Siemens-HV Siemens-Chef Joe Kaeser vergeht das Lachen

Siemens-Chef Joe Kaeser vor Beginn der Hauptversammlung: Schon fröhlichere Tage erlebt

Siemens-Chef Joe Kaeser vor Beginn der Hauptversammlung: Schon fröhlichere Tage erlebt

Foto: Sven Hoppe/ dpa

Am Ende der frühmorgendlichen Pressekonferenz lachte Joe Kaeser plötzlich in sich hinein. Seine Kollegen aus der Kommunikationsabteilung kümmerten sich ja sehr um ihn und hätten ihm etwas auf den Tisch gelegt, sagte er. Und hielt mit breitem Grinsen einen großen gelben "Smiley"-Sticker in die Kameras.

Tatsächlich hatte der Konzernchef schon fröhlichere Tage in seinen fünfeinhalb Jahren an der Siemens-Spitze. Die über ein Jahr intensiv vorbereitete Fusion der Siemens-Zugsparte mit dem französischen Rivalen Alstom wird wohl demnächst wegen Wettbewerbsbedenken durch die EU-Kommission blockiert.

Am Morgen musste der Vorstandschef durchwachsene Zahlen für das erste Geschäftsquartal vorstellen. Neben der kriselnden Kraftwerkssparte enttäuschte das Energiemanagement mit einem halbierten Gewinn; im Gesamtkonzern flossen bei einem Nettogewinn von 1,1 Milliarden Euro per Saldo 337 Millionen Euro Cash ab. Der Aktienkurs von Siemens  gab zeitweise stärker nach als der Dax  .

Die Aktionäre in der Olympiahalle billigten zwar grundsätzlich Kaesers Strategie, kritisierten aber Siemens' immer weiter abbröckelnde Kapitalrendite, inkonsistente Vorstandsboni sowie einen unbefriedigenden Aktienkurs über die vergangenen zwölf Monate.

Hauptversammlung als Familientreffen: Kaeser gibt den Patriarchen

Zumindest am Morgen hielt der Siemens-Chef das Lächel-Mantra eine Zeitlang durch. Sein umstrittener Tweet in dem Streit um die Siemens-Alstom-Fusion "Wer Europa liebt, der sollte seine Zukunft gestalten und sich nicht in rückwärts gerichteten Formeln verlieren. Es muss bitter sein, wenn man technisch recht hat, aber für Europa doch alles falsch macht" sei gar nicht an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gerichtet gewesen, eröffnete er den staunenden Journalisten.

"Ich könnte mich gar nicht erinnern, dass ich an die Kommissarin geschrieben habe", sagte er - obwohl er mit dem Tweet auf einen Beitrag Vestagers geantwortet hatte. Zudem habe er nicht über Siemens Alstom gesprochen. Es gehe ihm vielmehr darum, dass das europäische Wettbewerbsrecht nicht mehr zeitgemäß sei. Er sei weder verbissen, noch bitter oder gar wütend. "Wir haben eine große Gelassenheit."

Anschließend, vor den Aktionären in der Olympiahalle, gab Kaeser den strahlenden, entspannten Patriarchen der Siemens-Familie. Die Hauptversammlung sei für ihn "wie eine Art Familientreffen"; "Ich sehe viele Gesichter und Freunde, die uns schon seit langer Zeit die Treue halten."

Die Getreuen allerdings äußerten sich teils recht ungnädig. "Wir wollen nicht bloß hören, dass Siemens besser als die Konkurrenz ist, wir wollen es im Aktienkurs sehen", rief Union-Investment-Fondsmanager Christoph Niesel Kaeser zu.

Börsengang von Healthineers enttäuscht

Vor allem der Börsengang der Konzernperle Healthineers enttäuschte Siemens' Aktionäre allenthalben. "Unerfreulich genug, dass wir nicht mit Healthineers-Aktien bedacht wurden, auch der positive Effekt auf den Siemens-Aktienkurs blieb aus", klagte Deka-Investment-Fondsmanger Winfried Mathes.

Siemens' Wert wird vom Kapitalmarkt heute sogar niedriger angesetzt als vor dem Listing der Medizintechnik im März 2018. "Da der Kapitalmarkt davon ausgeht, dass Siemens seinen Anteil an Healthineers auf absehbare Zeit nicht verkaufen wird, bewertet er die Anteile, die Siemens halt, mit einem deutlichen Abschlag", sagte DWS-Fondsmanager Marcus Poppe. "Den Wert haben also in erster Linie Investoren von Healthineers gehoben und nicht Aktionare von Siemens."

Darüber hinaus sei die Konzernrendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Capital Employed, Roce) sowie die Generierung freier Liquidität seit Kaesers Amtsantritt rückläufig, kritisierte Union-Mann Niesel. Im Geschäftsjahr 2018 war der Roce auf 12,7 Prozent gesunken. Im Startquartal des neuen Geschäftsjahres schrumpfte die Kapitalrendite auf 9,5 Prozent. Siemens' Konzernziel sind 15 bis 20 Prozent.


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Es werde, räumte Kaeser ein, "noch einige Zeit dauern, bis wir wieder dort sind." Grund seien unter anderem Investitionen wie in die US-Softwarefirma Mentor Graphics. Die neue Strategie "Vision2020+" beinhalte aber, die Zielbandbreite "im Planungszeitraum" wieder zu erreichen.

Die Fondsmanager forderten auch konsistentere Kriterien für die Barboni von Kaeser und seine Kollegen. Diese hängen teilweise vom Roce ab; für 2018 sah der Aufsichtsrat die Ziele des Vorstands bereits bei einem Roce von 11 Prozent als erreicht an - was jedoch deutlich unter dem Konzernziel von 15 bis 20 Prozent liegt. Es sei "wunschenswert, dass sich Renditeziele fur Investoren und Vorstand nicht mehr unterscheiden", sagte DWS-Mann Poppe.

Kaesers Plan, den einzelnen Sparten in der "Vision2020+" mehr unternehmerische Freiheit zu geben, sahen die meisten Aktionäre als den richtigen Weg, um den Gesamtwert des Unternehmens zu erhöhen. Allerdings warnte Deka-Manager Mathes: "Vorsicht, wer zu stark an der DNA des Unternehmens rüttelt, kann leicht zum Totengräber der "Marke Siemens" werden, die bisher noch alle handelnden Personen überlebt hat."


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In zwei Jahren läuft Kaesers Vertrag als Siemens-Chef ab; dann erreicht er auch die Altersgrenze für Siemens-Vorstände von 63. "Sie sind auf der Zielgerade Ihrer Amtszeit", sagte Union-Mann Niesel. "Wir hoffen, dass Sie sich das Beste zum Schluss aufgehoben haben und einen Teil der Früchte des Konzernumbaus noch selbst ernten können."

Damit entlockte er Kaeser dann doch nochmal ein Grinsen.

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