Eisenerz in diesem Jahr um 66 Prozent verteuert Warum Eisen knapp wird - und wie uns das trifft

Verladung von Eisenerz in Lianyungang, China
Foto: REUTERSIm westafrikanischen Guinea könnte sich nach jahrzehntelangem vergeblichen Warten doch noch die große Bonanza einstellen. Wie die "Financial Times" berichtet, stehen Investoren plötzlich Schlange, um die bislang ungenutzten riesigen Eisenerzvorräte des Landes auf den Weltmarkt zu bringen.
Mick Davis, Ex-Chef des Rohstoffkonzerns Xstrata, kündigt mit seiner neuen Firma Niron Metals gewaltige Investitionen an. Der kanadische Milliardär Robert Friedland verhandelt mit dem Multi BHP Billiton, der mit seinen Lizenzen in Guinea wegen der hohen Erschließungskosten und Marktrisiken nie etwas anzufangen wusste.
Der Grund für die Gold- oder besser gesagt Eisengräberstimmung: Das meistgenutzte Metall, in den vergangenen Jahren oft verramscht, wird auf einmal knapp. Seit Jahresbeginn ist der maßgebliche Preis für eine Tonne Eisenerz um 66 Prozent auf 117 Dollar pro Tonne gestiegen.
Ein Auslöser war das tödliche Bergwerksunglück mit dem Dammbruch im brasilianischen Brumadinho im Januar. Seitdem musste der Vale-Konzern, der weltgrößte Lieferant des Rohstoffs, aus Sicherheitsgründen etliche alte Produktionsstätten im dichtbesiedelten Südosten Brasiliens stilllegen. Zugleich wurden die großen, moderneren Vale-Werke im Norden Brasiliens von Unwettern getroffen - ebenso wie die Konkurrenten BHP, Rio Tinto und Fortescue im Nordwesten Australiens.
"Der Markt sagt uns, dass wir Alternativen brauchen", kommentierte Chefökonom Graeme Train vom Handelskonzern Trafigura. Das Angebot für den (nach Erdöl) zweitgrößten Rohstoffmarkt sei im Wesentlichen auf nur zwei Länder beschränkt.
Zwar sind laut einem von der "Financial Times" zitierten - nicht namentlich genannten - Bergbaumanager nur rund 5 Prozent der weltweiten Produktion ausgefallen. Der rasche Preissprung zeige, dass "man sehr bequem werden und sich an den Gedanken gewöhnen kann, der Markt sei überversorgt, und dann kalt erwischt wird".
Stahlnachfrage bricht alle Rekorde
Haupttreiber des Preises jedoch ist offenbar die ungebrochene Nachfrage der Stahlindustrie, die inzwischen mehrheitlich in China angesiedelt ist und vor allem von der dortigen Baukonjunktur angetrieben wird - also kaum beeindruckt von den internationalen Handelswirren.
Im Mai verzeichnete der Branchenverband World Steel Association die Rekordproduktion von 162,7 Millionen Tonnen Rohstahl, Tendenz stark steigend. Wenn das so weiter geht, dürfte die Welt bald zwei Milliarden Tonnen Rohstahl im Jahr produzieren - doppelt so viel wie noch vor 15 Jahren.
Nur ein geringer Teil der Menge kann aus Stahlschrott recycelt werden, für den Rest ist Eisenerz als Input nötig. Autos, Häuser, Züge, Kraftwerke, Maschinen - fast nichts geht ohne das Metall. Dem Bericht zufolge schrumpfen die Erzvorräte in chinesischen Häfen auf kritische Niveaus. Jeffries-Analyst Christopher LaFemina wird zitiert, er rechne in den kommenden Monaten mit "Panikkäufen" der Stahlproduzenten.
Die Erz-Preisrally hat unerwünschte Nebenwirkungen
Auch wenn sich das Wetter in den Produktionsländern wie erwartet beruhigt und das Angebot in der zweiten Jahreshälfte wieder auf Normalniveau steigt, könnte die Preisrally also weitergehen. Noch teurer war das gefragte Metall nur in den Jahren 2010 bis 2012, als das chinesische Konjunkturprogramm die Nachfrage anschob und die Angst vor einer "neuen Opec" umging - bevor Chinas Führung die Stahlproduktion drosseln ließ und der Erzpreis Ende 2015 auf ein Tief von 37 Dollar je Tonne fiel.
Wer wie die inzwischen wieder reichste Australierin Gina Rinehart in den Flautejahren in neue Eisenerzminen investierte und damals dafür belacht wurde, kann jetzt satte Gewinne einstreichen.
Den Kunden im Rest der Welt bleibt kaum etwas anderes übrig, als die Folgen von Chinas Rohstoffhunger zu verdauen.
Schlechte Nachrichten für Hausbauer
Direkt betroffen sind Stahlhersteller wie Thyssenkrupp - vor allem, wenn sie keine eigene Erzproduktion haben wie Marktführer ArcelorMittal: Die Gewinnmargen, gerade erst nach jahrelanger Misere wieder auf nennenswerte Niveaus gestiegen, sind schon wieder verschwunden. Der Erzpreis als wichtigster Kostenfaktor lässt sich nur begrenzt an die Stahlkunden weiterreichen.
Und wenn doch: Dann verteuert sich der wichtigste Input für die Autoindustrie, die zwar zum Großteil immer noch auskömmliche Gewinne erwirtschaftet, aber damit gerade eine teure Transformation stemmen muss.
Bauen wird inmitten des Runs auf Immobilien in vielen Ländern ebenfalls erheblich teurer.
Unerwünschte Folgen hat die Eisenerz-Bonanza nicht zuletzt für das Klima. Der Bergbau - ebenso wie die spätere Verhüttung - zählt nämlich zu den großen Emittenten klimaschädlicher Gase wie CO2. Neue Produktionsstätten, die wegen des Preisanstiegs erschlossen werden, würden also das Problem erheblich vergrößern.
Bis die neuen Megatonnen aus Guinea auf Schiffe verladen werden können, dürften mehrere Jahre vergehen - wenn die Investitionsprojekte nicht vorher in der nächsten Marktkrise wieder abgesagt werden.