Kurssturz FMC nach Gewinnwarnung 2,5 Milliarden Euro weniger wert

Dialysetochter FMC enttäuscht: Fresenius-Chef Stephan Sturm hatte sich für das neue Geschäftsjahr "bessere Ergebnisse" zum Ziel gesetzt
Foto: FreseniusDie Corona-Pandemie macht dem Medizin- und Krankenhauskonzern Fresenius SE auch 2021 zu schaffen - und womöglich sogar einen Strich durch die Ambitionen von Unternehmenslenker Stephan Sturm (57). Dieser hatte sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa-afx noch vor wenigen Wochen "bessere Ergebnisse" für das neue Geschäftsjahr zum Ziel gesetzt, doch nun stehen diese infrage. Grund ist die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC), die für 2021 einen tiefen Ergebniseinbruch für möglich hält, wie das Unternehmen am Vorabend mitteilte.
An der Börse ging es für Fresenius und FMC am Dienstagmorgen deutlich nach unten. FMC fielen um mehr als 14 Prozent auf 55,28 Euro - der niedrigste Stand seit März. Das ist der größte Kurssturz seit etwa zweieinhalb Jahren. Der Börsenwert sackte damit um 2,5 Milliarden Euro ab. Aktien von Fresenius gaben rund 9 Prozent nach. Ein Händler sprach von einem "schockierenden Ausblick". Covid-19 dürfte 2021 für erheblichen Gegenwind bei FMC sorgen, meinte Analystin Veronika Dubajova von Goldman Sachs. Die Markterwartungen müssten wohl deutlich zurechtgestutzt werden. Wegen der Unsicherheiten darüber, ob und wann in den USA neue staatliche Hilfen flössen, habe FMC sich offenbar gezwungen gesehen, vom schlimmsten Szenario auszugehen, schrieb JPMorgan-Analyst David Adlington.
Fresenius veröffentlichte nach der enttäuschenden Prognose der Tochter am späten Montagabend selbst überraschend erste Ziele für das neue Geschäftsjahr. So soll das auf die Anteilseigner entfallende Konzernergebnis im Vergleich zum Vorjahr "mindestens in etwa stabil" bleiben, teilte der Konzern in Bad Homburg mit. Ausgeklammert sind dabei Sondereinflüsse und einmalige Aufwendungen im Zusammenhang mit wahrscheinlichen Effizienz- und Kosteneinsparungsprogrammen. Dabei strebt die Gesellschaft währungsbereinigt ein "gesundes Umsatzwachstum" an. An ihren Mittelfristzielen wollen Fresenius und FMC nicht rütteln.
Für 2020 hat Fresenius laut Mitteilung nach vorläufigen Berechnungen die zuvor bereits gesenkten Ziele erfüllt. Der Konzern hatte währungsbereinigt ein Wachstum des Umsatzes von 3 bis 6 Prozent in Aussicht gestellt. Das bereinigte Konzernergebnis war am unteren Ende der Spanne von minus 4 bis plus 1 Prozent prognostiziert worden.
FMC rechnet mit 25 Prozent weniger Gewinn
Die Pandemie hatte den Krankenhaus- und Medizinkonzern im Frühjahr 2020 besonders im Klinikgeschäft getroffen. Da weniger operiert wurde, litt auch die auf flüssige Nachahmermedikamente wie Narkosemittel und klinische Ernährung spezialisierte Tochter Fresenius Kabi.
Die Dialysetochter FMC, der weltweit führende Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit chronischem Nierenversagen, war dagegen lange für den Gesamtkonzern ein verlässlicher Wachstumstreiber gewesen, doch kämpfte auch sie zuletzt zunehmend mit Problemen.
FMC spricht von einer einer Übersterblichkeit von 10.000 Patienten
Denn wegen der Pandemie sterben immer mehr Dialysepatienten von FMC an Covid-19. Diese Entwicklung habe sich im November und Dezember vor allem in Nordamerika und der Region EMEA - Europa, Mittlerer Osten und Afrika - signifikant beschleunigt "und zu einer Übersterblichkeit von 10.000 Patientinnen und Patienten im Vergleich zum Niveau vor Beginn der Pandemie geführt", wie FMC mitteilte. Diese Übersterblichkeit werde voraussichtlich auch in der ersten Jahreshälfte 2021 anhalten. Diese Entwicklung, so schätzt das Management, dürfte sich nicht nur weiter negativ auf die Zahl der Blutwäschen durchschlagen, sondern auch auf die Auslastung der Klinikinfrastruktur sowie nachgelagerte Geschäftsaktivitäten.
FMC rechnet daher für 2021 zwar vor Sondereffekten und auf Basis konstanter Wechselkurse mit einem Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich. Für das auf die Anteilseigner entfallende Konzernergebnis prognostiziert die Gesellschaft aber einen Rückgang um bis zu 25 Prozent.
Steigende Ausgaben für Schutzmaßnahmen
Ausschlaggebend hierfür sind auch steigende Ausgaben: FMC hatte im Zuge der Pandemie erhöhte Schutzmaßnahmen in seinen mehr als 4000 Dialysezentren und 45 Produktionsstätten ergriffen. So fielen Mehraufwendungen etwa für Schutzausrüstung für Mitarbeiter an. Zudem erhält das Personal auf Isolierstationen erhöhte Vergütungen.
Diese Maßnahmen hätten die Kosten zuletzt signifikante anschwellen lassen und dürften auch 2021 hoch bleiben, hieß es. FMC kündigte daher an, "sorgfältig prüfen" zu wollen, wo eventuell an der Kostenschraube gedreht werden könne. Zudem dürften die Dialyseanbieter von einer bis März verlängerten Maßnahme abgesehen keine staatlichen Unterstützungsleistungen in den USA mehr erhalten. 2020 hatte FMC von staatlichen Gelder profitiert.
Auch FMC hat nach eigenen Angaben auf Basis vorläufiger Berechnungen die eigenen Ziele für 2020 erreicht. Das Unternehmen hatte für das vergangene Jahr Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich in Aussicht gestellt. Das Konzernergebnis 2020 werde knapp über dem oberen Ende der Zielbandbreite herauskommen, wobei im Schlussquartal eine Wertberichtigung von rund 195 Millionen Euro im Lateinamerika-Geschäft angefallen sei, teilte FMC jetzt weiter mit. Diese seien dem gesamtwirtschaftlichen Abschwung in der Region geschuldet.
Die vollständigen Ergebnisse wollen beide Dax-Unternehmen am 23. Februar veröffentlichen. Dann soll es auch noch einen detaillierteren Ausblick von Fresenius geben.