Wenn Manager Firmen kaufen Vom Berater zum Unternehmer - "Da sehen Sie die Welt anders"

Eine Firma kaufen, statt nur zu managen: Vor vier Jahren kaufte der Berater Erik Petraschek eine der ältesten Druckgießereien Deutschlands - und ihm gelang mit Heuschkel Druckguß der Turnaround. Petraschek berichtet von der neuen Erfahrung, auch persönlich "all in" zu sein - und sucht bereits nach dem nächsten Übernahmeobjekt.
Heuschkel Druckguß (HDG) in Nürnberg: "Bekam die Chance, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen"

Heuschkel Druckguß (HDG) in Nürnberg: "Bekam die Chance, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen"

Foto: Hannes Steiner

mm.de: Sie sind 2014 bei Heuschkel eingestiegen - nicht als Berater oder Turnaround-Manager, sondern als Eigentümer. Was war der Grund, in dieses finanzielle Risiko zu gehen?

Erik Petraschek: Als Berater begleiten Sie andere, die in der Verantwortung stehen. Sie selbst können aber schlussendlich nicht die Entscheidungen treffen. Im schlimmsten Fall müssen Sie zusehen, wie Konzepte an der Umsetzung scheitern. Ich war mehr als 15 Jahre meines Lebens Berater. Bei Heuschkel bekam ich die Chance, endlich selbst Verantwortung zu übernehmen. Diese Chance wollte ich nicht verstreichen lassen.

mm.de: Dass ein Manager selbst zum Unternehmer wird, ist ungewöhnlich. Was ist anders, wenn Sie als Eigentümer vor den Mitarbeitern stehen und Veränderungen einfordern? Was ist anders in der täglichen Zusammenarbeit?

Erik Petraschek: "Alles was Sie tun, ist plötzlich ganz persönlich"

Erik Petraschek: "Alles was Sie tun, ist plötzlich ganz persönlich"

Foto: Hannes Steiner

Petraschek: Heuschkel habe ich zu 100 Prozent übernommen. Dafür habe ich auch private Sachwerte beliehen und meine bisherige Karriere aufs Spiel gesetzt. Glauben Sie mir: Da sehen Sie die Welt deutlich anders. Wenn Ihnen bewusst ist, dass jede Handlung Ihr persönliches Leben deutlich beeinflussen kann, treffen Sie Entscheidungen noch überlegter, präziser und mit einer größeren emotionalen Nähe. Die Faktoren Realisierungsgeschwindigkeit und Handlungserfolg bekommen dabei eine noch höhere Bedeutung. Denn alle was Sie tun ist plötzlich nicht mehr Objekt, sondern ganz persönlich. Am Ende hilft das übrigens beim Einfordern von Veränderungen, solange man selbst mitzieht.

mm.de: Es ging bei Heuschkel nicht um Sanierung durch Jobabbau, sondern um organisches Wachstum - sie haben zusätzliche Jobs geschaffen. Was hat beim Turnaround geholfen?

Petraschek: Da hilft der Blick des Beraters. Ich habe zunächst einmal alles kritisch hinterfragt. Organisation, Prozesse - auch jeden einzelnen Mitarbeiter. Zu Beginn galt es sehr schnell einen Plan zu entwickeln, wo Potenziale und Defizite liegen. Um die einen zu heben, die anderen zu beheben. Heuschkel war ein im Kern gesundes Unternehmen, aber schnell wurde klar, dass die Herausforderungen zur Überführung in die nächste Entwicklungsstufe groß sind: Keine zweite Führungsebene, ERP-System veraltet, Vertrieb als Bestellabwickler positioniert, zu hohe Einkaufskosten. Diese Probleme haben wir priorisiert und abgestellt.

mm.de: Das klingt jetzt aber sehr einfach.

Petraschek: Natürlich haben wir in diesem Prozess auch Fehler gemacht. Entscheidend war, sich diese rasch einzugestehen und dann konsequent und rasch zu korrigieren.

mm.de: In welchen Momenten haben Sie gedacht, es könnte schiefgehen? Wann kamen Zweifel, ob die Entscheidung zum "all in" richtig war?

Petraschek: Ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass dieses neue berufliche Abenteuer nicht auch eine Achterbahnfahrt der Gefühle war. Euphorie, Ernüchterung, Freude, Angst, Erschöpfung. Da war alles dabei. Ich hatte das alles schließlich vorher auch noch nie gemacht - zumindest nicht als der alleinige Verantwortliche. Wichtig in dieser Zeit war es, einen Sparring-Partner für alles zu haben. Darum habe ich mir mit Erich Josephs einen erfahrenen Berater als Beirat geholt, mit dem ich auch in der Vergangenheit schon eng zusammen gearbeitet habe. Das kann ich auch nur allen anderen empfehlen: Nicht einigeln, sondern den Austausch suchen! Unternehmer haben wie jeder andere auch eine Wahl, ob sie allein sind oder nicht!

mm.de: Und andersherum: Welche glücklichen Momente hat Ihnen die Eigentümerrolle beschert?

Petraschek: Grundsätzlich bin ich heute glücklich, dass wir es geschafft und Heuschkel in nur drei Jahren grundlegend weiterentwickelt haben. Während der dort aktiven Zeit gab es immer wieder Momente des Glücks. Nämlich immer dann, wenn ich gemerkt habe: Das klappt so. Wir haben Erfolg. Wir werden unsere Ziele erreichen. Glücklich hat mich auch gemacht zu sehen, dass - bei auch immer wieder auftretenden Problemen und hoher Beanspruchung - die Mitarbeiter von Heuschkel überwiegend bis zur Belastungsgrenze mitgezogen haben. Dass es gelungen ist, dieses Projekt auch zu ihrem Projekt zu machen. Um das Unternehmen, das vor der Übernahme in vierter Familientradition geführt war, langfristig am Markt halten und vergrößern zu können. Dafür bin ich allen sehr dankbar.

mm.de: Was ist zu tun, damit Mitarbeiter bei einer Neuausrichtung an Bord bleiben?

Petraschek: Das ist die entscheidende Erfolgskomponente. Dazu gehört allerdings auch genau zu prüfen: Wer kann und will diesen Weg mitgehen? Gerade das 'Wollen' ist unabdingbar. Wir haben uns konsequent von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getrennt, die unsere Linie nicht mittragen wollten. Das ist hart und lässt Sie nachts auch mal wach liegen. Leider gehört das aber zu Führung genauso dazu, wie anschließend Erfolge zu verkünden. Für diejenigen, die mitmachen wollten, haben wir dagegen eine ganz neue Kultur etabliert: Ständige Präsenz und Greifbarkeit, immer ein offenes Ohr für Ideen, Delegation von Verantwortung in bisher für das Unternehmen ungekanntem Maße. Ich habe mich bemüht, jedem einzelnen Chancen zu bieten. Und denke, dass das auch gelungen ist. Dafür spricht, dass wir heute mehr Mitarbeiter als vor der Neuausrichtung haben.

"Bin nicht Unternehmer geworden, um zu privatisieren"

mm.de: Sie suchen jetzt nach der nächsten Investition - nachdem Heuschkel den Turnaround geschafft hat. Warum nicht bleiben?

Petraschek: Ich bin noch nicht einmal Mitte 40. Ich bin Unternehmer geworden um zu unternehmen, nicht um zu privatisieren. Nachdem ich Heuschkel an einen industrieerfahrenen Geschäftsführer übergeben habe, reizt mich die nächste Herausforderung. Auch wenn ich Stand heute noch nicht so genau weiß, was diese sein wird. Klar für mich ist: Ich möchte einen weiteren traditionellen Mittelständler, vielleicht aus Familienhand, übernehmen und weiterentwickeln. Wir sondieren gerade intensiv den Markt.

mm.de: Da sind sie nicht allein. In Deutschland sind derzeit viele Firmenjäger unterwegs. Und eine Private Equity Firma dürfte, wenn es darauf ankommt, tiefere Taschen haben und mehr Geld für ein mittelständisches Unternehmen bieten ...

Petraschek: Das ist ein durchaus kritischer Punkt. Es herrscht Anlage-Notstand: Inzwischen schauen Private-Equity-Firmen auch auf Unternehmen mit lediglich rund 5 Millionen Euro Umsatz - eine solche Größe galt in der Branche früher als zu klein. Während es den Fonds-Managern aber nur darum geht, Gelder von Dritten zu mehren, geht es mir vor allem darum, mein Know-how erneut in ein Unternehmen einzubringen. Ich kaufe nicht, um zu restrukturieren, Zahlen zu verbessern und gleich wieder zu verkaufen. Ich will mich langfristig engagieren und damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso wie dem lokalen Umfeld eine Perspektive bieten. Das ist für mich echte unternehmerische Verantwortung.

mm.de: Das klingt nach einem ritterlichen Ansatz - und könnte sich nebenbei auch bei einem Unternehmer, der verkaufen will, als durchaus nützliches Argument erweisen - selbst wenn sie nicht jeden Preis mitgehen ...

Petraschek: Aber so sieht die Situation nun einmal aus. Der Verkäufer muss entscheiden, was ihm wirklich wichtig ist. Und auch das nächste Investment werde ich wieder persönlich führen. Mein Verhandlungspartner weiß nachher, in welche Hände er sein Unternehmen legt. Der emotionale Faktor bei einer Trennung vom Unternehmen für Alteigentümer ist nicht zu unterschätzen.

mm.de: Konkret: Was sagen Sie einem Eigentümer, der sein Unternehmen verkaufen will?

Erik Petraschek: Ich bin Unternehmer, kein Investor. Ich führe Ihr Unternehmen, ich entwickle Ihr Unternehmen, ich halte Ihr Unternehmen langfristig. Ich übernehme Verantwortung für Mitarbeiter und Umfeld. Und auch nicht ganz unwichtig: Ich habe das schon einmal erfolgreich gemacht.

Manager als Unternehmer - diese Kompetenzen sollten Sie mitbringen

Welche Kompetenzen muss man mitbringen, wenn man ein Unternehmen kaufen und selbst operativ führen will? Erik Petraschek fasst ein paar Erfahrungen aus seiner Zeit beim Druckguss-Unternehmen Heuschkel zusammen.

· Erfahrung in einem dynamischen Arbeitsumfeld - denn als Unternehmer wird eine große Agilität im Denken und Handeln vorausgesetzt

· Zusammenarbeit und unmittelbare Nähe zu Entscheidern - um deren tägliche Herausforderungen und Probleme sowie deren Umgang damit zu verinnerlichen

· Fähigkeit, Entscheidungen auch unter ständiger Unsicherheit zu treffen und dann schnell umzusetzen. Konsequenz, falsche Entscheidungen rasch zu erkennen und entschlossen zu korrigieren

· Über Abteilungsgrenzen hinweg Zusammenhänge sehen: Kenntnis der relevanten Schnittstellen zwischen Finanzen, Absatz, Produktion und Einkauf - damit kritische Themen identifiziert und Lösungen gezielt entwickelt werden

· Keine Berührungsängste mit Menschen und die Fähigkeit, jede Zielgruppe richtig anzusprechen - um damit Management genauso wie Arbeitsebene erreichen zu können

· Ein geübter Blick auf die Fähigkeiten und Potenziale von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Wissen, wie man die richtigen Leute findet und auswählt - um Verantwortung konsequent an die Richtigen abzugeben

· Routine in der Identifikation und Einschätzung von nicht unmittelbar offensichtlichen Risiken und Potenzialen - um Problemen auf den Grund gehen zu können und nicht nur Symptome zu behandeln

· Mut, sich jemand anderen anzuvertrauen, offenes Feedback auszuhalten und Entscheidungen kontrovers zu diskutieren - im besten Fall mit einem festen Sparring-Partner

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