Konglomerat bricht mit Traditionen Samsungs Kulturrevolution - keine Macht den Erben

Lee Jae-yong, seit dem Herzinfarkt seines Vaters de facto Herr über Samsung, am Mittwoch vor Journalisten in Seoul
Foto: Kim Hong-Ji / AFPFür den britischen "Economist" ist Samsung "die mysteriöseste aller Firmen": Selbst in einer Welt "voller despotischer Gründer, komplexer Firmengeflechte und kultartiger Initiationsrituale" steche das südkoreanische Industrie- und Tech-Konglomerat mit seinen Geschäftspraktiken heraus.
Einen Einblick in die Samsung-Welt vermittelt Autor Geoffrey Cain in seinem Buch "Samsung Rising" (hier lesen Sie eine Rezension): Der Führungsstil sei militaristisch, und voller Machismo, die Macht komplett auf die Gründerfamilie fokussiert. Cain beschreibt Vetternwirtschaft, Korruption und ein internes System der Angst.
Die Ankündigungen dieser Woche kommen entsprechend einer Kulturrevolution gleich: Lee Jae-yong, der umstrittene De-facto-Herr über das weit verzweigte Samsung-Imperium, bat in Seoul nicht nur um Verzeihung für die vielen Skandale der vergangenen Jahre, sondern versprach auch, Gewerkschaften zu erlauben und seine Posten nicht an seine Kinder zu vererben. Lee selbst war bei Samsung noch dynastisch bedingt aufgestiegen: Sein Vater Lee Kun-hee, seit einem Herzinfarkt 2014 aus der Öffentlichkeit verschwunden, aber immer noch Chairman der Gruppe, ist der Sohn des Unternehmensgründers Lee Byung-chul.
Lees Ankündigungen könnten "einen Wendepunkt für eine neue koreanische Corporate Governance" darstellen, sagte Mike Cho, Professor an der Korea University Business School, dem "Wall Street Journal". Samsung stehe wie kein zweites Unternehmen für die "Chaebol", große Industriekonglomerate des Landes. Wenn sich der vor allem als Handyhersteller bekannte Konzern nun bei der Vergabe von Spitzenposten professionalisiere, könnten andere Chaebol nachziehen. Talent statt Blutlinie - das wäre eine Zeitenwende für Korea.
Vom Trockenfischhändler zum Industriegiganten
Andere Beobachter bemängeln derweil, Lees Entschuldigungen seien vergleichsweise allgemein gehalten. Zudem könne er seine Stimmrechtsanteile nach wie vor an seine Kinder weitergeben und somit auch ohne formale Posten Einfluss an sie weitergeben.
Dass sich der Gründerenkel überhaupt öffentlich äußert, geht auf die Empfehlung eines Corporate-Governance-Komitees zurück, das Samsung zuletzt eingerichtet hatte. Lee muss sich in absehbarer Zeit erneut vor Gericht verantworten: Er hatte 2017/2018 bereits ein knappes Jahr im Gefängnis verbracht. Kern der Beschuldigungen, die jetzt erneut verhandelt werden: Samsung soll hohe Summen an Unternehmen einer Vertrauten der Ex-Präsidentin Park Geun-hye gezahlt und dafür politische Unterstützung erhalten haben. Der Skandal um Park hatte die gesamte koreanische Politik erschüttert, aktuell sitzt sie für über 30 Jahre in Haft.
Samsungs Aufstieg von einem Gemüse- und Trockenfischhandel zum internationalen IT- und Industriekonglomerat war laut "Economist"-Analyse maßgeblich vom Zuschnitt auf die Gründerfamilie bestimmt: Der Glaube an die Lees, die im Unternehmen einen beinahe gottgleichen Status genössen, habe Mitarbeiter und Manager stets auf Linie gehalten. Das Abtauchen des Gründersohnes und der Gefängnisaufenthalt von Lee Jae-yong hätten zuletzt allerdings nötige strategische Weichenstellungen verhindert. Nun sei die Gelegenheit günstig, familienfremden Managern mehr Macht zu übergeben.