Hannover-Messe Industrieschau auf Richtungssuche

Wohin geht die Reise? Zentrale Themen der Hannover-Messe sind Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien, klimaneutrale Produktionsweisen, Robotik und Künstliche Intelligenz. Die Industrieschau läuft noch bis Freitag
Foto: FABIAN BIMMER / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
"Für eine bessere Welt" möchte Indonesiens Präsident Joko Widodo (61) die Industrie umbauen. Mit diesen Worten begrüßte er als Vertreter des diesjährigen Partnerlandes der Hannover-Messe den gastgebenden Bundeskanzler Olaf Scholz (64). Nicht nur klimafreundlichere Technologien sind damit gemeint – es geht auch um nichts weniger als um eine Neuaufstellung des Welthandels. Denn Schwellenländer wie Indonesien, Brasilien oder Indien – seit diesem Monat das bevölkerungsreichste Land der Welt – holen stark auf und präsentieren sich als Alternative zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner China.
Indonesien setzt dabei angesichts großer Rohstoffvorkommen auf milliardenschwere Investitionen, unter anderem von Volkswagen und BASF. Das Land blickt also genau auf jene deutsche Unternehmensschwergewichte, die wegen ihrer hohen China-Investments in der Kritik stehen . So werde der Autobauer Volkswagen laut Indonesiens Investmentminister Bahlil Lahadalia (46) zusammen mit Ford und dem Bergbauunternehmen Vale in die Batteriefertigung investieren. Auch der Chemiekonzern BASF sei interessiert, sich in Indonesien an einer Produktion von Batterierohstoffen zusammen mit dem Bergbauunternehmen Eramet zu beteiligen.
Laut Widodo hat Indonesien mit seinen rund 275 Millionen Einwohnern einen Investitionsbedarf von einer Billion Dollar bis zum Jahr 2060 und könnte sich damit weiter zu einem der wichtigsten Partner für die deutsche Industrie entwickeln. Scholz hatte in seiner Rede zur Eröffnung der Messe betont, dass er Rohstoffpartnerschaften mit Ländern wie Indonesien ausbauen wolle, um die Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
Mit gutem Grund: So hatten die sieben reichsten westlich geprägten Industriestaaten China für den Fall einer Aggression gegen Taiwan jüngst mit Konsequenzen gedroht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (42) betonte bei dem G7-Treffen in Asien, dass in der Region zu spüren ist, "wie China immer mehr die bestehenden, allgemeinen, verbindlichen, internationalen Regeln durch seine eigenen Regeln ersetzen will, gerne mit der Behauptung, es gebe keine Regeln, obwohl man die Verträge selbst ratifiziert hat".
"Einseitige Abhängigkeiten verringern"
Das sehen jedoch offenbar nicht alle so. Siegfried Russwurm (59), Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte am Montag, dass die deutsche Industrie den Handel mit China weiter ausbauen möchte. "Diversifizierung bedeutet nicht, uns von China zu entkoppeln, sondern einseitige Abhängigkeiten zu verringern und idealerweise zu überwinden", so Russwurm. China bleibe demnach ein zentraler Markt für deutsche Unternehmen, Sorge bereite jedoch die Abhängigkeit bei kritischen Materialien und Komponenten. "Das ist nichts, was sich innerhalb eines Jahres umdrehen lässt."
Zugleich forderte der BDI-Präsident eine bezahlbare Energieversorgung. Der hohe Industriestrompreis müsse dringend wieder auf ein wettbewerbsfähiges europäisches Niveau zurück. Hiesige Unternehmen würden erhebliche Investitionen außerhalb Deutschlands tätigen. Dies gelte nicht nur für multinationale Konzerne, sondern auch für viele Mittelständler und Familienunternehmen.
"Geopolitische Spannungen betreffen die Exportnation Deutschland"
Die verschiedenen Branchen der deutschen Industrie haben unterdessen unterschiedliche Bilanzen zum Jahresstart gezogen. Der Maschinenbauverband VDMA bekräftigte, dass er mit einem Produktionsrückgang um etwa 2 Prozent rechnet, wenn man die Preisentwicklung berücksichtigt. Und während die Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) wegen steigender Produktion ihre Jahresprognose sogar erhöhte, beklagte die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (Argez) vor allem Probleme wegen der hohen Energiekosten und weltwirtschaftlicher Unsicherheiten.
Die Exportquote von 39 Prozent – indirekte Exporte dürften rund 75 Prozent ausmachen – verdeutliche dabei laut Argez, dass die deutschen Zulieferer zu einem erheblichen Anteil auf eine stabile weltwirtschaftliche Lage bauen. "Die geopolitischen Spannungen rund um Russland, aber auch zwischen den USA und China betreffen daher vor allem die Exportnation Deutschland."
Der BDI erhöhte derweil seine Jahresprognose für die Exportwirtschaft auf ein Wachstum von nunmehr 2 Prozent. Damit liege Deutschland aber weiterhin international hinten. "Erneut verlieren wir Weltmarktanteile, weil der Welthandel stärker wächst als unsere Ausfuhren – die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwindet", erklärte Verbandschef Russwurm auf der Hannover-Messe.