Chemieriese BASF mischt mit im Öl- und Gasmonopoly

Produktionsplus aus dem Labor: BASF und Wintershall hoffen auf höhere Ölausbeute mit Hilfe des Pilzes Schizophyllum
Foto: WintershallHamburg - Auf den Pilz sind die Chemiker stolz. Schizophyllum commune, der Gemeine Spaltblättling, könnte die nächste Revolution in der Ölwelt einläuten. Bei der Aufnahme von Stärke und Sauerstoff erzeugt der Pilz ein Biopolymer, das Wasser zu einer Art Gelee andickt. Dieses Schizophyllan könnte restliches Erdöl aus Bohrlöchern pressen - anders als bisherige Hilfsmittel auch in salzigem Gestein.
"Solche Innovationen können Katalysatoren für die Branche sein", schwärmte Wintershall-Chef Rainer Seele, dessen Kasseler Unternehmen gemeinsam mit Mutterkonzern BASF das Schizophyllan entwickelt, jüngst auf einer Energiekonferenz. Seit September läuft ein Praxistest in Wintershalls Ölfeld im niedersächsischen Bockstedt. Für die Technik ließ sich auch der norwegische Rohstoffkonzern Statoil begeistern. Die gemeinsame Entwicklung von Schizophyllan für Förderanlagen auf See war eine der Gegenleistungen - neben einer Milliarde Euro in bar - für die Abgabe großer Öl- und Gasfelder in der Nordsee an Wintershall im November.
In Emlichheim nahe der niederländischen Grenze hat Wintershall bereits erfolgreich mit der sogenannten Dampffluttechnik das Öl zum Fließen gebracht und so die wirtschaftliche Lebenszeit der Lagerstätte auf rund 90 Jahre verlängert. "Auch wenn die heimische Ölförderung derzeit nur 3 Prozent des deutschen Gesamtbedarfs umfasst, in Deutschland entwickeln wir das Wissen, dass wir dann weltweit exportieren", erklärt Seele.
Dabei geht es keineswegs um eine selbstlose Verbreitung von Know-how. Seele verweist auf den "globalen Wettkampf um die Rohstoffe". Die Expertise diene "als Eintrittskarte in die Welt der National Oil Companies".
Öl- und Gasgeschäft als Wachstumsfeld der BASF
Bisher ist die Rohstoffwelt übersichtlich. Da sind die Förderländer wie Russland, Saudi-Arabien oder Iran, die meist mit staatlichen Monopolen das Angebot zu kontrollieren suchen. Auf der anderen Seite die Industrienationen spielen mit eigenen Rohstoffmultis mit, die ihrerseits mit global gestreuten eigenen Vorräten und tiefen Taschen gegenhalten.
Die USA haben Exxon Mobil, Chevron und Conoco Phillips. Großbritannien hat BP, Frankreich Total, Italien Eni, Spanien Repsol, die Niederlande Shell. Nur Deutschland hat niemanden im globalen Rennen. Oder hatte.
Der Chemiekonzern BASF, in seiner Branche Weltmarktführer, ist bereits seit der Übernahme von Wintershall 1969 im Geschäft. Bisher lief das aber eher nebenher, mit Schwerpunkt auf die vergleichweise bescheidene inländische Produktion, Import und Verteilung von Erdgas. Der 2011 angetretene Chef Kurt Bock aber gibt konsequentes Wachstum im margenstarken Upstream-Geschäft vor, "die Förderung an der Quelle vorantreiben".
Die neue Strategie zahlt sich unmittelbar aus. Während internationale Wettbewerber wie Dow Chemical oder Akzo Nobel rote Zahlen Schreiben, verdient BASF zumindest vor Steuern und Sondereffekten deutlich mehr als zuvor. Größter Ergebnistreiber ist die Öl- und Gassparte, wie Analyst Oliver Schwarz von der Privatbank M.M. Warburg feststellt.
Suche nach neuen Vorkommen auf Hochtouren
Die Zahlen für 2012 sehen im Vergleich mit dem Vorjahr auch deshalb gut aus, weil damals die bedeutende Ölproduktion von Wintershall in Libyen wegen des dortigen Kriegs monatelang lahmlag. Doch schon im Oktober 2011 nahm das Unternehmen die Produktion wieder auf - trotz Befürchtungen, wegen der Geschäfte mit Gaddafi im neuen Libyen keine Rolle mehr spielen zu können - und nähert sich allmählich wieder dem Vorkriegsniveau von 100.000 Fass pro Tag an.
Für das laufende Jahr dürfte die Sparte aber noch ganz andere Zahlen liefern. Dafür sorgen vor allem die im Herbst vereinbarten Tauschgeschäfte mit Statoil und dem russischen Gasriesen Gazprom. Allein in Norwegen machte Wintershall durch den Erwerb drei bereits aktiver Gasfelder einen Sprung von 3000 Fass Öläquivalent pro Tag auf knapp 40.000 Fass. Im Gasfeld Brage übernehmen die Deutschen erstmals die Betriebsführung einer großen Plattform im Norden.
Und die Suche nach weiteren Vorkommen läuft auf Hochtouren weiter. Im Januar meldete Wintershall Erfolg im Ölfeld Asha Noor in 2700 Metern Tiefe, 200 Kilometer vor Stavanger. 20 bis 40 Millionen Fass gewinnbaren Öls sollen dort lagern. "Asha Noor ist unser dritter Ölfund in den letzten zwölf Monaten in Norwegen", freute sich Explorationsvorstand Martin Bachmann.
Mit den Russen vereinbarte Wintershall, politisch brisant, die Abgabe der deutschen Gashandelsgesellschaft Wingas inklusiver großer Gasspeicher und weiterer Aktivitäten mit zusammen fast neun Milliarden Euro Jahresumsatz. Im Gegenzug (und zuzüglich einer weiteren Milliardenzahlung) erhalten die Deutschen noch mehr Anteile an sibirischen Gasfeldern, wo sie bereits seit 2006 als Partner von Gazprom beteiligt sind. Allein die zwei neuen Blöcke des Gasfelds Achimov sollen ab 2016 mindestens acht Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich liefern.
Expanison noch längst nicht gestoppt
Damit ist die Expansion noch längst nicht gestoppt. In der vergangenen Woche kündigten Wintershall und Total gemeinsam mit Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner an, 1,6 Milliarden Dollar zu investieren, um ihre bereits bedeutende Gasförderung in dem südamerikanischen Land zu verdoppeln.
Für BASF fällt von der Strategie mehr ab als nur bare Münze. Allein das Stammwerk Ludwigshafen verbraucht so viel Gas wie ein mittelgroßer Industriestaat. Der Konzern zählt auch zu den großen Betreibern von Gaskraftwerken in Deutschland - die drei Anlagen in Ludwigshafen sind die drei leistungsstärksten Kraftwerksblöcke überhaupt in Rheinland-Pfalz; zudem liefern sie die wichtige Prozesswärme für das komplexe Röhrensystem.
Weil der Konzern so stark auf Gas setzt, setzt er sich auch politisch für den Energieträger ein, dem es ansonsten an einer starken Lobby in Deutschland fehlt. Auf Staatsbesuch mit Kanzlerin Angela Merkel in Oslo mahnte Wintershall-Chef Seele an, die Norweger brauchten für ihre geplanten Milliardeninvestitionen "Planungssicherheit, dass Deutschland als Absatzmarkt nicht wegbricht".