Milliardenverlust für Steuerzahler BASF-Tochter Wintershall von Russland "faktisch enteignet"

Wladimir Putin (auf Kölner Karnevalswagen): Der Russland-Ausflug kommt die BASF-Tochter Wintershall Dea teuer zu stehen
Foto: Rolf Vennenbernd / dpaFür den Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea gibt es nach Russland kein Zurück. "Wir verlassen Russland, dieses Kapitel unserer Geschichte ist abgeschlossen", sagte Vorstandschef Mario Mehren am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz. "Es gibt kein Zurück. Es gibt kein Warten in der Hoffnung auf Besserung." Der Konzern hatte im Januar, knapp ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine, seinen Rückzug aus Russland angekündigt. Letztlich sei Wintershall Dea von Russland faktisch enteignet worden, wie Mehren einräumen musste.
Für das lange Zaudern hatte der Vorstand viel Kritik einstecken müssen, doch für Wintershall Dea stand viel auf dem Spiel: Zuletzt machten die Geschäfte rund 50 Prozent der gesamten Produktion aus. Über 30 Jahre war Wintershall Dea in dem Land aktiv und investierte Milliarden. Nun schlägt das Aus mit einem Jahresverlust von fast fünf Milliarden Euro zu Buche. 2022 stand ein Minus von 4,8 Milliarden Euro in der Bilanz nach einem Gewinn von 593 Millionen Euro vor Jahresfrist, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.
Zum zeitlichen Ablauf des Rückzugs hielt sich Mehren bedeckt: "Wir geben keine Einzelheiten zu unseren Plänen bekannt, wie wir den Ausstieg aus Russland realisieren werden." Es gebe dafür aber einen klaren Plan. "Wie lange das am Ende dauert, hängt nicht nur von uns, sondern auch von anderen ab."
Der Vorstand werde alle Möglichkeiten prüfen, um den Schaden für das Unternehmen zu begrenzen. "Wir werden alle rechtlichen Ansprüche prüfen, die wir gegen den russischen Staat oder andere haben könnten. Wir werden alle unsere Versicherungen prüfen, die wir abgeschlossen haben." Dazu gehöre auch die mögliche Inanspruchnahme von Investitionsschutzgarantien durch den Bund - also Geld des deutschen Steuerzahlers.
Zwei Milliarden Euro in Russland "im Grunde verschwunden"
Seit dem Krieg hat Wintershall Dea keine Dividenden mehr aus Russland erhalten. Zwei Milliarden Euro seien "im Grunde verschwunden", sagte Mehren. "Alle Liquidität ist weg." Die Gemeinschaftsunternehmen in Russland setzen derweil ihre Produktion fort, wie Finanzchef Paul Smith sagte. "Wir haben aufgehört, aber die Joint Ventures produzieren weiter."
Das Unternehmen will nun außerhalb Russlands wachsen, ins Visier wurden dafür bereits Norwegen, Algerien, Argentinien und Mexiko genommen. Für das laufende Jahr peilt Wintershall Dea eine Produktion von 325.000 bis 350.000 Barrel Öläquivalent (boe) pro Tag an. 321.000 boe waren es 2022 ohne Rusland, inklusive Russland kam der Konzern auf 597.000 boe – beides weniger als noch 2021.
Wintershall Dea hat sich Teil des Russlandgeschäfts vom Bund absichern lassen
Dem Unternehmen kommen nun Garantien der Bundesregierung zupass, die das Bundeswirtschaftsministerium in den Jahren 2006 bis 2016 übernommen hat. Die Garantien des Bundes decken nach Informationen des NDR auch eine Reihe politischer Risiken ab, darunter Enteignung, Verstaatlichung, Krieg sowie Zahlungsembargos oder -einstellungen. Da Wintershall Dea bereits im vierten Quartal 2022 5,4 Milliarden Euro auf das Russland-Geschäft abgeschrieben hat und der Bund nun voraussichtlich einen Teil davon übernehmen muss, kommen auf den Steuerzahler Zahlungen in Milliardenhöhe an Wintershall Dea zu.
Das für den deutschen Steuerzahler teure Russland-Engagement von Wintershall-Dea geht auf ein Tauschgeschäft aus dem Jahr 2015 zurück. Damals ging unter anderem der Gasspeicher im niedersächsischen Rehden, der zu diesem Zeitpunkt BASF und Gazprom gemeinsam gehörte, zu 100 Prozent an Gazprom. Im Gegenzug wurde der BASF-Tochter Wintershall die Möglichkeit eingeräumt, gemeinsam mit Gazprom in Sibirien Gas zu fördern.
Wintershall Dea entstand dann im Jahr 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea. BASF hält an dem Gemeinschaftsunternehmen noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. Wegen des Krieges in der Ukraine war Wintershall Dea zuletzt weiter auf Distanz zu seinen Geschäften in Russland gegangen.
Das Unternehmen war an drei Förderprojekten am Erdgasfeld Juschno Russkoje sowie der Achimov-Formation des Urengoi-Felds in Sibirien beteiligt. Der Anteil der russischen Geschäfte an der gesamten Produktion lag zuletzt bei 50 Prozent.