Im Kampf gegen seine Auslieferung an die USA hat der in Neuseeland lebende deutsche Internetunternehmer Kim Dotcom eine juristische Schlappe erlitten. Das oberste Berufungsgericht in der Hauptstadt Wellington bestätigte am Donnerstag zwei Richtersprüche, denen zufolge eine Auslieferung des 44-Jährigen und drei seiner Kollegen aufgrund der Beweislage rechtens wäre. Gegen den neuerlichen Beschluss will Dotcoms Anwaltsteam nun beim Obersten Gerichtshof Neuseelands Protest einlegen.
Der als Kim Schmitz in Kiel geborene und seit 2010 in Neuseeland lebende Dotcomkämpft seit 2012 gegen seine Auslieferung. Die US-Ankläger werfen dem Gründer der Internet-Tauschplattform Megaupload und seinen Mitarbeitern unter anderem Copyright-Betrug im großen Stil sowie Geldwäsche vor.
Bei Schuldspruch droht Kim lange Haftstrafe
Im Februar 2017 befand ein neuseeländisches Gericht, dass Dotcom in die USA ausgeliefert werden darf - nicht wegen Urheberrechtsverletzung, aber wegen Betrugs. Sollte ihm in den Vereinigten Staaten der Prozess gemacht werden, drohen ihm mehrere Jahrzehnte hinter Gittern.
"Wir haben jetzt von drei verschiedenen Gerichten drei verschiedene Rechtsauslegungen zu hören bekommen", kritisierte Dotcoms Anwalt Ira Rothken. "Eines davon war überzeugt, dass überhaupt kein Copyright-Verstoß vorliegt." Rothken gab sich deshalb überzeugt, den Rechtsstreit am Ende zu gewinnen.
Eine der einst beliebtesten Websites der Welt
Mit Megaupload generierten Dotcom und seine Partner Millioneneinnahmen aus Werbung und Kundenabonnements. Gerichtsunterlagen zufolge rangierte Megaupload zeitweise auf Platz 13 der beliebtesten Webseiten - und verursachte vier Prozent des gesamten Internetverkehrs.
Queenstown auf der neuseeländischen Südinsel ist zum Hotspot der globalen Geldelite geworden. In der Kulisse der "Hobbit"-Filme haben sich etliche Milliardäre und Multimillionäre ihr Refugium geschaffen. Der örtliche Flugplatz hat die Kapazitätsgrenze für Privatflieger und -helikopter erreicht.
Im Silicon Valley sei Neuseeland schon ein Codewort für die ultimative Krisenzuflucht, berichtete LinkedIn-Gründer Reid Hoffman dem "New Yorker". Als er einem Freund erzählte, er wolle das Land besuchen, habe der geantwortet: "Oh, du versicherst dich gegen die Apokalypse?" Ein Haus in Neuseeland zu kaufen, sei die Eintrittskarte in eine Welt, in der man selbstverständlich auch einen Atomschutzbunker kaufe, sich mit Strom, Wasser und Nahrung selbst versorge.
Prominentester Neuseeland-Investor mit Immobilien in Auckland, Queenstown sowie einem noch unbebauten riesigen Seegrundstück in Wanaka ist Peter Thiel. Der deutschstämmige Trump-Fan aus dem Silicon Valley hat sogar 2011 neben der amerikanischen die neuseeländische Staatsbürgerschaft angenommen - nach nur wenigen Kurzbesuchen, darunter ein Treffen mit dem damaligen Premier. Thiel schwärmte von Neuseeland als libertäres "Utopia".
Alibaba-Gründer Jack Ma sah in dem damaligen konservativen Premier John Key 2016 ebenfalls einen Ansprechpartner für den Kaufwunsch einer Immobilie. Mindestens 20 weitere chinesische Milliardäre seien schon dort, hieß es in der Lokalpresse.
Den größten Wirbel machte der deutsche Internetunternehmer Kim Dotcom, der seine (gemietete) Villa bei Auckland 2013/14 nutzte, um von dort sein Upload-Portal Mega sowie die von ihm finanzierte neuseeländische Internet Party zu bewerben - beides Flops. Inzwischen ist Dotcom mit seiner Frau nach Queenstown umgezogen und wehrt sich gegen den Beschluss des höchsten neuseeländischen Gerichts, ihn an die USA auszuliefern.
Nachbarn sind in den Südlichen Alpen meist weit weg - aber wenn man sie findet, könnte es sich um US-Hedgefonds-Pionier Julian Robertson handeln, den russischen Stahlmagnaten Alexander Abramow oder Bill Foley, den Aufsichtsratschef des US-Finanzkonzerns Fidelity. Der Hongkonger Hedgefonds-Gründer Michael Nock zog zu Beginn der Finanzkrise 2008 dorthin, weil er Schlimmeres befürchtete als Bankenpleiten. Neuseeland ist weit weg von allem - plötzlich ein Vorteil.
Auch Filmregisseur James Cameron, gebürtig aus Kanada, ist Wahlneuseeländer. Seine Liebe zu dem Land entfachten die Dreharbeiten zu "Avatar". Der passionierte Tiefseetaucher und Tierschützer macht auch offiziell Werbung für Neuseeland.
Die Wahl von Jacinda Ardern zur Premierministerin im Oktober 2017 erwischte manche der Möchtegern-Neuseeländer auf dem falschen Fuß. Die Milliardäre, die ihr Vorgänger willkommen hieß, sieht die Labour-Politikerin eher als Problem. Ihre Regierung will Investitionen strenger prüfen und Landbesitz reglementieren, damit das Leben für Alteingesessene bezahlbar bleibt.
Als der britische Sänger Ed Sheeran twitterte, er sei "zwar noch kein Bürger Neuseelands, aber ich arbeite daran", antwortete Ardern per Video: Sheeran solle erstmal seine Kenntnis der neuseeländischen Kultur beweisen und vor allem seine Absicht erklären, sich auch dauerhaft dort niederzulassen.
Nachbarn sind in den Südlichen Alpen meist weit weg - aber wenn man sie findet, könnte es sich um US-Hedgefonds-Pionier Julian Robertson handeln, den russischen Stahlmagnaten Alexander Abramow oder Bill Foley, den Aufsichtsratschef des US-Finanzkonzerns Fidelity. Der Hongkonger Hedgefonds-Gründer Michael Nock zog zu Beginn der Finanzkrise 2008 dorthin, weil er Schlimmeres befürchtete als Bankenpleiten. Neuseeland ist weit weg von allem - plötzlich ein Vorteil.
Foto: WILLIAM WEST/ AFPKim Dotcom vor Gericht: Der Richter in Auckland hat entschieden, dass der umstrittene Internetunternehmer in die USA ausgeliefert werden darf. Dort drohen dem 41-Jährigen bis zu 20 Jahre Haft.
Dotcom war 2012 auf US-Antrag vorläufig festgenommen worden. Die Amerikaner werfen dem Gründer der Tauschplattform Megaupload Urheberrechtsverletzungen im großen Stil vor. Sie verlangen seine Auslieferung. Dotcom wehrt sich dagegen.
Der Fall in Deutschland 2002: Damals hieß er noch Kim Schmitz und war unter anderem bekannt unter dem Spitznamen "Dr. Kimble". Wegen Insider-Handels in elf Fällen wurde er zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der illegale Kursgewinn der Transaktionen soll 1,2 Millionen Euro betragen haben, Schmitz musste 100.000 Euro Strafe zahlen.
Ausweg Ausland: Er sei fertig mit Deutschland, sagte Schmitz schließlich und verlegte seinen Wohnsitz nach Neuseeland.
Dort richtete er sich die "Dotcom-Mansion" ein: ein riesiges Anwesen in Coastville.
Und so sieht der Luxus-Komplex von oben aus: Dotcom zeigt immer wieder, wie schön er es zu Hause hat.
Eingang: Hierhin hat Dotcom zu rauschenden Festen geladen, etwa zum Launch der Plattform Mega oder zum Start seiner Internet-Partei. Die geplante Riesenparty zu seinem 40. Geburtstags mit Zehntausenden angekündigten Gästen hingegen musste er aus rechtlichen Gründen absagen.
Besuch von der Polizei: Im Jahr 2012 gab es eine spektakuläre Razzia der US-Behörden auf dem Anwesen in Coastville.
Fuhrpark: Bei der Durchsuchung waren die vielen Autos des Hausherrn zusammen mit Bargeld, Schmuck und Kunstwerken beschlagnahmt worden. Im April 2012 bekam er Geld und Autos teilweise zurück.
Auffällige Nummernschilder: Beim Abtransport der Autos zeigten sich die personalisierten Nummernschilder, zum Beispiel "CEO", also Chef. Dotcom besaß auch Schilder mit den Schriftzügen "Mafia" oder "God".
Razzia mit vielen Bildern: Die Durchsuchung erregte großes Aufsehen und war in den Medien weltweit ein großes Thema - nicht zuletzt, weil Kim Dotcom es selbst zu einem gemacht hat.
Kim Dotcom und seine Frau Mona Schmitz 2012 auf dem Weg zum Gericht: Der neuseeländische Richter entschied damals zunächst, dass die Polizeidurchsuchung auf dem Dotcom-Anwesen nicht legal war. In der nächstens Instanz wurde dieses Urteil aufgehoben: Die Razzia sei rechtens gewesen, hieß es im Berufungsurteil.
Mega-Inszenierung: Der Unternehmer warb immer wieder mit dem eigenen Gesicht und dem eigenen Namen für sein neues Projekt.
Launch von Mega im Januar 2013: Exakt ein Jahr nach der Hausdurchsuchung startete Dotcom seinen neuen Cloud-Speicherdienst Mega. Am Jahrestag der Razzia lud er zu einer großen PR-Show.
Dotcom machte auch in Politik: Hier mit Ehefrau Mona und Sohn Kimmo im April 2014 beim Picknick mit Parteigenossen auf seinem Anwesen in Neuseeland. Die Internet-Partei hatte der Unternehmer zwar gegründet - wählbar war er aber nicht, weil er kein neuseeländischer Staatsbürger ist.
Autogrammstunde im Pool: Im April 2014 feierte Dotcom ein Parteitreffen seiner Internet-Partei mit einer rauschenden Pool-Party.
Überraschende Hilfe: Auf einer Veranstaltung des Megaupload-Gründers machten Julian Assange, Edward Snowden und Glenn Greenwald Wahlkampf für die Internet-Partei. Gebracht hat es nichts, die Partei scheiterte krachend.
Wieder einmal ein Gerichtstermin: Im Mai 2014 haben unzulässige Wahlkampfspenden Dotcoms die Karriere eines neuseeländischen Politikers beendet. John Banks hatte Geld von Dotcom angenommen, aber nicht ordnungsgemäß angemeldet. Banks wurde wegen Wahlbetrugs verurteilt und trat daraufhin zurück.
Am 23. Dezember 2015 war Dotcom wieder vor Gericht. Es handle sich um eine "erdrückende Beweislast", sagte Richter Nevin Dawson. Dotcom kann nun zusammen mit drei anderen Angeklagten von Neuseeland an die USA ausgeliefert werden.