Trübe Kauflaune Deutsche Wirtschaft schrumpft stärker als erwartet

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im Schlussquartal 2022 doppelt so stark zurückgegangen wie erwartet. Die hohe Inflation belastete die Kauflaune, vor allem die Bauindustrie erlebte einen massiven Einbruch an Aufträgen – hier drohen nun sogar Jobverluste.
Container im Hamburger Hafen: Die deutsche Wirtschaftsleistung könnte im Gesamtjahr 2023 leicht zurückgehen, erwarten manche Ökonomen

Container im Hamburger Hafen: Die deutsche Wirtschaftsleistung könnte im Gesamtjahr 2023 leicht zurückgehen, erwarten manche Ökonomen

Foto: Christian Charisius / DPA

Deutschland steuert nach einem überraschend deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung zum Jahresende 2022 auf eine Winterrezession zu. Gesunkene Konsumausgaben der Verbraucher in Zeiten hoher Inflation und rückläufige Investitionen würgten die Konjunktur im vierten Quartal 2022 ab. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte nach Daten des Statistischen Bundesamts gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent, wie die Behörde am Freitag bekannt gab. In einer ersten Schätzung war sie von einem Rückgang um 0,2 Prozent ausgegangen. "Der Energiepreisschock hat im vierten Quartal seinen Tribut gefordert", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Nach Einschätzung von Volkswirten dürfte das Bruttoinlandsprodukt auch im ersten Vierteljahr des laufenden Jahres preis-, saison- und kalenderbereinigt schrumpfen. Damit würde Deutschland in eine Winterrezession rutschen: Sinkt das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession. "Wegen des Ausbleibens einer Gasmangellage und der umfangreichen staatlichen Hilfen erwarte ich jedoch nach wie vor keine tiefe Rezession", sagte Krämer.

Die hohe Inflation belastete im Schlussquartal 2022 den Privatkonsum, der nach dem Ende der Corona-Beschränkungen die Konjunktur im Laufe des vergangenen Jahres zunächst gestützt hatte.

Einbruch in der Bauindustrie, Entlassungen drohen

Die Investitionen am Bau sanken nach jahrelangem Boom das dritte Quartal in Folge. Gestiegene Zinsen und hohe Materialkosten führen dazu, dass Hausbauer und große Investoren sich zurückhalten oder begonnene Projekte stornieren. Die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge verringerten sich ebenfalls. "Zum Jahrestag des Ukrainekriegs sehen wir deutlich die Folgen für das Wachstum in Deutschland", sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt Deutschland bei der Deutschen Bank.

Die anhaltende Krise vor allem beim Wohnungsbau könnte dabei erstmals seit über einem Jahrzehnt unterm Strich wieder zu Entlassungen am Bau führen, sagte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Verband ZDB am Freitag. Die Betriebe arbeiteten zwar noch ihre Auftragspolster ab. "Aber die Zeichen stehen auf Sturm" und die Aufträge im Wohnungsbau seien "im freien Fall". Es bestehe auch für die Branche die erhebliche Gefahr, "den Beschäftigtenstand nicht halten zu können".

Jobverluste hat es in der bisher gut laufenden Bauwirtschaft schon lange nicht mehr gegeben. Nach dem Ende des Booms in Folge der Wiedervereinigung halbierte sich die Zahl der Arbeitsplätze von rund 1,4 Millionen etwa. "Die Baubranche hat in den letzten zwölf Jahren aber rund 200.000 Beschäftigte neu eingestellt, um die enorme Baubedarfe bei Wohnungen, Schulen und Infrastruktur realisieren zu können", sagte Pakleppa.

GfK: Aufgehellte Verbraucherstimmung

Hoffnung macht, dass sich die Stimmung der Verbraucher in Europas größter Volkswirtschaft weiter aufhellte. Die Kauflaune der Deutschen bessert sich dank geringerer Rezessionsängste den fünften Monat in Folge. Für März prognostizierten die GfK-Marktforscher einen Anstieg ihres Konsumbarometers um 3,3 auf minus 30,5 Punkte – den höchsten Wert seit Juli 2022.

"Trotz anhaltender Krisen, wie dem Ukraine-Krieg, einer schwächelnden Weltwirtschaft sowie hohen Inflationsraten, kann das Konsumklima ein weiteres Mal spürbar zulegen", sagte GfK-Experte Rolf Bürkl am Freitag. Damit bleibe die Stimmung auf niedrigem Niveau, aber klar auf Erholungskurs. "Der Pessimismus der Verbraucher, der im Herbst des vergangenen Jahres seinen absoluten Höhepunkt hatte, schwindet zusehends."

Auch Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung rechnet ab dem Frühjahrsquartal mit einer gewissen wirtschaftlichen Erholung, "weil dann allmählich die Inflation sinken wird und sich damit der Konsum stabilisieren dürfte."

2023 voraussichtlich kein steiler Absturz

Die Aussichten für das Gesamtjahr 2023 sind trotz der erwarteten Winterflaute also nicht mehr so trüb wie nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. "Die deutsche Wirtschaft kann sich im anhaltenden Krisenumfeld besser behaupten als noch vor wenigen Monaten befürchtet, ein steiler Konjunkturabsturz bleibt wohl aus", sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

Manche Ökonomen rechnen im Gesamtjahr 2023 mit einem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung oder einer Stagnation. Weil der Staat Privathaushalte und Unternehmen mit Milliardensummen bei den kräftig gestiegenen Energiekosten entlastet, erwarten einige Volkswirte ein leichtes Wirtschaftswachstum. Zuletzt hob auch die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr an. Sie rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent statt mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Die Milliardenhilfen belasten allerdings die Staatskasse. Der deutsche Fiskus gab 2022 das dritte Jahr in Folge mehr Geld aus als er einnahm.

dri/dpa-afxp
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren