Monsanto Liebling der Analysten, Feind der Aktivisten

Sorgt für eine neue Gentechnikdebatte: Mais von Monsanto
Foto: Patrick Pleul/ picture-alliance/ dpaHamburg - Das PR-Team des amerikanischen Gentechnikkonzern Monsanto hat es derzeit nicht leicht. Dabei macht es eigentlich einen ganz guten Job. Wer sich in Deutschland per Google über das Unternehmen informieren will, stößt beim Stichwort "Monsanto" zunächst auf die üblichen Wikipedia-Einträge in englisch und deutsch, gefolgt von der Unternehmens-Website, die mit dem Satz beschrieben wird: "Monsanto - A Sustainable Agriculture Company". Nach diesem Hinweis auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells folgen im Page-Ranking noch der Verweis auf die deutsche Website und der Link zum Thema "Careers at Monsanto".
Danach jedoch beginnt jener Abschnitt der Trefferliste, gegen den wohl auch die besten Öffentlichkeitsarbeiter machtlos sind, wenn das vermeintlich "nachhaltige" Handeln des eigenen Unternehmens so sehr von der Öffentlichkeit hinterfragt wird wie es derzeit bei dem US-Konzern der Fall ist.
"Monsanto's Harvest of Fear" titelt etwa das US-Magazin Vanity Fair. "Meet Monsanto's number one lobbyist: Barack Obama", schreibt das pharmakritische US-Blog "naturalnews". Und ein Youtube Video fragt schlicht: "Is Monsanto Evil?".
Es sind Texte und Filme, die sich kaum verhindern lassen, wenn ein Unternehmen sich in Gebiete vorwagt, die Kapitalgeber lieben und auf die Aktionäre hoffen, während Konsumenten sie fürchten und Aktivisten sie hassen. Und so prallten auch am Mittwoch wieder zwei Welten aufeinander, als der Konzern mit Sitz in St. Louis seine Jahreszahlen präsentierte.
Von Analysten geliebt, von Aktivisten gehasst
Die eine Welt ist jene der Wall Street. Hier hat Monsanto eine Reputation, die ihresgleichen sucht. In Zeiten der Wirtschaftskrise gilt das Unternehmen branchenbedingt als konjunkturresistent. Die Preise für Mais und Getreide stiegen zuletzt in Folge der verheerenden Dürre rapide, was Monsanto als marktführendem Lieferanten von Saatgut, Unkraut- und Insektenvernichtern in die Karten spielt.
Auf der jüngst vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes erstellten Liste der weltweit innovativsten Konzerne belegen die Amerikaner Rang 16. Und in den sechs vergangenen Quartalen hat Monsanto die Schätzungen der Analysten stets übertroffen. Rund 13,65 Milliarden Dollar (10,57 Milliarden Euro) wird der Konzern in diesem Jahr umsetzen.
Die Aktie von Monsanto, die Mitte Mai bei rund 70 US-Dollar notierte, kletterte zuletzt über die 90-Dollar-Marke. Konkurrenten wie der deutsche Pharmakonzern Bayer verstärken auf Grund der hohen Nachfrage ihre Crop-Science-Aktivitäten in den USA.
Und doch gibt es jenseits der Wall Street diese andere Welt. Die Welt jener Protestler, die ein Jahr nach Beginn der Occupy-Wall-Street-Bewegung, am 17. September dieses Jahres ihre eigene Bewegung ausgerufen haben: "Occupy Monsanto".
Die Demonstranten, die zuletzt mit Sitzkissen und gelbem Flatterband ausgerüstet die Zugangswege zum Monsanto-Stammsitz blockierten, um gegen genveränderte Lebensmittel zu protestieren, sind nur eine der vielen Gruppen, mit denen sich der Gentechnikkonzern in kostspieligen PR-Kampagnen auseinandersetzen muss. Schon im Frühjahr trug eine Petition, die bei der staatlichen Lebensmittelbehörde die Kennzeichnung von genveränderten Lebensmitteln einforderte, die Unterschriften von mehr als einer Million US-Bürger. Und in Kalifornien, wo die Bevölkerung Anfang November dieses Jahres über die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch verändertem Obst und Gemüse abstimmt, sah sich Monsanto wegen der jüngsten Proteste gar gezwungen, zwei Werke vorübergehend stillzulegen.
Probleme mit der Maissorte NK603
Längst ist die Protestwelle über den Atlantik auch nach Europa geschwappt. Für Unmut sorgt seit Mitte September allem voran die von Monsanto gentechnisch veränderte Maissorte NK603. Denn der Mais, der in Europa als Tierfutter zugelassen ist, steht seit wenigen Wochen unter Verdacht, Krebs zu erregen. Das zumindest hat ein französisches Forscherteam um Gilles-Eric Séralini an der Universität Caen in einer Studie an 200 Ratten festgestellt, die mit dem genveränderten Monsanto-Mais gefüttert wurden.
Anders als bei von der Industrie finanzierten Prüfungen üblich, hatten die Forscher die Ratten über zwei Jahre statt nur über 90 Tage mit dem genveränderten Mais gefüttert, um die Langzeitwirkungen besser beurteilen zu können. Das Ergebnis: Die mit Genmais gefütterten Ratten starben früher und erkrankten häufiger an Krebs als Tiere, die herkömmliche Nahrung erhielten.
Die Reaktionen auf die Untersuchung sind indes gespalten. Monsanto beispielsweise kritisiert, dass die Untersuchung nicht den "akzeptablen Mindeststandards" für wissenschaftliche Studien entspreche. Die Ergebnisse würden durch die vorgelegten Daten nicht gestützt. Es gebe daher "keinen nachvollziehbaren Zusammenhang" zwischen gentechnisch verändertem Mais und den von den Autoren der Studie formulierten Ergebnissen, so der Konzern.
Auch einige Wissenschaftler kritisierten die Studie. So wird den französischen Forschern vorgeworfen, eine zu geringe Anzahl an Ratten untersucht zu haben, um eindeutige Ergebnisse zu erhalten. Darüber hinaus wird kritisiert, dass bei der Untersuchung eine für Tumore besonders anfällige Rattenart verwendet wurde. Nicht zuletzt wird den Forschern vorgehalten, dass sie nicht alle erhobenen statistischen Daten in ihrer Publikation veröffentlicht haben, was es Dritten erschwert, die Ergebnisse nachzuvollziehen.
Warum unabhängige Forscher selten das benötigte Saatgut bekommen
Diese Argumente wiegen zwar schwer. Dennoch sind es gerade auch die großen Agrarkonzerne wie Monsanto oder Syngenta, die seit längerem eben jene Forschungen ausbremsen, die die Auswirkungen ihrer gentechnisch veränderten Produkte auf Mensch und Tier untersucht. Ein Mittel zum Zweck ist dabei die Finanzkraft von Monsanto und Co. So gehören die Agrarkonzerne selbst zu den größten Gelbgebern der Forscher.
Darüber hinaus beschrieb beispielsweise die Los Angeles Times schon vor anderthalb Jahren die Praxis der Konzerne, unabhängigen Forschern das für die Untersuchungen benötigte Saatgut zu verweigern. Dies ist möglich, weil das Saatgut patentiert ist und damit nicht ohne Genehmigung der Konzerne genutzt werden darf. "Unternehmen haben eine weitreichende Macht, wenn es um die Nutzung ihrer Produkte geht, auch darüber, wer diese wie erforscht", heißt es in dem Artikel.
Im Falle der französischen Untersuchung hat die Lobbyarbeit von Monsanto jedoch nicht gegriffen: Trotz der methodischen und inhaltlichen Kritik an der veröffentlichten Genmais-Studie hat die französische Regierung bereits die für Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde "Anses" veranlasst, weitere Untersuchungen durchzuführen. Russland hat bereits einen Einfuhrstopp verhängt, der solange gelten soll, bis weitere Informationen über die mögliche Krebsgefahr durch NK603 vorliegen. Und auch in Südafrika wird über ein Verbot des Monsanto-Mais debattiert.
Europa ist genetisch gespalten
Doch ob solche kurzfristigen Reaktionen die Durchdringung des Marktes mit gentechnisch veränderten Produkten langfristig verhindern werden, ist fraglich. So ist schon heute in Südafrika rund 80 Prozent des angebauten Getreides gentechnisch verändert. Russland indes lässt seit dem Beitritt zur WTO in diesem Sommer kaum eine Gelegenheit aus, einstige Zollschranken durch andere Importrestriktionen zu ersetzen.
Und Europa? Knapp 50 genverändert Mais-, Baumwoll-, Sojabohnen-, Kartoffel- oder Rapssorten sind derzeit in Europa zugelassen. Vertrieben werden sie von Großkonzernen wie Bayer, BASF, Syngenta oder Monsanto. Die meisten Genpflanzen sind für den Import erlaubt. Angebaut werden dürfen bisher allerdings nur der Genmais MON810 von Monsanto und die Kartoffel Amflora von BASF. Regelmäßig werden neue Anträge auf Zulassung in der EU gestellt.
Wie gespalten der alte Kontinent in Sachen Gentechnik ist, zeigt der Blick auf eine entsprechende Abstimmung im Rat der Europäischen Union, die in der vergangenen Woche stattfand. Inmitten der Debatte über den Monsanto-Genmais hätten die EU-Länder über die Anbauzulassung einer neuen Genmais-Sorte entscheiden sollen - allerdings vom schweizerischen Monsanto-Wettbewerber Syngenta.
Das Ergebnis: Die Entscheidung wurde vertagt. Bereits zum zweiten Mal. Nachdem laut Diplomatenkreisen insgesamt dreizehn Staaten für und zehn gegen eine Zulassung des Genmais' als Lebensmittel und Tierfutter gestimmt hatten. Vier Staaten - darunter Deutschland - hatten sich enthalten.
Monsanto setzt auf Romney
Entscheiden muss nun die EU-Kommission. Da die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) der Syngenta-Pflanze aber bescheinigt, keine Gesundheitsschäden zu verursachen, wird die Kommission voraussichtlich für eine Freigabe der Genmais-Sorte MIR-162 plädieren.
Der Fall könnte somit als Muster für Monsantos NK603 dienen. Denn in dieser Woche legt die EFSA eine Bewertung der umstrittenen Studie zur Wirkung des Genmais' auf Ratten vor. Sollte die Behörde die Studie als unbedenklich klassifizieren, hätte Monsanto einen weiteren Meilenstein in Europa genommen.
In den USA könnte bald ein noch größerer Meilenstein folgen: die US-Wahlen. Zwar hat der amtierende Präsident Barack Obama seinen Worten im letzten Wahlkampf, sich für die Kennzeichnung genveränderter Lebensmittel einzusetzen, bislang keine Taten folgen lassen. Doch sicher dürfte sich Monsanto in dieser Sache wohl nicht sein. Zumal Obamas Herausforderer Mitt Romney die bessere Alternative für den US-Konzern darstellt.
Einst stand Romney in Diensten der Unternehmensberatung Bain & Company. Eine seiner wichtigsten Aufgaben, die er dort in den Jahren von 1977 bis 1985 wahrnahm, war die Beratung eines US-amerikanischen Chemiekonzerns. Dieser war zu jener Zeit von Skandalen und Gerichtsverfahren um giftige Chemikalien wie DDT, PCB oder Agent Orange erschüttert. Romney half, das Unternehmen neu auszurichten, das alte Chemiegeschäft abzustoßen und die Saat für Wachstum im Agrargeschäft auszubringen. Der Konzern steht heute zumindest wirtschaftlich besser da denn je. Sein Name: Monsanto.