Die Krise auf dem Markt für Kraftwerkstechnik kann Siemens bislang wenig anhaben. Anders als bei den europäischen Konkurrenten sackten Gewinn, Auftragseingang und Umsatz bei den Münchnern im abgelaufenen Quartal nur geringfügig ab. Der Überschuss schrumpfte im Wesentlichen nur wegen der Lasten für den laufenden Stellenabbbaus.
"Insgesamt zeigten unsere Geschäfte trotz eines schwächeren Marktumfelds eine solide operative Profitabilität. Wir erwarten, dass wir unser Momentum mit einem starken Schlussquartal des Geschäftsjahres beibehalten werden", erklärte Vorstandschef Joe Kaeser.
Der Gewinn aus fortgeführtem Geschäft nahm binnen Jahresfrist um 7 Prozent auf 1,25 Milliarden Euro ab, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Damit schnitt Siemens deutlich besser ab als von Analysten erwartet.
Der Umsatz gab währungsbereinigt um 3 Prozent auf 18,84 Milliarden Euro nach, der Auftragseingang fiel um 5 Prozent auf 19,86 Milliarden Euro.
Bereiche Netz- und Medizintechnik federn schwache Geschäfte im Energiemarkt ab
Während der Umsatz mit Kraftwerkstechnik um 15 Prozent in die Knie ging, überbrückte Siemens die Investitionsscheu der Kundschaft im Energiemarkt als Folge des niedrigen Ölpreises mit Mehreinnahmen in der Netz- und Medizintechnik. Der laufende Stellenabbau trieb erwartungsgemäß die Kosten in die Höhe. Im abgelaufenen dritten Quartal - das Geschäftsjahr des Konzerns endet im September - verbuchte Siemens 274 Millionen Euro dafür. Insgesamt will sich Konzernchef Joe Kaeser den Abbau von gut 13.000 Arbeitsplätzen etwa eine Milliarde Euro kosten lassen.
Für das gesamte Geschäftsjahr 2014/15 bekräftigte Kaeser seine Prognose, wonach der Gewinn je Aktie um mindestens 15 Prozent zulegen soll. Im industriellen Geschäft prognostiziert Siemens eine Marge zwischen zehn und elf Prozent.
Neuer Chef für Bereich Prozessindustrie und Antriebe
Im lahmenden Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe tauscht Siemens unterdessen den Chef aus. Der Manager Jürgen Brandes wechselt aus der Zugtechniksparte auf den Posten, der bisherige Amtsinhaber Peter Herweck verlässt den Konzern. Siemens-Chef Kaeser hält große Stücke auf die unter dem Namen Prozessindustrie zusammengefassten Geschäfte mit der Chemie- und Pharmaindustrie, zuletzt hatte die Einheit allerdings einen Auftragseinbruch um ein Fünftel verbucht.
Aktien von Siemens rückten vorbörslich bei Lang & Schwarz 1 Prozent vor.
Mission erfüllt? Mit dem vereinbarten Abbau von 13.100 Stellen sei der "strukturelle Umbau des Unternehmens in der Hauptsache abgeschlossen", teilt Siemens zusammen mit den Zahlen für die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2014/15 mit. In knapp zwei Jahren an der Siemens-Spitze hat Joe Kaeser den Konzern nach dem Leitsatz "Elektrisieren - automatisieren - digitalisieren" gestrafft, die früher starken Sektoren abgeschafft, Nebengeschäfte wie Haus- und Hörgeräte abgestoßen, den ersten großen Zukauf seit Jahren eingefädelt ... Vor ihm liegen dennoch einige weitere große Aufgaben.
-> das Öl- und Gasgeschäft auf Touren bringen
Der Kauf des Industriedienstleisters Dresser-Rand ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern, da sieht die Wette auf die Zukunft der Branche schon wieder schlecht aus. Ausgerechnet jetzt kollabiert mit dem Ölpreis auch der Fracking-Boom in den USA. Kaesers neue Vorstandsfrau Lisa Davis muss von Houston aus nicht nur die widerspenstige neue Tochter zähmen, sondern auch hoffen, dass die Aufträge zurückkehren. Zuletzt schrumpfte der Gewinn der Sparte um ein Drittel.
-> in der Turbinentechnik aufholen
Die abgebildete Siemens-Turbine wurde für das bayerische Gaskraftwerk Irsching gebaut - das kurz nach der Inbetriebnahme schon wieder vom Netz genommen wurde. Solche Großaufträge im Heimatmarkt sind für den Kern des Konzerns auf Dauer nicht mehr zu erwarten. Neben der Auftragsflaute und dem Margenverfall infolge von deutscher Energiewende und europäischer Wirtschaftskrise plagt die Sparte auch noch die Konkurrenz: US-Rivale GE dominiert den Weltmarkt nach dem Kauf von Alstom fast uneingeschränkt und hat ebenso wie Mitsubishi technisch die Nase vorn. Siemens muss mit höheren Entwicklungskosten für neue Turbinen nachlegen.
-> mit der Windkraft endlich Geld verdienen
Von der grünen Vision des Kaeser-Vorgängers Peter Löscher ist vor allem das Windkraftgeschäft übrig geblieben, in dem Siemens immerhin zu den ganz Großen zählt. Doch mit magerem Ergebnis: minus 3,5 Prozent Marge Anfang 2015. Immer wieder verursachen technische Probleme hohe Kosten, der Neubau von Großanlagen lahmt, auch für Windräder wird eine neue Turbinengeneration teuer gestartet.
-> ein Geschäftsmodell auf hoher See finden
Die gewaltigen Probleme mit der technischen Ausrüstung für Meereswindparks scheinen zwar zum Großteil in der Vergangenheit zu liegen. Doch neue Großaufträge fehlen hier fast völlig. Die wären jedoch nötig, damit sich die Milliardeninvestitionen in die Erprobung einer neuen Technik langfristig auszahlen.
-> die nächste industrielle Revolution anführen
Was relativ gut für Siemens läuft, ist die Automatisierung und Vernetzung der Industrie. Das Schlagwort "Industrie 4.0" wurde für die neue Spartenstruktur "digitale Fabrik" genannt. Einen so eindeutigen Schwerpunkt wie der Schweizer Wettbewerber ABB setzt Siemens jedoch nicht. Und so klar der Trend zur Digitalisierung ist, so hoch sind doch auch die Hürden in Akzeptanz und Regulierung.
-> mit den Zügen Fahrt aufnehmen
Die langfristig eher margenschwache Mobilitätssparte, von Kaeser selbst zwischenzeitlich zur Disposition gestellt, kann sich aktuell über ein großes Auftragsplus für Siemens-Züge freuen. Die Perspektive ist aber unklar, Prestigeerfolge wie der Siemens-Eurostar in London sind rar und beruhen auf mehrere Jahre alten Entwicklungen. Den Ton in der Branche geben jetzt eindeutig die chinesischen Hersteller an, die auch mit Siemens-Hilfe umsatzmäßig wie technisch an die Spitze gebracht wurden - und jetzt auch noch Nummer eins und zwei fusionieren.
-> margenschwache Geschäfte sanieren
Mehrere Konzernzweige wie die Stromübertragung, Kompressoren oder mechanische Antriebe mit zusammen 15 Milliarden Euro Jahresumsatz identifiziert Siemens nun noch als Sanierungsfälle. Traditionell hätte man diese Probleme in München per Verkauf oder Ausgliederung gelöst. Das ist auch immer noch möglich, vorrangig will Siemens das Geschäft aber intern profitabler machen. Daher wurde das Ziel für den Stellenabbau nach nur drei Monaten nochmals um 4500 Jobs erhöht.
-> die Verwaltung in Schwung bringen
Natürlich ist es auch mit dem Beschluss zur Straffung der Zentrale und der Einigung mit dem Betriebsrat nicht getan. Jetzt beginnen erst die Mühen der Ebene, den Wegfall tausender Stellen zu organisieren und die kleinere Organisation dann arbeitsfähig zu halten.
-> eine Zukunft für die Medizintechnik finden
Die größte und profitabelste Siemens-Sparte wurde zum Mai in eine eigenständige GmbH eingebracht. Ein Verkauf steht zwar nicht unmittelbar an, könnte aber langfristiges Ergebnis von künftig möglichen Anteilsverkäufen sein. Siemens Healthcare ist zwar eine Ertragsperle, steht aber unter Druck staatlicher Sparpolitik und passt nicht in die von Kaeser ausgegebene Konzernlogik "elektrisieren - automatisieren - digitalisieren".
-> General Electric jagen
Als Bewerber um den französischen Wettbewerber Alstom kam GE-Boss Jeffrey Immelt 2014 etwas triumphaler in den Elysee-Palast als Joe Kaeser - und vor allem triumphaler wieder heraus. Das von Generationen von Siemens-Chefs ausgegebene Ziel "Beat GE" ist jetzt noch weiter entfernt, selbst wenn die Amerikaner mit der Trennung von ihrer Finanzsparte freiwillig schrumpfen. Siemens wird vorerst Mühe haben, die eigenen kurzfristigen Margenziele zu erreichen.
Mission erfüllt? Mit dem vereinbarten Abbau von 13.100 Stellen sei der "strukturelle Umbau des Unternehmens in der Hauptsache abgeschlossen", teilt Siemens zusammen mit den Zahlen für die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2014/15 mit. In knapp zwei Jahren an der Siemens-Spitze hat Joe Kaeser den Konzern nach dem Leitsatz "Elektrisieren - automatisieren - digitalisieren" gestrafft, die früher starken Sektoren abgeschafft, Nebengeschäfte wie Haus- und Hörgeräte abgestoßen, den ersten großen Zukauf seit Jahren eingefädelt ... Vor ihm liegen dennoch einige weitere große Aufgaben.
Foto: DANIEL KRAMER/ REUTERS
-> in der Turbinentechnik aufholen
Die abgebildete Siemens-Turbine wurde für das bayerische Gaskraftwerk Irsching gebaut - das kurz nach der Inbetriebnahme schon wieder vom Netz genommen wurde. Solche Großaufträge im Heimatmarkt sind für den Kern des Konzerns auf Dauer nicht mehr zu erwarten. Neben der Auftragsflaute und dem Margenverfall infolge von deutscher Energiewende und europäischer Wirtschaftskrise plagt die Sparte auch noch die Konkurrenz: US-Rivale GE dominiert den Weltmarkt nach dem Kauf von Alstom fast uneingeschränkt und hat ebenso wie Mitsubishi technisch die Nase vorn. Siemens muss mit höheren Entwicklungskosten für neue Turbinen nachlegen.
-> mit der Windkraft endlich Geld verdienen
Von der grünen Vision des Kaeser-Vorgängers Peter Löscher ist vor allem das Windkraftgeschäft übrig geblieben, in dem Siemens immerhin zu den ganz Großen zählt. Doch mit magerem Ergebnis: minus 3,5 Prozent Marge Anfang 2015. Immer wieder verursachen technische Probleme hohe Kosten, der Neubau von Großanlagen lahmt, auch für Windräder wird eine neue Turbinengeneration teuer gestartet.
-> General Electric jagen
Als Bewerber um den französischen Wettbewerber Alstom kam GE-Boss Jeffrey Immelt 2014 etwas triumphaler in den Elysee-Palast als Joe Kaeser - und vor allem triumphaler wieder heraus. Das von Generationen von Siemens-Chefs ausgegebene Ziel "Beat GE" ist jetzt noch weiter entfernt, selbst wenn die Amerikaner mit der Trennung von ihrer Finanzsparte freiwillig schrumpfen. Siemens wird vorerst Mühe haben, die eigenen kurzfristigen Margenziele zu erreichen.
Als "König Joe I." hat das manager magazin Joe Kaeser porträtiert. Der Siemens-Chef hat Deutschlands größten Industriekonzern in Rekordzeit auf sich und seine Management-Philosophie zugeschnitten. Für seinen radikalen Strategiewechsel kommt es aber auch noch auf andere Akteure an ...
Vom texanischen Houston aus leitet die aus der Ölindustrie abgeworbene Vorständin Lisa Davis die größten Baustellen: die Integration des widerspenstigen Zukaufs Dresser-Rand sowie des Turbinenbauers von Rolls-Royce, den Neustart in der Fracking-Industrie ausgerechnet nach dem Ende des Booms, das Aufholen des technischen Vorsprungs der Konkurrenz im wichtigen Turbinengeschäft, die Auftragsflaute infolge der Energiewende in Europa, technische Probleme in der Windkraft, rote Zahlen der großen Division Energiemanagement ... Die Liste ist lang.
Zu den Vertrauten Kaesers beim Umbau des Riesenkonzerns zählt Mariel von Schumann. Die frühere Chefin der Investor-Relations-Abteilung wurde mit der Verantwortung für "Governance and Markets" aufgewertet.
Der Aufsichtsrat wird noch bis 2018 von Gerhard Cromme geleitet, von dem wenig Gegenwind für Kaeser zu erwarten ist. Dem einst mächtigen Vertreter der Deutschland AG bleibt noch Siemens als wesentliches Projekt - und die Freude auf den Erfolg des von ihm ins Amt gehievten Kaeser. Nachfolger Crommes an der Aufsichtsratsspitze wird 2018 der Däne Jim Hagemann Snabe.
Als Stellvertreterin Crommes dürfte Birgit Steinborn allerdings einige Widerworte geben. Die Chefin des Siemens-Gesamtbetriebsrats tritt in die Fußstapfen ihres mächtigen Vorgängers Lothar Adler, im Aufsichtsrat hat sie Ex-IG-Metall-Boss Berthold Huber abgelöst (der derzeit bei Volkswagen eher noch mächtiger geworden ist). Steinborn trägt Kaesers Milliarden-Sparziel mit, konnte in Verhandlungen aber einige hundert Stellen in der Verwaltung retten.
Der scheidende BMW-Chef Norbert Reithofer gehört als Aufsichtsrat zu den gewichtigsten unabhängigen Kontrolleuren. Nachfolger Crommes wollte er aber nicht werden.
Mit Nathalie von Siemens hat auch die Gründerfamilie, die rund 5 Prozent der Aktien vertritt, eine prominente Abgesandte im Aufsichtsrat.
Als "König Joe I." hat das manager magazin Joe Kaeser porträtiert. Der Siemens-Chef hat Deutschlands größten Industriekonzern in Rekordzeit auf sich und seine Management-Philosophie zugeschnitten. Für seinen radikalen Strategiewechsel kommt es aber auch noch auf andere Akteure an ...
Foto: DANIEL KRAMER/ REUTERSVom texanischen Houston aus leitet die aus der Ölindustrie abgeworbene Vorständin Lisa Davis die größten Baustellen: die Integration des widerspenstigen Zukaufs Dresser-Rand sowie des Turbinenbauers von Rolls-Royce, den Neustart in der Fracking-Industrie ausgerechnet nach dem Ende des Booms, das Aufholen des technischen Vorsprungs der Konkurrenz im wichtigen Turbinengeschäft, die Auftragsflaute infolge der Energiewende in Europa, technische Probleme in der Windkraft, rote Zahlen der großen Division Energiemanagement ... Die Liste ist lang.
Foto: REUTERSDer Aufsichtsrat wird noch bis 2018 von Gerhard Cromme geleitet, von dem wenig Gegenwind für Kaeser zu erwarten ist. Dem einst mächtigen Vertreter der Deutschland AG bleibt noch Siemens als wesentliches Projekt - und die Freude auf den Erfolg des von ihm ins Amt gehievten Kaeser. Nachfolger Crommes an der Aufsichtsratsspitze wird 2018 der Däne Jim Hagemann Snabe.
Foto: Siemens AG/ dpa