"Linde braucht Praxair nicht" Gewerkschaften machen Front gegen Linde-Praxair-Fusion

Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle: Die Finanzaufsicht untersucht Vorwürfe wegen Insiderhandel, und die Gewerkschaft bangen um die Zukunft der Linde-Mitarbeiter in Europa
Foto: REUTERSDem geplanten Zusammenschluss des Gasekonzerns Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair droht zunehmend Widerstand von den Gewerkschaften. "Linde braucht Praxair nicht", sagte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler der Deutschen Presse-Agentur. Ein gleichberechtigter Zusammenschluss erscheine zunehmend fraglich, die angestrebten Synergien gingen vor allem zu Lasten der Linde-Beschäftigten. Er sehe die Fusion "zunehmend kritischer".
Zuvor hatten IG-Metall-Chef Jörg Hofmann und IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis gegenüber "Manager Magazin" gesagt, der Insiderverdacht belaste die geplante Fusion. Der Zeitplan müsse hinterfragt werden.
Linde beschäftigt in Deutschland rund 8000 Mitarbeiter. Mit der Fusion entstünde der weltweit größte Industriegase-Konzern, geführt würde er vom bisherigen Praxair-Chef Steve Angel in den USA.
Auf Gewerkschaftsseite wird es äußerst kritisch gesehen, dass Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle die Fusion durchziehen wolle, obwohl nicht klar ist, welche Folgen das für die Beschäftigten in Europa hat. "Die Holding in Europa erscheint nur noch als Feigenblatt", kritisierte Bayerns IG-Metall-Chef Wechsler.
Bafin untersucht Insider-Vorwürfe gegen Wolfgang Reitzle
Als Aufsichtsratschef des neuen, an der New Yorker Börse gelisteten Konzerns ist Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle vorgesehen. Wegen Verdachts auf Insiderhandel läuft gegen ihn aber ein Untersuchungsverfahren der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Reitzle hatte zwei Monate vor Bekanntgabe der Fusionspläne für eine halbe Million Euro Linde-Aktien gekauft. Wechsler sagte: "Es lässt sich heute noch nicht abschätzen, welche Risiken sich damit für die Besetzung wesentlicher Schlüsselpositionen der Linde-Seite bei dem Zusammenschluss ergeben."
Linde und Praxair wollen ihre Fusionsverhandlungen bis zur Linde-Hauptverhandlung abgeschlossen haben. Insider-Untersuchungen der Bafin dauern gewöhnlich aber mehrere Monate - Aufsichtsräte und Aktionäre müssten deshalb möglicherweise trotz eines schwebenden Verfahrens gegen den designierten Chefkontrolleur über die Fusion entscheiden. Auch die Reaktion der US-Börsenaufsicht ist offen.
"Linde ist auch alleine hervorragend aufgestellt"
Im Fokus der Verhandlungen stehen derzeit die zu erwartenden Kartellauflagen in Ländern, in denen Linde und Praxair zusammen eine sehr große Marktstellung hätten, heißt es aus informierten Kreisen. Auch der Standort der Konzern-Holding ist noch ungeklärt - im Gespräch sind Amsterdam, London und Dublin.
Wechsler betonte, "dass Linde aus meiner Sicht auch alleine hervorragend aufgestellt ist, um sich weiterhin gut zu entwickeln". Die IG Metall sehe einen gleichberechtigten Zusammenschluss kritisch, habe sich aber zu einer ergebnisoffenen Prüfung bereiterklärt. Aber jüngste Äußerungen von Steve Angel "zeigen deutlich, dass es sich faktisch um eine Übernahme von Linde durch Praxair handeln würde". Er lasse "keinen Zweifel daran, dass in der Zukunft ganz klar das operative Modell von Praxair Anwendung finden soll".
Jobgarantie für Linde-Mitarbeiter bis 2021
Für die 8000 deutschen Linde-Beschäftigten hatte das Unternehmen mit Betriebsrat und Gewerkschaften eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2021 für den Fall einer Fusion vereinbart.
Das Analysehauses Redburn sieht die geplante Fusion von Linde und Praxair ebenfalls kritisch. Analyst Neil Tyler hält den geplanten Zusammenschluss des Gase-Konzerns mit dem Konkurrenten Praxair zwar für einen logischen Schritt, besonders attraktiv sei er aber nicht. Die wettbewerbsrechtlichen Hürden könnten sich als höher erweisen, als das Management glaube. Das Risiko eines Scheiterns sei hoch.