Stahlhersteller ThyssenKrupp sieht erste Verbesserungen bei Rohstoffpreisen
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpaThyssenkrupp -Chef Heinrich Hiesinger sieht nach weiteren Gewinneinbußen Licht am Ende des Tunnels. "Wir verzeichnen jetzt erste Verbesserungen bei den Roh- und Werkstoffpreisen. Dies wird sich günstig auf die weitere Ergebnisentwicklung auswirken", sagte der Manager am Donnerstag bei der Vorlage des Quartalsberichts. Schon im abgelaufenen Quartal hätten sich erste Erholungstendenzen gezeigt.
Auch werde der von der Stahlkrise gebeutelte Industriekonzern seine Sparanstrengungen weiter forcieren. Im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2015/16 (per Ende September) sei der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 18 Prozent auf 441 Millionen Euro gefallen. Von Reuters befragte Analysten hatten im Schnitt mit 415 Millionen Euro gerechnet.
"Wir konzentrieren uns weiter auf die Dinge, die wir selbst beeinflussen können. Und das zeigt Wirkung", betonte Hiesinger. Die bisher erzielten Einsparungen von mehr als 700 Millionen Euro lägen über den Planungen. Der Manager bekräftigte die im Mai gesenkte Prognose. Danach soll das bereinigte Ebit im Gesamtjahr bei mindestens 1,4 (Vorjahr: 1,68) Milliarden Euro liegen und der Überschuss auf dem Vorjahresniveau von zuletzt 268 Millionen Euro. Im dritten Quartal schrumpfte der Nettogewinn um ein Drittel auf 130 Millionen Euro.
In der europäischen Stahlsparte, die Hiesinger womöglich mit dem Konkurrenten Tata Steel fusionieren will, schrumpfte der operative Gewinn im Quartal auf 91 von 166 Millionen Euro. Auch das vor dem Umbau stehende Geschäft mit dem Anlagen- und U-Boot-Bau lief deutlich schlechter als vor Jahresfrist. Es fuhr mit noch 43 Millionen Euro weniger als die Hälfte des Vorjahreswertes ein. Hauptgewinntreiber waren das Geschäft mit Autoteilen und die lukrative Aufzugssparte, die jüngst einen elektromagnetisch kreuz und quer durch Hochhäuser fahrenden Lift vorgestellt hatte.
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In der Essener Zentrale des Stahlkonzerns ThyssenKrupp werden Szenarien geschmiedet. Firmenchef Heinrich Hiesinger redet offen von einer "Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie" als Lösung für das Überangebot des Werkstoffs - also Werke schließen, damit die verbliebenen Standorte mit geringerer Produktion wieder höhere Preise durchsetzen können. "Ob, wann und mit wem" sei aber "völlig unklar", so Hiesinger bislang. Nun hat er mm-Informationen bestätigt, nach denen er mit dem Rivalen Tata verhandelt.
Als Nummer zwei der Branche in Deutschland ist auch die Salzgitter AG eine logische Kandidatin, an der das Land Niedersachsen beteiligt ist. Das Management hat sich allerdings schon wiederholt gegen eine als "Deutsche Stahl AG" betitelte Fusion mit ThyssenKrupp Stahl ausgesprochen, ebenso wie ...
... Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der zwar von einer Existenzbedrohung für die deutschen Anbieter vor allem durch chinesisches Dumping spricht, das aber nicht durch einen großen Zusammenschluss lösen will: "Ich bin kein großer Freund der Idee einer 'Deutschen Stahl AG', weil die Konsequenz vermutlich wäre, dass Arbeitsplätze in unserer Industrie wegfallen, obwohl die ineffizienten Stahlwerke im Ausland stehen." Schließungskandidat wäre demnach eher ...
... die britische Konkurrenz, die seit zehn Jahren zum indischen Tata-Konglomerat gehört. Tatsächlich will Tata Steel seine gesamten Aktivitäten auf der Insel nach Milliardenverlusten jetzt schnell verkaufen oder abwickeln. Das größte Werk im walisischen Port Talbot (Aufnahme aus dem Jahr 2013) soll eine Million Pfund pro Tag Verlust schreiben.
Die Sorge um die "Foundation Industry" nährt in Großbritannien den Eindruck des allgemeinen Niedergangs (hier ein Gespräch zwischen Stahlarbeitern und Wirtschaftsminister Sajid Javid). Immerhin für Teile von Tata fand sich ein Risikoinvestor zu einem symbolischen Kaufpreis, der die Traditionsmarke British Steel wiederbeleben will.
Ohne die britischen Werke bliebe von Tata Steel Europe die hocheffiziente und gut ausgelastete Anlage im niederländischen Ijmuiden (siehe Bild). Dieses Werk ließe sich dann einbringen ...
... in ein Gebilde namens "Thyssen Tata", zusammen mit ThyssenKrupps Stahlsparte. Wobei der deutsche Konzern, der sich eigentlich stärker auf profitable Geschäfte in der weiteren Verwertung von Stahl wie Anlagen- oder Aufzugbau verlegen will, offenbar eine Minderheitenposition anstrebt - und die Frage bleibt, was für den geforderten Kapazitätsabbau gewonnen wäre. Den sollen wohl andere erledigen ...
Branchenführer ArcelorMittal, in dem unter anderem der Großteil der Stahlindustrie Frankreichs, Spaniens, Belgiens und Luxemburgs sowie vier deutsche Werke fusioniert sind, macht das Muster schon seit Jahren vor: Der Großkonzern hat in der Krise schon mehrere traditionsreiche Standorte eingemottet oder ganz geschlossen und konzentriert sich auf die effizienten, küstennahen Werke (Hier protestieren Arbeiter in Marseille). Früchte trägt das bislang nicht: Zuletzt gab es einen Rekordverlust und die dritte große Kapitalerhöhung in wenigen Jahren.
Ein Vorbild der Branche stellt die österreichische Voestalpine (hier eine Aufnahme aus dem Werk in Linz) dar, die durchweg auskömmliche Renditen erwirtschaftet. Die Firma hat sich auf Spezialstähle verlegt, die nicht mit Massenware aus Übersee konkurrieren. Dieser Richtung folgen in unterschiedlichem Maß auch die großen Wettbewerber, die ihre Hochöfen jedoch auch mit Megatonnen billigen Materials auslasten müssen.
Wenn Gabriel kritisiert, dass "nicht die wirtschaftlich und ökologisch schlecht aufgestellten Stahlwerke vom Markt verdrängt werden", ist das auch ein Wink nach Italien: In Tarent steht das größte Stahlwerk Europas. Die chronisch defizitäre Ilva wurde 2013 wegen Verstößen gegen Umweltgesetze unter Zwangsverwaltung gestellt und im Folgejahr verstaatlicht - "vorübergehend", wie es hieß. Die EU-Kommission prüft, ob die Milliardenhilfen zur Aufrechterhaltung der Produktion gegen Wettbewerbsrecht verstoßen.
Italien ist aber nicht nur dank Ilva die Stahlnation Nummer zwei (nach Deutschland) in Europa. Ohne das Riesenwerk im Süden ist das Familienunternehmen Riva nicht mehr ganz so weit vorn im Ranking - dafür aber spezialisiert auf das flexiblere Elektrostahlverfahren (im Bild das Brandenburger Riva-Werk), das auf Stahlschrott statt Eisenerz als Ausgangsstoff basiert. Mit diesem Geschäftsmodell haben anderswo bereits Angreifer wie Nucor aus den USA oder Gerdau aus Brasilien den traditionellen Hochofenbetreibern den Rang abgelaufen.
In Norditalien gibt es noch eine Reihe wettbewerbsfähiger Familienunternehmen der Stahlbranche, wie Techint (mit Hauptsitz in Argentinien), Lucchini oder Cimolai. Auch die Familie von Europas führender Wirtschaftslobbyistin Emma Marcegaglia (Foto) oder die von Alt-Fußballstar Andrea Pirlo sind vermögend dank Stahl.
Spezialisierung ist kein Allheilmittel: Die auf Edelstahl spezialisierten Hersteller wie Weltmarktführer Acerinox aus Spanien, die von ArcelorMittal abgespaltene Aperam oder die finnische Outokumpu, die auch die Rostfrei-Sparte von ThyssenKrupp übernommen hat, versuchen sich schon seit Jahren an der Konsolidierung. Edelstahl klingt zwar edel, in dem Segment sind das Überangebot und daher der Margendruck jedoch besonders groß.
In der Essener Zentrale des Stahlkonzerns ThyssenKrupp werden Szenarien geschmiedet. Firmenchef Heinrich Hiesinger redet offen von einer "Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie" als Lösung für das Überangebot des Werkstoffs - also Werke schließen, damit die verbliebenen Standorte mit geringerer Produktion wieder höhere Preise durchsetzen können. "Ob, wann und mit wem" sei aber "völlig unklar", so Hiesinger bislang. Nun hat er mm-Informationen bestätigt, nach denen er mit dem Rivalen Tata verhandelt.
Foto: Marius Becker/ dpa... in ein Gebilde namens "Thyssen Tata", zusammen mit ThyssenKrupps Stahlsparte. Wobei der deutsche Konzern, der sich eigentlich stärker auf profitable Geschäfte in der weiteren Verwertung von Stahl wie Anlagen- oder Aufzugbau verlegen will, offenbar eine Minderheitenposition anstrebt - und die Frage bleibt, was für den geforderten Kapazitätsabbau gewonnen wäre. Den sollen wohl andere erledigen ...
Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFPItalien ist aber nicht nur dank Ilva die Stahlnation Nummer zwei (nach Deutschland) in Europa. Ohne das Riesenwerk im Süden ist das Familienunternehmen Riva nicht mehr ganz so weit vorn im Ranking - dafür aber spezialisiert auf das flexiblere Elektrostahlverfahren (im Bild das Brandenburger Riva-Werk), das auf Stahlschrott statt Eisenerz als Ausgangsstoff basiert. Mit diesem Geschäftsmodell haben anderswo bereits Angreifer wie Nucor aus den USA oder Gerdau aus Brasilien den traditionellen Hochofenbetreibern den Rang abgelaufen.
Foto: Arno Burgi/ picture alliance / dpa