Roboterfirma Kuka In der Revolutionszentrale der Industrie 4.0

Viel Handarbeit: Produktion klassischer Industrieroboter bei Kuka
Foto: Stefan Puchner/ picture alliance / dpaDie Zukunft verbirgt sich hinter Waschbeton und Wellblech. In der unscheinbaren 70er-Jahre-Architektur des Gewerbegebiets von Augsburg-Lechhausen plant Till Reuter die nächsten Schritte zur neuen industriellen Revolution. "Roboter sind zentral für die Industrie 4.0", sagt der Chef des Roboterherstellers Kuka, "die gestalten wir mit."
Auf "cyber-physische Produktionssysteme" setzt diese Revolution, auf "Mensch-Maschine-Kooperation". Dafür braucht sie wie eine richtige Revolution neue Menschen. Reuter spricht von der "Generation R", R wie Robotik, die in Zukunft ebenso an Roboter als Arbeitsmittel gewöhnt sein werde, wie uns heute der Umgang mit dem PC vertraut ist.
So visionäre Töne stehen für die Aufbruchstimmung, die den Maschinenbau erfasst hat. Neben den Großen der Branche wie Siemens oder Bosch kann Kuka als Vorzeigeunternehmen der neuen Welle gelten. Das Unternehmen nennt sich Marktführer der Industrierobotik in Europa, im dominierenden Geschäft mit der Autoindustrie sogar weltweit.
In fünf Jahren den Umsatz verdoppelt
Mittelständisch ist die Firma immer noch, aber in fünf Jahren hat Reuter den Umsatz auf zwei Milliarden Euro verdoppelt, die Zahl der Beschäftigten ist jetzt fünfstellig. 2014 war Kuka der Spitzenwert im Aktienindex MDax und kaufte mehrere Firmen zu.
Offenbar hat sich die Konzentration auf die Automatisierungstechnik gelohnt für die einstige Maschinenfabrik Keller und Knappich, deren Name in der Firmengeschichte auch schon für Leuchtmittel, Müllwagen oder Panzertürme stand. Jahrzehntelang versuchte sich die BMW-Eignerfamilie Quandt an der strategischen Ausrichtung des oft verlustträchtigen Unternehmens, später kam der US-Firmenjäger Guy Wyser-Pratte.
In der Krise stieg der mittelständische Kunde Grenzebach ein, mit ihm kam der Investmentbanker Till Reuter an Bord. Seit November ist der schwäbische Maschinenbaukonzern Voith Ankeraktionär - natürlich als Investment in die "Industrie 4.0".
Die Revolution ist leicht, schlank und hat sieben Achsen
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich der Industrie 4.0 verschrieben hat, wollte Kuka an diesem Montag mit einem Besuch als Stütze dieser Zukunftsstrategie für den Standort Deutschland anerkennen. Die Reise scheiterte aber ganz analog an schlechtem Wetter.
So richtig nach digitaler Revolution sieht es allerdings auch in den Werkshallen nicht aus. Da wird gehämmert, geschraubt und geschweißt, einiges davon noch in Handarbeit. Das Brot-und-Butter-Geschäft sind klassische Industrieroboter (bei Kuka mit dem Kürzel KR), die ihren Siegeszug an den Fließbändern schon vor einem halben Jahrhundert angetreten haben.
Diese Geräte sind meist auf eine einzige Bewegung spezialisiert, die sie aber besonders schnell, besonders präzise und besonders stark ausführen können. Manche dieser Stahlungetüme können mehr als eine Tonne Gewicht heben. Doch das ist eher Industrie 3.0, die automatisierte Großserie.
Für die neue Welt dagegen steht der Leichtbauroboter Iiwa (Intelligent industrial work assistant), den Kuka seit zwei Jahren vermarktet. Der bewältigt zwar nur eine Traglast von maximal 14 Kilogramm, ist dafür aber schlank, mit sieben Achsen an einem Arm besonders wendig - und vor allem feinfühlig: Dank mehrerer Sensoren stoppt Iiwa seine Bewegung, wenn man ihn berührt. So kann das Gerät ohne Verletzungsgefahr direkt von Arbeitern bedient werden, während klassische Roboter in Käfigen eingesperrt werden müssen.
Warum die neuen Roboter keine Jobs gefährden
Die Innovation geht auf einen Wunsch von Kuka-Kunde Daimler zurück. Der flexibel einsetzbare Leichtbauroboter soll zum Beispiel Löcher im Unterblech einer Autokarosserie nach der Lackierung mit Gummi stopfen. "Hier haben wir Arbeitsplätze, die unergonomisch sind", sagt Reuter, "die Menschen müssen über Kopf arbeiten".
So erklärt er, warum seine Roboter aus seiner Sicht keine Jobs gefährden, sondern im Gegenteil welche schaffen: Ohne die belastendsten Aufgaben könnten Arbeiter länger durchhalten, die Firmen würden insgesamt produktiver und könnten Fertigung in Hochlohnländer wie Deutschland zurückholen.
Noch ist Iiwa ein Produkt der Forschungsabteilung Kuka Labs, während die klassischen Industrieroboter sich 20.000-fach pro Jahr verkaufen. Also nur ein Prestigeprojekt ohne Markt? Im Gegenteil, sagt Reuter. "Wir sehen einen extremen Run auf dieses Produkt." Deshalb zeigt er sich stolz, dass "wir hier die ersten am Markt waren" - auch wenn das Thema kollaborierende Roboter zuvor schon von Startups wie Rethink Robotics aus Boston oder der dänischen Firma Universal Robots besetzt wurde.
Roboter bauen Roboter
Kuka selbst nutzt den Iiwa zum Verschrauben der Getriebe von klassischen Industrierobotern der KR-Serie. Die menschlichen Monteure wechseln sich mit dem Roboter an zwei verschiedenen Getrieben ab, ölen die Gewinde und kontrollieren die Festigkeit der Schrauben. Nur die ermüdende Kraftarbeit beim Schrauben müssen sie nicht mehr selbst leisten. So wird die Vision Wirklichkeit, dass Roboter beim Bau von Robotern helfen.
Kukas Beispiel zeigt aber auch, wie weit entfernt die mit dem Schlagwort "Industrie 4.0" verknüpfte Fantasie von einem Internet der Maschinen noch ist, die alle miteinander verbunden sind, im gemeinsamen Erfahrungsschatz blitzschnell Lösungen für jedes Problem finden und flexibel auf jeden Bedarf reagieren.
Ans Netz angeschlossen sind die Iiwas bisher nicht, auch wenn sie eine Schnittstelle dafür haben - für die einfachen Aufgaben ist es schlicht nicht nötig. Da sind die klassischen Roboter schon weiter, die zumindest an einem Fließband oder in einer Werkshalle oft zusammengeschlossen und zentral gesteuert werden.
Die Industrie 4.0 lässt sich nicht national regeln
In einer Zelle lässt Kuka ganz altmodisch unkollaborativ drei Leichtbauroboter hinter einem Schutzzaun zusammenwirken, ohne menschliche Kollegen. So geht es in der Produktionsinsel doch schneller und sicherer voran.
Immerhin ist der Iiwa leicht zu programmieren, er versteht die verbreitete Programmiersprache Java und nicht bloß Kukas eigene Robotersprache. "Wir bei Kuka sind prinzipiell für offene Systeme", sagt Firmenchef Reuter. Das ist eines der großen Versprechen der Industrie 4.0: dass Maschinen auch außerhalb einer starr festgelegten Umgebung nutzbar sind. Zugleich ist es eine der großen Gefahren: dass sensible Produktionsdaten für Wettbewerber greifbar werden.
Kuka will die Daten nutzen, fordert dafür aber Regeln. Das Prozess-Know-how der deutschen Industrie und das Daten-Know-how des Silicon Valleys müssten zusammengebracht werden. "Das ist ein globales Thema, die Industrie 4.0 lässt sich nicht national regeln", sagt Reuter. Wendet er sich damit gegen das von der Kanzlerin forcierte nationale Konsortium? Reuter sieht es pragmatisch: "Wir werden an verschiedenen Konsortien teilnehmen."