Erfolgreicher Testflug von Elektro-Personendrohne Boeing heizt Wettlauf um autonome Flugtaxis an

Das ist Boeings Prototyp eines "Autonomous Passenger Air Vehicles" - also eines Roboter-Flugtaxis
Foto: HO/ AFP
Sie starten und landen senkrecht, fliegen dank Elektroantrieb vergleichsweise leise, brauchen keinen menschlichen Piloten und sollen Menschen auch innerhalb von Städten durch die Luft befördern: Seit einigen Jahren gelten komplett vom Computern gesteuerte Elektro-"Flugtaxis" als das nächste große Ding der Luftfahrt.
Weltweit arbeiten mehrere Dutzend Firmen an solchen Riesendrohnen mit Batterieantrieb, mit Lilium und Volocopter mischen auch zwei deutsche Startups mit. Seit einiger Zeit entwickeln auch traditionelle Flugzeug- und Hubschrauberhersteller solche Flugroboter für die Personenbeförderung - und ein Branchenriese kann nun einen Erfolg vermelden:
Boeing hat seinen ersten erfolgreichen Testflug mit einem autonomen Elektro-Lufttaxi bewältigt. Mit dem Prototypen seien in Manassas im US-Bundesstaat Virginia ein kontrollierter Start sowie Schwebeflug und Landung gelungen, teilte Boeing am Mittwoch mit.
Boeing selbst bezeichnete die Premiere als Meilenstein. "Innerhalb von einem Jahr sind wir vom Konzept-Design zum fliegenden Prototypen gekommen", sagte Technologie-Vorstand Greg Hyslop. Zum Prototyp-Schnellstart trug wohl auch ein Zukauf bei: Im Oktober 2017 hatte Boeing den Drohnen- und Roboter-Flugzeugbauer Aurora Flight Sciences übernommen.
Serienreife ist noch weit entfernt
Der US-Konzern räumte jedoch selbst ein, dass die größte Herausforderung erst noch bevorstehe. Denn mehr als ein erster kleiner Schritt ist der Testflug nicht. Mit dem Flug hat Boeings Prototyp gerade mal die erste Testphase durchlaufen - und jetzt muss es dem Konzern erstmal gelingen, Start, Landung und Schwebeflug zu perfektionieren und auch einen längeren Streckenflug damit zu kombinieren.
Von der Serienreife ist Boeings unbemanntes Flugtaxi wohl noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entfernt - wie auch die meisten seiner Konkurrenten. Denn wann solche Roboter-Flugtaxis regulär zugelassen werden, bleibt unklar.
Zwar sorgte die arabische Stadt Dubai Ende 2017 für Schlagzeilen, als sie zwei elektrisch betriebene Flugtaxi-Prototypen vor Ort testen ließ. Doch von einem regelmäßigen Testbetrieb mit mehreren menschlichen Passagieren war bislang auch in den Emiraten noch nichts zu vernehmen. Auch Singapur, Los Angeles, Dallas und Tokio wollen das Potenzial der Elektro-Flugtaxis für den innerstädtischen Verkehr ausloten - lassen sich dabei aber noch ein wenig Zeit. Ab den frühen 2020er-Jahren wollen die Metropolen Pilotprojekte mit Roboter-Flugtaxis starten.
Die meisten Lufttaxi-Prototypen, an denen derzeit geforscht wird, ähneln kleineren Hubschraubern bzw. übergroßen Drohnen, die nur wenige Passagiere befördern könnten. Optimisten hoffen, dass Energie- und Kosteneffizienz damit im Vergleich zu herkömmlichen Flugzeugen massiv erhöht werden können. Skeptiker halten die Möglichkeiten für begrenzt und verweisen auf hohe regulatorische Hürden.
Marktchancen für Robo-Lufttaxis sind noch höchst unsicher

Eines ist Boeing mit dem erfolgreichen Testflug aber gelungen: Den Wettbewerb um die Entwicklung der Technologie weiter anzuheizen. Denn an den pilotenlosen Fluggeräten mit Elektroantrieb arbeiten auch andere Luftfahrt-Schwergewichte wie Erzrivale Airbus. Dessen "Vahana" getaufter Flugtaxi-Prototyp hat seinen Jungfernflug vor knapp einem Jahr absolviert. Auch der US-Hubschrauberhersteller Bell stellte vor kurzem einen Flugtaxi-Prototypen auf einer Messe vor.
Spezialisierte Startups sind teils schon weiter: Die deutschen Startups Volocopter und Lilium können auf mehrere erfolgreiche Testflüge ihrer Lufttaxis verweisen, auch das chinesische Startup Ehang hat schon einige Erfahrung gesammelt. Das vom Google-Gründer Larry Page finanzierte Startup Kitty Hawk entwickelt bereits einen kommerziellen Roboter-Flugtaxidienst in Neuseeland, der in rund drei Jahren starten soll.
Aber auch in Neuseeland stehen Kitty Hawk noch zahlreiche technische und regulatorische Schwierigkeiten entgegen. Die Aussichten auf kommerziellen Erfolg sind noch höchst unsicher, wie auch eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey illustriert. Sollten die Fluggeräte in den kommenden zwei Dekaden vergleichsweise teuer bleiben (pro Stück zwischen 750.000 und 1,5 Millionen Euro) und die Betriebskosten eher hoch, sehen die Berater nur einen Nischenmarkt. Gerade mal 1,6 Milliarden Euro werden mit Flugtaxis im Jahr 2040 umgesetzt, prognostizieren sie für dieses konservative Szenario.
Möglich wären 2040 aber auch viel höhere weltweite Umsätze zwischen 500 und 600 Milliarden Dollar, rechnen die McKinsey-Spezialisten in ihrem "radikalen" Szenario durch. Dafür müsste aber einiges passieren: Die Betriebskosten der Elektro-Taxidrohnen müssten um 90 Prozent niedriger liegen als die heutiger Helikopter. Die Energiedichten der Batterien müssten sich verdoppeln, die Produktion müsste auf Autobranchen-Niveau professionalisiert werden - und die Flugsicherung neu organisiert werden.
Solche tiefgreifenden Änderungen würden eine Team-Anstrengung von vielen Beteiligten erfordern, erklärt McKinsey. Der Traum von Roboter-Taxidrohnen, die städtische Staus einfach überfliegen, mag verlockend sein - ob er je für breitere Massen Realität wird, ist aber noch ziemlich unsicher.