Drohende Stornierung
Airbus fürchtet Verlust von Milliardenaufträgen
Mit der Schieflage der malaysischen Airline AirasiaX wackelt auch ein erster Großauftrag für Airbus-Maschinen. Mit Easyjet konnte der Hersteller sich gerade noch einigen. Der Titel des Weltmarktführers bleibt Airbus erhalten - weil Boeing noch schneller schrumpft.
Der europäische Flugzeughersteller Airbus wird 2020 das zweite Jahr in Folge als Weltmarktführer vor dem Rivalen Boeing beenden - doch es ist ein Wettlauf nach unten. Brancheninsidern zufolge wird Airbus in diesem Jahr 550 bis 560 Flugzeuge ausliefern. Der Absatz läge damit aber um 35 Prozent unter dem Vorjahr, als der Konzern mit 863 Maschinen eine Bestmarke erzielte. Ein Airbus-Sprecher lehnte es ab, sich zu Einzelheiten zu äußern, sagte jedoch, Airbus arbeite weiterhin normal. "Wir liefern weiterhin mit Volldampf und dies wird auch in den Ferien so bleiben", sagte er. Airbus hatte die Produktion zu Beginn der Corona-Krise um etwa ein Drittel gedrosselt, plant die Schlagzahl bei der A320-Baureihe im Sommer 2021 aber wieder zu erhöhen.
Der Druck für das Geschäft in den kommenden Jahren wächst jedoch. Airbus fürchtet durch die Umstrukturierungen bei der unter Druck geratenen malaysischen Billigairline AirasiaX um Aufträge über mehr als fünf Milliarden Dollar. "AAX hat bestellt und Airbus hat bereits sieben A330neo-Flugzeuge gebaut oder im Wesentlichen gebaut, die sich derzeit im Inventar befinden", erklärte der für den asiatisch-pazifischen Raum zuständige Airbus-Manager Anand Stanley. Er fügte hinzu, dass weitere 71 bestellt seien. Würden sie storniert, werde Airbus "erhebliche Verluste" erleiden.
In von Reuters eingesehenen Gerichtsunterlagen vom 17. Dezember erklärt AAX, Airbus zwölf Milliarden Dollar einschließlich Vorlieferungszahlungen für den zugesagten Kauf von 118 Flugzeugen zu schulden. Das Unternehmen kämpft wegen des Geschäftseinbruchs in der Corona-Krise ums Überleben. Die Airline hatte vergangene Woche eine Kapitalerhöhung angekündigt und verhandelt mit ihren Geldgebern über eine Umstrukturierung der Schulden.
AirAsia-X betreibt eine reine Airbus-Flotte. Erst im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen seine Bestellungen für den Großraumjet A330neo um 12 Exemplare auf 78 Maschinen aufgestockt. Zudem hat das Unternehmen den neuen kleinen Langstreckenjet A321XLR geordert. Laut der letzten veröffentlichten Airbus-Preisliste von 2018 hat die gesamte Order einen Wert von rund 23 Milliarden Dollar. Allerdings sind bei Flugzeugbestellungen hohe Rabatte üblich. Wie viele Aufträge möglicherweise auf der Kippe stehen, wollte der Airbus-Sprecher nicht sagen.
Easyjet verschiebt Großauftrag um drei Jahre
Der Flugzeughersteller hatte Stornierungen in der Corona-Krise bisher weitgehend vermeiden können. Die meisten Airlines verschoben die Abnahme bestellter Maschinen lediglich um einige Monate oder Jahre in die Zukunft. Erst am Dienstagmorgen hatte der britische Billigflieger Easyjet eine entsprechende Einigung mit Airbus bekannt gegeben.
Die Unternehmen hätten sich darauf geeinigt, dass Airbus 22 Maschinen statt in den Geschäftsjahren 2022 bis 2024 erst 2027 und 2028 an Easyjet ausliefert, teilte die Fluggesellschaft am Dienstag in Luton bei London mit. Easyjet-Chef Johan Lundgren (54) begründete den Schritt damit, die Flottenplanung in dieser unsicheren Zeit noch flexibler zu gestalten.
Im laufenden Geschäftsjahr bis Ende September 2021 nimmt Easyjet den Angaben zufolge überhaupt keine neuen Maschinen ab, im Folgejahr sollen es acht, im 2023 sieben und im Geschäftsjahr darauf 18 Flugzeuge sein. Zudem wird die Auslieferung von 15 Maschinen so verlegt, dass sie besser zu der erwarteten saisonalen Nachfrage passt. Schon zuvor hatte Easyjet die Auslieferung von 24 Maschinen für die nächsten drei Jahre verschoben. Easyjet ist mit einer reinen Flotte aus Airbus-Mittelstreckenjets der A320-Familie und deren Neuauflage A320neo unterwegs.
Großaktionär wollte ganzen Auftrag stornieren
Für die Flugzeuge, deren Auslieferung nun verschoben wurde, muss Easyjet tiefer in die Tasche greifen. Die Verschiebung schlage mit 26 Millionen britischen Pfund (28 Millionen Euro) zu Buche, hieß es. Hinzu komme ein Preisaufschlag wegen steigender Kosten für Personal und Material.
Easyjets Großaktionär und Gründer Stelios Haji-Ioannou (53) hatte sogar gefordert, dass die Airline ihre gesamte verbliebene Bestellung über mehr als 100 Airbus-Jets storniert. Derzeit bedroht eine in Großbritannien entdeckte neue Variante des Coronavirus das Geschäft von Airlines wie Easyjet zusätzlich. Die meisten europäischen Länder stoppten am Montag die Einreise aus dem Königreich, um die Verbreitung der von den Briten als besonders aggressiv eingestuften Mutation zu unterbinden - darunter auch Deutschland.
Für die Aktie von Easyjet ging es am Morgen wie für mehrere andere Papiere aus der Luftfahrtbranche nach dem kräftigen Einbruch zum Wochenstart aufwärts. Zuletzt lag ihr Kurs in London mit rund 5 Prozent im Plus. Der Kurs der Airbus-Aktie pendelte um den Schlusskurs vom Vortag.