindustrie macht auch kaum Freude.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 15,5 Milliarden Euro
Marge: 10,3 Prozent
Auch Process Industries and Drives ist von den aktuellen Kürzungsplänen betroffen - wie auch von der Fusion der Bahntechnik mit Alstom. Vom Margenziel 8-12 Prozent ist die Sparte, die beispielsweise Antriebe für den Maschinenbau fertigt, notorisch weit entfernt. Zuletzt ging es etwas aufwärts, wenn auch nicht mit der Stimmung in der Belegschaft
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 8,8 Milliarden Euro
Marge: 5,0 Prozent
Energy Management passt wiederum eindeutig in die Wertschöpfungskette des Elektrokonzerns. Das Geschäft mit Transformatoren und Umspannwerken erfüllt auch - abgesehen von anfänglichen Fehlinvestitionen mit dem Anschluss von Offshore-Windparks - die Hoffnung, von der Energiewende zu profitieren. Die Nachfrage nach Ausbauten im Stromnetz erweist sich bisher als solider als die nach Windrädern oder gar Gaskraftwerken.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 12,3 Milliarden Euro
Marge: 7,6 Prozent
Die Gebäudetechniksparte Building Technologies steht für das kundennahe Ende der Wertschöpfungskette. Hier glaubt auch Siemens an den Trend zum "Smart Home" - während die Hausgerätesparte vor Jahren schon an den Ex-Partner Bosch ging, der im Unterschied zu Siemens Potenzial in der Vernetzung Weißer Ware sieht.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 6,5 Milliarden Euro
Marge: 12 Prozent
Die Vorzeigesparte heißt Digital Factory. Siemens baut zwar selbst keine Roboter, sieht sich aber als einer der Vorreiter in der Automatisierung und Digitalisierung der Industrie - der "vierten industriellen Revolution". Abgerundet wird das Geschäft auch durch herkömmliche Schaltanlagen, verstärkt wurde es zuletzt durch mehrere teure Zukäufe von Industriesoftwarefirmen. Der Status schützt allerdings nicht vor Sparprogrammen und Stellenabbau
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 11,4 Milliarden Euro
Marge: 18,8 Prozent
Zum Kerngeschäft könnte sich gemäß der "Vision 2020" von Konzernchef Joe Kaeser, Siemens "entlang der Wertschöpfungskette der Elektrifizierung und Automatisierung" aufzustellen, die Sparte Power and Gas zählen. Doch das hätte für die Windkraftsparte und die Bahntechnik auch gelten können. Trennungspläne gibt es für die Produktion von Turbinen als Ganzes nicht - wohl aber für einzelne Werke und mehrere Tausend Beschäftigte wegen der flauen Nachfrage. Die mit Kaesers erstem großen Deal, dem Kauf der US-Firma Dresser-Rand, in den Fokus gerückte Öl- und Gasindustrie macht auch kaum Freude.
Umsatz im Geschäftsjahr 2017: 15,5 Milliarden Euro
Marge: 10,3 Prozent